Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth


Nach Band 4 mit den Akten zu den Reichsversammlungen 1491-1493 (erschienen 2008 in zwei Teilbänden) legt Dr. Reinhard Seyboth von der Regensburger Arbeitsstelle Deutsche Reichstagsakten Mittlere Reihe nun eine umfassende Dokumentation zu den Reichstagen in Augsburg 1510 und Köln/Trier 1512 vor – beide Versammlungen sind von der bisherigen Forschung nur relativ gering beachtet worden. Die chronologischen und thematischen Kontinuitäten der beiden Reichstage lassen eine gemeinsame Edition in einem Band als geboten erscheinen. An der Fülle der auf den beiden Reichstagen strittig erörterten Themen wird erkennbar, dass sich die Institution Reichstag zu Beginn des 16. Jahrhunderts als wichtigstes Diskussions- und Entscheidungsforum des Reiches etablierte. Sichtbar wurde 1510 und 1512 – wie auch schon zuletzt in Worms 1509 – die tiefgehende Diskrepanz zwischen den Zielvorstellungen der Reichsspitze und der Reichsglieder. Anlass für die Berufung des Reichstags von 1510 war die durch akuten Geldmangel verursachte außenpolitische Bedrängnis Kaiser Maximilians im seit 1508 andauernden Krieg mit der Republik Venedig. Den Reichsständen lag jedoch weit mehr an der Lösung reichsinterner Krisenfälle als an der Unterstützung einer sie wenig interessierenden imperialen Außenpolitik. Statt der von Maximilian verlangten großen Kriegshilfe bewilligten sie daher lediglich eine einjährige Geldbeihilfe, die sich zudem nur sehr unvollständig realisieren ließ. Zu den reichsinternen Problemen zählten insbesondere ein besserer Schutz des Landfriedens und die Beseitigung von Mängeln beim Funktionieren des Reichskammergerichts. Große Verhandlungsanstrengungen beanspruchten 1510 Versuche zur Beilegung interständischer Konflikte, vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Kurmainz und Kursachsen über Erfurt, da Friedrich der Weise offensichtlich entschlossen war, die von sächsischem Gebiet umgebene Stadt seiner Herrschaft zu unterwerfen. Auch bei anderen Konflikten waren die Wettiner 1510 und 1512 auffällig oft Streitpartei, so in der Auseinandersetzung zwischen dem Hochmeister Friedrich von Sachsen und dem polnischen König, im Streit um das territoriale Erbe des 1511 verstorbenen Herzogs von Jülich-Berg sowie in den Auseinandersetzungen über Vormundschaft und Regierung in der Landgrafschaft Hessen.

Der kaiserliche Tag in Überlingen und Konstanz (Oktober 1510), zu dem Maximilian vorwiegend südwestdeutsche Reichsstände berufen hatte, um über Maßnahmen gegen die Eidgenossen zu beraten, wird im vorliegenden Band ebenso dokumentiert wie der lange und gewundene Weg zum Reichstag 1512. Gerade in der Frage der Berufung der nächsten Versammlung verspielte die ganz vom Eigeninteresse geleitete und völlig sprunghafte Reichspolitik Maximilians viel Vertrauen bei den Ständen. So wurde die laut Beschluss des Reichstags 1510 für Februar 1511 wiederum nach Augsburg einzuberufende Zusammenkunft vom Kaiser mehrfach verschoben und begann schließlich erst im April 1512.

Dieser Reichstag war ebenfalls durch eine ungewöhnlich große Fülle innerreichischer Probleme gekennzeichnet – er wurde dadurch zu einer der bedeutendsten Versammlungen der ganzen Maximilianszeit. Priorität besaß die Vorbereitung einer neuen Reichsordnung, die in Köln abschließend beraten und verabschiedet wurde. Als weiteres dauerhaftes Ergebnis ist die Reichsnotarordnung zu nennen. Die großen territorialen Streitfragen von 1510 blieben auch 1512 ungelöst – außer einer Übereinkunft über die hessische Regentschaft. Für die Frömmigkeitsgeschichte am Vorabend der Reformation ist der Reichstag von 1512 dadurch wichtig geworden, dass auf Betreiben Kaiser Maximilians der Heilige Rock wieder aufgefunden und erstmals öffentlich zur Schau gestellt wurde. Die entsprechenden Quellentexte sind im vorliegenden Band wiedergegeben.

Die Bearbeitung der Akten zu den Reichstagen von 1510 und 1512 stellte den Editor wegen der Vielfalt der zu behandelnden Themen sowie der Fülle des Quellenmaterials vor enorme Herausforderungen: eingehende Kenntnisse der Zusammenhänge wie der Einzelheiten, Fleiß und Beharrlichkeit bei den Archivrecherchen, ferner sachgemäße Bewertung des erhobenen Materials und Entscheidung über die Form seiner Präsentation (Volltext, Regest, Verwertung in den Anmerkungen). Herr Seyboth hat diese schwierige Editionsaufgabe mit gewohnter Souveränität und Präzision mustergültig gelöst. Dafür sei ihm auch an dieser Stelle der besondere Dank und die Anerkennung des Abteilungsleiters ausgesprochen. Mit Band 11 der Mittleren Reihe der Deutschen Reichstagsakten liegt ein gewichtiger Beitrag zur geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung vor. Gedankt sei der Historischen Kommission, und hier insbesondere deren Geschäftsführer Dr. Karl-Ulrich Gelberg, die das große Unternehmen Deutsche Reichstagsakten trägt, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre finanzielle Unterstützung beim Druck des Bandes.

Zum Stand der Arbeiten an der Mittleren Reihe sei gesagt, dass Band 7 (Versammlungen 1498/99-1502), bearbeitet von Prof. Dr. Peter Schmid – Regensburg, sich dem Abschluss nähert. Band 10 (Reichstag zu Worms 1509), bearbeitet von Dr. Dietmar Heil, wird etwa zeitgleich mit dem vorliegenden Band erscheinen. Die Arbeiten an Band 12 (Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517), bearbeitet von Dr. Reinhard Seyboth, haben begonnen; für Band 13 (Reichstag zu Augsburg 1518), mit dem die Mittlere Reihe ihr Ende erreicht haben wird, hat Dr. Dietmar Heil die Materialsammlung aufgenommen.

Heidelberg, Mai 2017 Eike Wolgast