Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

Wie von Maximilian schon in seinem Ladungsschreiben an die Reichsstände angekündigt (Nr. 61 [4.], [6.]), war die für den Krieg gegen Venedig benötigte Truppen- bzw. Geldhilfe von Anfang an das zentrale Thema des Augsburger Reichstags. Aus diesem Grund wurde die geplante Fortsetzung der Beratungen des Frankfurter Reichsmünztages vom September 1509 über eine einheitliche Goldmünzordnung für das Reich, zu der der Kaiser die deutschen Münzstände gleichfalls für den 13. Januar nach Augsburg geladen hatte (Nr. 60), zum Leidwesen mancher Beteiligter gar nicht ernsthaft in Angriff genommen, sondern auf den nächsten Reichstag verschoben (Nr. 492 [7.], 507 [5.], 125 [2.], 552 [6.]). Sowohl in seiner durch den kaiserlichen Hofmeister Graf Eitelfriedrich von Zollern vorgetragenen Rede anläßlich der Reichstagseröffnung am 2. März als auch in der schriftlichen Proposition vom 6. März rekapitulierte Kaiser Maximilian dann in einem ausführlichen historischen Rückgriff seine bisherigen jahrezehntelangen Leistungen zum Wohl der Christenheit und des Reiches, insbesondere durch deren Bewahrung vor Übergriffen feindlicher Mächte, und schlug anschließend die Brücke zur aktuellen Auseinandersetzung gegen Venedig. In teilweise sehr emotionaler Form ermahnte er die Reichsstände, ihm nicht erneut ihre Unterstützung in diesem Konflikt zu verweigern. Ein Sieg im geplanten neuen Feldzug liege im gemeinsamen Interesse von Kaiser und Ständen, eine Niederlage infolge mangelnden Engagements hingegen gereiche dem Reich zur internationalen Schmach (Nr. 94 [1.], 95). In ihrer Antwort bekundeten die Stände ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer Hilfeleistung, verlangten aber, daß sie erträglich sei und gerecht aufgeteilt werde, erklärten aber auch ihr Interesse an einer Vermittlung zwischen dem Kaiser und Venedig (Nr. 96).

In den folgenden Verhandlungen zeigte sich Maximilian, wie schon erwähnt, sehr skeptisch gegenüber Ausgleichsbemühungen mit den Venezianern, statt dessen äußerte er konkrete Vorstellungen von der durch ihn gewünschten Kriegsunterstützung. Sie sollte bestehen aus einer Eilenden Hilfe, basierend auf dem Konstanzer Reichsanschlag zur Romzugshilfe von 1507, und einer auf drei Jahre ausgelegten langfristigen Hilfe mit dem Augsburger Anschlag von 1500 als Berechnungsgrundlage (Nr. 103). Die Stände lehnte diese Forderung als überzogen ab (Nr. 104), boten statt dessen eine einjährige Hilfe gemäß dem Kölner Anschlag von 1505 an (Nr. 106 [1.], 107 [2.]). Im Gegenzug verlangte der Kaiser den deutlich höheren und damit ertragreicheren Konstanzer Anschlag (Nr. 108 [4.]), unterbreitete aber gleichzeitig einen ganz neuartigen Vorschlag, der die Aufstellung eines aus 10000 Berittenen und 40000 Fußknechten bestehenden Heeres vorsah (Nr. 108 [7.]). Ein von ihm dafür vorgelegter Anschlagsentwurf nannte auch gleich die von jedem einzelnen Reichsmitglied zu stellende Anzahl Bewaffneter (Nr. 116). Allerdings sollte jeder Stand berechtigt sein, „den anschlag under den seinen aus[zu]teyln, dardurch die pürd gleich getragen werde“. Dadurch bräuchte „nymands kein pfennig geben, dann allein, so man zu notturft des hl. Reichs aufbeut, das ein yder anziehe mit seiner anzal“. Über den Zweck und das Ziel derartiger Aufgebote äußerte sich Maximilian hingegen nur recht vage: Wenn „des Reichs widerwertigen von einer solchen einigkeyt und hielf zwischen ksl. Mt. und dem Reich“ hörten, würden sie „on zweyfl das Reich unangefochten lassen“. Wer mit diesen Widersachern konkret gemeint war, blieb offen, doch ist zu vermuten, daß Maximilian vorhatte, das von den Reichsständen bereitzustellende 50000-Mann-Heer in erster Linie gegen Venedig einzusetzen. Mit einer derart großen Armee hätte er natürlich ungleich größere Siegchancen gehabt als mit den durch die Stände zugesagten 1000 Berittenen und 3000 Fußknechten des Kölner Anschlags.

Im weiteren Verlauf der Debatte brachten die Stände dann allerdings einen „anslag im Reich zu underhaldung frides und recht, auch beschirmung des hl. Reichs“ ins Spiel (Nr. 112 [3.], 112 [4.]). Kaiser Maximilian ging auf diese neue Akzentsetzung, die neben der Verwendung des Aufgebots gegen äußere Feinde augenscheinlich auch dessen Einsatz bei reichsinternen Friedensverletzungen vorsah, sofort ein und unterbreitete dazu sogar eine ganze Reihe konkreter organisatorischer Vorschläge (Nr. 115). Doch dann erklärten die Stände, sie wollten die weitere Erörterung dieses hochwichtigen Themas auf den nächsten Reichstag verschieben, da es im Ladungsschreiben für die laufende Versammlung nicht angekündigt worden sei und zudem etliche Stände in Augsburg fehlten (Nr. 118). Sie gaben jedoch dem Kaiser auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin das Versprechen, auf dem kommenden Reichstag „einer ordnung halb zu hanthabung fridens, rechtens und was daran hangt […] sließlich zu ratschlagen und zu handeln“ (Nr. 122). Diese feste Zusage wurde auch im Reichsabschied vermerkt (Nr. 125 [13.]).

Was die Kriegshilfe gegen Venedig betraf, rückten die Stände nicht mehr von ihrer einmal getroffenen Aussage ab. Zunächst wollte Maximilian den 1505 in Köln bewilligten Anschlag für ein zweites Jahr bewilligt haben (Nr. 111 [1.]), dann ersuchte er darum, ihm zusätzlich 1000 Berittene und 2000 Fußknechte zur Verfügung zu stellen (Nr. 119 [14.], 121 [2.]), doch beides wollten die Stände nicht zugestehen (Nr. 113 [1.]), so daß es letztlich bei der einjährigen Kölner Hilfe blieb. Hierfür wurde ein Anschlag erstellt, der 1181 Berittene und 3700 ¼ Fußsoldaten umfasste (Nr. 121). Um diese flexibler verwenden zu können, ließ der Kaiser sie in eine Geldhilfe umgerechnen, deren Einsammlungsmodalitäten im Reichsabschied unter Berücksichtigung verschiedener Sonderaspekte detailliert geregelt wurde (Nr. 125 [1.] - [12.]).

Während dem Kaiser in Augsburg vor allem die Hilfe gegen Venedig am Herzen lag, signalisierten die Stände, daß sie an der Bewältigung anderer aktueller Probleme weit mehr interessiert waren. So empfahlen sie zur Eindämmung der zahlreichen akuten Konflikte zwischen hoch- und niedriggestellten Reichsangehörigen, „das ksl. Mt. mit ernst in die sachen sehe, damit solich emporung, irrung und widerwil hingelegt und vertragen, auch frid, recht, hanthabung und execution und sonderlich das cammergericht […] bestentlich und wesenlich im hl. Reich […] gehalten“ werde (Nr. 107 [1.]). Maximilian sicherte zu, sich durch vermehrte schiedsgerichtliche Verfahren intensiver um die Beilegung interterritorialer Streitigkeiten zu bemühen (Nr. 108 [1.], 114 [7.]), verlangte jedoch bei der Handhabung und Durchsetzung von Friede und Recht eine verstärkte Mithilfe der Stände (Nr. 107 [2.]). Im weiteren Verlauf der Debatte kamen auch die notwendige Abstellung der bestehenden Mängel des Reichskammergerichts und die Schwierigkeiten mit seiner Finanzierung zur Sprache (Nr. 109 [4.]). Im Hinblick darauf sicherte der Kaiser im Reichsabschied zu, die ungehinderte Tätigkeit des Reichskammergerichts zu gewährleisten und keine gegen dessen Entscheidungen gerichteten Mandate ausgehen zu lassen (Nr. 125 [16.]). Die aktuellen Finanzierungsprobleme des Gerichts und die gegen die Institution laut gewordenen Klagen wollte man auf einer gesonderten Zusammenkunft in Worms am 24. Juni erörtern (Nr. 125 [17.]). Zum Landfrieden hieß es nur knapp und allgemein, der Kaiser wünsche dessen strikte Einhaltung. Deshalb werde er ihn den Untertanen durch erneute Bekanntmachung wieder in Erinnerung bringen (Nr. 125 [19.]).

Daß die Verhandlungen über die Kriegshilfe gegen Venedig und die von den Ständen in Gang gebrachte Diskussion über Friedenswahrung und Gerichtsbarkeit in der Tat die beherrschenden Aspekte des Augsburger Reichstags waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß alle anderen in Augsburg zur Sprache gekommenen (nachfolgend näher beschriebenen) Themen im Reichsabschied gar nicht erwähnt sind. Immerhin wird dort auf den nächstfolgenden Reichstag hingewiesen, der nach dem ursprünglichen Wunsch der Stände am 2. Februar 1511 in Frankfurt oder Worms, gemäß ihrem zweiten Votum in Straßburg oder Worms stattfinden sollte (Nr. 113 [2.], 117 [12.]). Da sich Maximilian gegen Straßburg aussprach (Nr. 119 [8.]), legte der Reichsabschied für den Fall einer persönlichen Teilnahme des Kaisers dessen Lieblingsstadt Augsburg, bei seiner Verhinderung Worms als Tagungsort fest (Nr. 125 [13.] - [14.]). Der Abschied wurde von Vertretern der Kurfürsten, der geistlichen und der weltlichen Fürsten, der Prälaten und der Grafen gesiegelt (Nr. 125 [23.]), allerdings anschließend nicht in gedruckter Form publiziert.

Parallel zu seiner Diskussion mit den Reichsständen über eine Hilfe für den Krieg gegen Venedig führte Maximilian auch mit Vertretern der Landstände der niederösterreichischen Erbländer, die er als ihr Landesherr schon im Dezember 1509 zu sich nach Augsburg geladen hatte (Nr. 309-311), entsprechende Verhandlungen. Als Gegenleistung für eine zugesagte Geldhilfe gewährte er Österreich ob der Enns, Österreich unter der Enns, der Steiermark, Kärnten und Krain im Augsburger Libell (Nr. 320 Anm. 1) und in einer Reihe zusätzlicher Urkunden (Nr. 314-319) verschiedene Rechte, um die sie sich schon seit längerem nachdrücklich bemüht hatten.

Von den zahlreichen in Augsburg diskutierten interterritorialen Streitfällen sollen im Folgenden nur die wichtigsten etwas genauer vorgestellt werden. Als besonders heikel erwies sich der Konflikt um Erfurt, waren doch daran mit dem Mainzer Erzbischof und Kurerzkanzler Uriel von Gemmingen sowie dem Reichsstatthalter Friedrich dem Weisen von Sachsen gleich zwei Kurfürsten beteiligt. Der im Juli 1509 erfolgte gewaltsame kursächsische Übergriff auf Erfurter Gesandte und eine Rätedelegation des Erzbischofs war ein deutliches Indiz für die Radikalität, mit der der bislang als eher friedfertig geltende sächsische Kurfürst plötzlich einen Besitzanspruch auf die vollständig von kursächsischem Gebiet umgebene Kurmainzer Landstadt Erfurt erhob, die wie ein Dorn im seinem Fleisch steckte. Er machte sich dabei die instabile Lage in Erfurt zunutze, die im selben Jahr durch den Aufstand eines Teils der Bürgerschaft gegen die Mißwirtschaft der Stadtführung entstanden war. Schon bald drohte der Zwist zwischen den beiden Kurfürsten weitere Kreise zu ziehen, weil Erzbischof Uriel als Mitglied des Schwäbischen Bundes diesen schon vor Beginn des Augsburger Reichstags um vertragsgemäße militärische Unterstützung ersucht hatte (Nr. 127). Da jedoch die drohende große militärische Auseinandersetzung den oben skizzierten Interessen des Kaisers bezüglich des Venezianerkrieges vollkommen zuwiderlief, setzte er auf dem Augsburger Reichstag alles daran, eine Verständigung zwischen Kurmainz und Kursachsen zustandezubringen (Nr. 151-154, 157). Parallel dazu bemühten sich auch die von EB Uriel unter Berufung auf die Kurfürsteneinung um Hilfe gebetenen Kurfürsten von Köln, Trier und der Pfalz um eine Vermittlung (Nr. 139-147, 156). Herzog Ulrich von Württemberg bot sich ebenfalls als Moderator an (Nr. 149), doch trotz mehrmonatiger Verhandlungen blieben die Positionen letztlich derart verhärtet, daß alle Bemühungen scheiterten. Am Ende des Reichstags verkündete Kaiser Maximilian dann allerdings doch einen „Abschied“, in dem er Bischof Lorenz von Würzburg und Graf Michael von Wertheim zu kaiserlichen Kommissaren ernannte und sie mit der Weiterbehandlung des Konflikts beauftragte (Nr. 158, 164). Aber auch ihnen war letztlich kein Erfolg beschieden, ja, der Konflikt nahm bis zum Reichstag 1512 nochmals derart an Schärfe zu, daß er dort erneut zu einer der schwierigsten Verhandlungsmaterien wurde.

Mit der Landgrafschaft Hessen stand auf dem Reichstag 1510 ein weiteres wichtiges reichsfürstliches Territorium im Zentrum konträrer Interessen. Die streitbare Witwe des im Juli 1509 verstorbenen hessischen Landgrafen Wilhelm d. M. kam persönlich nach Augsburg, um vor Kaiser und Reichsständen ihren Anspruch auf die Vormundschaft über ihren minderjährigen Sohn Philipp gegen das hessische Regiment und die zu Vormündern bestellten Herzöge von Sachsen zu verfechten (Nr. 179, 181). Kaiser Maximilian unterbreitete Kompromißvorschläge (Nr. 185), die jedoch von den beiden Streitparteien nicht angenommen wurden. Erst auf einem von ihm anberaumten Schiedstag in Marburg im Juli 1510 konnten kaiserliche Räte einen vertraglichen Ausgleich herbeiführen (Nr. 189, 190).

Hervorzuheben sind auch einige weitere in Augsburg zur Sprache gekommene Streitfälle, die noch auf dem Reichstag 1512 eine Rolle spielten. Zu ihnen zählt der Konflikt zwischen dem Wormser Bischof und der Reichsstadt Worms um strittige Hoheitsrechte, der schon mehrere vorausgegangene Reichsversammlungen beschäftigt hatte und 1510 durch eine Supplikation Bischof Reinhards von Rüppurr an die Reichsstände erneut aufs Tapet gebracht wurde (Nr. 192). Diesmal kam es zwar zu keinen Verhandlungen über das Thema, doch immerhin bestätigte Kaiser Maximilian den auf der Wormser Reichsversammlung 1509 ergangenen kurfürstlichen Schiedsspruch zwischen dem Wormser Stiftsklerus und der Reichsstadt und beauftragte mehrere Schirmherren, auf seine Einhaltung zu achten (Nr. 193, 194).

Die 1510 in Augsburg thematisierten, allerdings nur durch die Speyerer Domkapitelprotokolle belegten Spannungen zwischen Bischof Philipp von Speyer und der Reichsstadt Landau waren offenkundig verursacht durch die Bestrebungen der Stadt, ihre seit der 1324 durch Kaiser Ludwig den Bayern erfolgten Verpfändung an das Hochstift Speyer sehr ausgeprägte Abhängigkeit vom dortigen Bischof zu reduzieren. Durch eine Gesandtschaft zu Kaiser Maximilian bemühte sie sich, wieder Sitz und Stimme auf dem Reichstag zu erlangen und in den dort beschlossenen Anschlag aufgenommen zu werden, also ihren Status als Reichsstadt im vollen Umfang zurückzuerlangen (Nr. 94 [8.], 191). Der Speyerer Bischof versuchte letztlich vergeblich, diese Bestrebungen zu unterlaufen, denn bereits im April 1511 löste Maximilian Landau gegen Zahlung einer Geldsumme aus der Verpfändung (Nr. 1248 Anm. 1).

Der Konflikt zwischen dem Deutschordenshochmeister Friedrich von Sachsen und dem König von Polen war ebenfalls gewissermaßen ein Erbe des Wormser Reichstags 1509. Friedrich hatte dort Kaiser und Reichsstände um Unterstützung des Ordens gegen die polnische Bedrängnis gebeten, woraufhin jene eine Gesandtschaft zu König Sigismund geschickt hatten. Da diese jedoch lange nicht zurückkehrte (Nr. 201-203, 458) und ein polnischer Angriff auf den Orden zu befürchten war (Nr. 205), schickte Hochmeister Friedrich seinen Kanzler Dr. Dietrich von Werthern auf den Augsburger Reichstag, um den Kaiser und die Reichsstände erneut um Beistand ersuchen zu lassen (Nr. 457 [2.]). Auf dem schließlich durch König Sigismund anberaumten Schiedstag in Posen am 24. Juni 1510 nahmen auf dringenden Wunsch Hochmeister Friedrichs auch Vertreter Kaiser Maximilians und der zuvor in Augsburg versammelten Reichsstände teil. Nach mehrwöchigen intensiven Verhandlungen nahmen die polnischen Gesandten zwei Schiedsvorschläge auf Hintersichbringen an (Nr. 223 [2.], 224 [10.]), doch gab König Sigismund auf beide keine Antwort (Nr. 229). Diese letztlich negative Reaktion war ein mitentscheidender Grund dafür, daß nach dem im Dezember 1510 erfolgten Tod Hochmeister Friedrichs der Zwist mit Polen auf seinen im Februar 1511 gewählten Nachfolger Albrecht von Brandenburg überging und von diesem energisch fortgeführt wurde.

Als folgenreich für die Zukunft sollte sich auch eine Deklaration Kaiser Maximilians erweisen, in der er aufgrund von Klagen etlicher Wetterauer Adeliger bekundete, der Güldenweinzoll, den er 1505 Landgraf Wilhelm d. M. von Hessen überschrieben hatte, dürfe nicht außerhalb des Fürstentums Hessen erhoben werden (Nr. 259). Das hessische Regiment mißachtete jedoch diese Verfügung, so daß es zu erneuten Protesten Betroffener kam, über die der Kaiser dann später auf dem Trierer Reichstag zu befinden hatte.

Im Gegensatz zu all diesen längerfristig wirkenden Differenzen wurde in Augsburg noch über eine ganze Anzahl weiterer Streitfälle diskutiert, von denen, soweit erkennbar, einige bis Jahresende 1510 im wesentlichen abgeschlossen werden konnten. Dies galt beispielsweise für die Debatte zwischen Pfalzgraf Friedrich und den Vormündern des minderjährigen Herzogs Wilhelm von Bayern über den korrekten Vollzug einiger Artikel des 1505 in Köln ergangenen königlichen Spruchs, der den Landshuter Erbfolgekrieg beendet hatte (Nr. 235-237). Am Ende kam es zu einem Schiedsspruch, der einige der strittigen Punkte regelte (Nr. 238). Weit mehr als lokale Bedeutung hatte auch der Konflikt zwischen Herzog Ulrich von Württemberg und Rottweil wegen eines angeblichen gewaltsamen Eingriffs der Reichsstadt in die herzogliche Gerichtshoheit. Während der Schwäbische Bund seinem Mitglied Herzog Ulrich bewaffnete Hilfe versprach (Nr. 244, 246, 247), fand Rottweil Rückhalt bei den Eidgenossen (Nr. 249). Nach dem Scheitern von Schiedsverhandlungen auf dem Augsburger Reichstag (Nr. 250, 251) einigte sich Kaiser Maximilian mit den Eidgenossen darauf, daß man sich weiter gemeinsam um einen Ausgleich in der Angelegenheit bemühen wolle (Nr. 254, 255).

Die allermeisten der zahlreichen Bitten um Belehnung oder um Übertragung bzw. Bestätigung von Rechten oder Privilegien erfüllte Kaiser Maximilian auf dem Augsburger Reichstag ohne erkennbare Schwierigkeiten. Gerade deshalb sind aber die wenigen Anträge, denen er nicht in der erhofften Weise entsprach, besonders interessant und aufschlußreich. Dies gilt insbesondere für den Wunsch der beiden Söhne des 1508 verstorbenen pfälzischen Kurfürsten Philipp II., Ludwig und Friedrich, nach Verleihung der Reichslehen. Beide wurden zwar von den Reichsständen mit großem Nachdruck unterstützt, doch Maximilian lehnte das Gesuch zunächst ab, wohl in Erinnerung an das in seinen Augen ausgesprochen inkorrekte Verhalten Kurfürst Philipps im Landshuter Erbfolgekrieg. Erst einige Zeit später einigte er sich mit den Ständen darauf, beide Pfalzgrafen mit den unstrittigen Besitzungen ihres Vaters zu belehnen, während über die umstrittenen auf dem nächsten Reichstag rechtlich befunden werden sollte (Nr. 325, 326, 526 [5.], 532 [2.]). Trotz dieses Kompromisses empfing in Augsburg nur Pfalzgraf Friedrich als Vormund seiner beiden minderjährigen Neffen Ottheinrich und Philipp die diesen im Kölner Spruch zugesprochenen Pfalz-Neuburger Besitzungen (Nr. 327), während Kurfürst Ludwig leer ausging (Nr. 278 [3.] - [5.]) und bis 1518 warten mußte, bis ihm Kaiser Maximilian endlich die Reichsbelehnung gewährte.

Im zweiten hier anzusprechenden Fall ging es um den Rechtsstatus von Hamburg. König Johann von Dänemark und sein Bruder Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein ließen die Reichsstände in Augsburg durch ihren Gesandten Matthäus Brandt darum ersuchen, Hamburg als ihr Eigentum anzuerkennen und nicht länger wie eine Reichsstadt zu den Reichsanschlägen heranzuziehen (Nr. 351, 352). Kaiser und Stände wiesen jedoch den Antrag in einer gemeinsamen Deklaration einmütig zurück, indem sie betonten, Hamburg sei immer eine Reichsstadt gewesen und werde es auch künftig bleiben. Falls König Johann und Herzog Friedrich damit nicht einverstanden seien, sollten sie Klage beim Reichskammergericht erheben (Nr. 353).

Die Kaiser Maximilian und/oder den Reichsständen auf dem Augsburger Reichstag vorgelegten Supplikationen beinhalteten eine große Bandbreite unterschiedlicher Anliegen (I.10.). Interessant erscheinen insbesondere die Bittschriften Frankfurts im Zusammenhang mit der durch Maximilian gebilligten Konfiskation jüdischer Bücher durch Johann Pfefferkorn (Nr. 371, 372). Eine Reihe von Supplikationen Regensburger Bürger beweist zudem, daß Reichstage nicht zuletzt auch Einzelpersonen die willkommene Chance boten, mit dem oftmals entrückt erscheinenden Reichsoberhaupt in näheren Kontakt zu treten und ihm ihre persönlichen Sorgen und Nöte vorzutragen (Nr. 375, 377-379, 384, 386).

Eine der individuellen Angelegenheiten einzelner Reichsstände, die auf dem Reichstag 1510 zur Sprache kamen, war die persönliche Situation der Nachkommen des im März 1508 verstorbenen Herzogs Albrecht IV. von Bayern. So erwogen deren Vormünder sowohl für den unmündigen ältesten Sohn Wilhelm IV. als auch für die gleichfalls noch minderjährige Tochter Sibylle Heiraten mit hochgestellten Partnern, während Albrechts zweiter Sohn Ludwig (X.) das Koadjutoramt in Salzburg erhalten sollte (Nr. 275). An den Augsburger Verhandlungen über eine Heirat Sibylles mit Kurfürst Ludwig von der Pfalz beteiligte sich natürlich auch Kaiser Maximilian als Schwager des verstorbenen Herzogs Albrecht bzw. Onkel von Wilhelm und Sibylle (Nr. 277 [1.], 279 [1.]), war er doch als naher Verwandter an der künftigen Entwicklung im bayerischen Herzogshaus sehr interessiert. Mit seiner Billigung kam am 6. Juni in München der Vertrag zur Verbindung zwischen Ludwig und Sibylle zustande (Nr. 276 Anm. 1).

Trotz ihres Ansehens und ihrer Führungsrolle im Kreis der Reichsstädte legten in Augsburg einige bedeutende Städte kein sonderlich großes Engagement für Belange des Reichsganzen an den Tag, sondern kümmerten sich in erster Linie um ihre eigenen Interessen. Dies zeigt sich am deutlichsten bei Köln. Der großen Rheinmetropole ging es fast ausschließlich nur um die Verteidigung angestammter Rechte, Freiheiten und Befugnisse gegen jegliche Beeinträchtigung von außen, sei es durch den Kölner Erzbischof Philipp von Daun oder, wie im Fall des Kölner Stapels, durch sämtliche rheinischen Kurfürsten (Nr. 280-286, 498, 499, 501). Kaiser Maximilian bezog in diesen Streitigkeiten, wie in etlichen ähnlich gelagerten Fällen, bewußt keine eindeutige Stellung. Zwar forderte er die vier Kurfürsten auf, das der Reichsstadt Köln durch ihn selbst bestätigte Stapelrecht nicht anzutasten, doch im gleichen Atemzug stellte er die Möglichkeit einer erneuten Aussprache über das Thema auf dem nächsten Reichstag in Aussicht (Nr. 288).

Regensburgs Interesse bestand in Augsburg vornehmlich darin, ein Ende der schon 1496 eingerichteten Reichshauptmannschaft zu erreichen. Doch trotz monatelanger, weit über das Reichstagsende hinausgehender Bemühungen der Regensburger Gesandten, die dem Kaiser die negativen Auswirkungen der Hauptmannschaft auf die Stadt in Verbindung mit ihrer schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage mehrfach eindringlich vor Augen führten (Nr. 293, 294, 296, 297, 561, 568 [1.], 574 [2.] und [7.], 582 [1.], 587, 588 [2.]), war Maximilian zu einem Entgegenkommen in dieser Frage ebenso wenig bereit wie zu einem Verzicht auf den Regensburger Anteil an der in Augsburg beschlossenen Reichshilfe. Ganz offensichtlich wollte er die Bestrafung der Regensburger für ihren 1486 erfolgten Abfall vom Reich und die Hinwendung zu Herzog Albrecht von Bayern noch länger ausdehnen und damit ein Warnsignal aussenden an andere Reichsglieder, die womöglich ähnliche Pläne hegten.

Vergleichsweise gut informiert über das allgemeine Verhandlungsgeschehen auf dem Reichstag und wohl dadurch bedingt auch mit dem größten Interesse an Vorgängen, die über den eigenen Horizont hinausgingen, waren die Reichsstädte Frankfurt und Nürnberg. Dies lassen die Berichte ihrer Gesandten, die bereits ab ca. Mitte Januar in Augsburg weilten, deutlich erkennen. Allerdings standen auch bei Frankfurt die eigenen Belange eher im Vordergrund, unter anderem das vom Kaiser längere Zeit gedeckte Vorgehen Johann Pfefferkorns gegen die jüdischen Bücher, durch das die Stadtführung ihre Obrigkeit über die örtliche Judenschaft beeinträchtigt sah (Nr. 474 [1.], 477 [1.], 489, 490, 491 [1.]). Der Vertreter Nürnbergs, Bürgermeister Kaspar Nützel, hingegen hatte nicht nur die zahlreichen Sonderinteressen seiner Heimatstadt im Auge, sondern verfolgte auch die Reichsverhandlungen sowie die parallel dazu in Augsburg stattfindenden Beratungen des Schwäbischen Bundes sehr intensiv und fachkundig. Deshalb hatte er wohl von sämtlichen anwesenden Gesandten den besten Gesamtüberblick. Außerdem wurde er wegen seiner Bekanntheit und Erfahrung von Kaiser und Fürsten mehrfach zu wichtigen Themen persönlich konsultiert (Nr. 552 [2.], [3.]).