Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Gemeinsamer Entschluß von Ks. und Ständen zur Aufrichtung einer zehnjährigen Ordnung zum Schutz des Reiches; [2.] Vereinbarung eines Anschlags über 50 000 Mann; [3.] Einsetzung eines Gremiums zu dessen Verwendung; [4.] Seine Finanzierung; [5.] Befugnisse und Aufgaben des Gremiums; [6.] Umsetzung seiner Entscheidungen, Maßnahmen zur Hilfeleistung; [7.] Finanzierung der Hilfsmaßnahmen, Möglichkeiten für die Obrigkeiten zur Beteiligung ihrer Untertanen an den Kosten; [8.] Weitere Überlegungen zum Anschlag über 50 000 Mann; [9.] Ersuchen an die Stände zur Prüfung des entsprechenden Entwurfs.

[Augsburg], 29. April 1510

Kop.: A) Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei Nr. 6, fol. 238a-242a (mit Randvermerken neben den Absätzen, die deren Inhalt kennzeichnen); B) Dresden, HStA, GR, Loc. 10180/24, fol. 53b-59b; C) Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Nr. 8, fol. 41b-45a; D) Würzburg, StA, Würzburger RTA 5, fol. 230b-235b (Überschrift: Actum 2a post cantate Ao. etc. im zehenden [29.4.10]); Duisburg, LandesA, Jülich-Berg I Nr. 201, fol. 26a-29a; Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 27, fol. 77a-82a (Überschrift: Uf dornstag nach cantate [2.5.10]); Lübeck, A. der Hansestadt, ASA, RTA vol. II Fasz. 5, fol. 42a-49a (Überschrift: Actum montags nach cantate); München, HStA, KÄA 3138, fol. 73a-76a (Überschrift: Dominica cantate [28.4.10]); Ebd., Gemeiners Nachlaß 28, fol. 104a-113a (Überschrift: Erstlich an montag nach cantate); Ebd., Hst. Freising Kasten blau 221/6 Fasz. Reichstag 1510, pag. 68-74 (Überschrift: Actum 2a post cantate); Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 120a-123a (Überschrift: Montags nach cantate; von der Hand des Nürnberger Gesandten Kaspar Nützel); Wien, HHStA, RK, RTA 1, fol. 207b-213a (Überschrift wie im Lübecker Exemplar).

Druck: Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 1018.

Teildruck: Krenner, Landtagshandlungen 18, S. 289-292.

Inhaltsangabe: Wiesenberger, Kaiser Maximilian, S. 72-75.

Auf der stende des Reichs jüngst gegeben antwort und begeren [Nr. 109 [7.]], das ine ksl. Mt. der 50 000 man halb anzeigen tun, welchermassen die gebraucht, angeschlagen und gehalten werden sollen, ist der ksl. Mt. anzeigen aam montag nach cantate Ao. etc. xmo [29.4.10]–a:

[1.] Nachdem ein gute zeit here das hl. Reich in merklich abnemen ist komen aus vil vergangen kriegen und aufruren im Reich, auch zum teyl von etlichen anstossern desselben und bishere vil vom Reich entzogen ist worden, das aber in konftig zeit zu furkomen, auch frid und recht zu hanthaben und zu verhüten, das hinfur nymand vom Reich gedrungen würde, auch ob sich ymand vom Reich unterstünde zu fallen, dasselb domit zu wenden, und das nymand den andern vergwaltig wider recht, sonder sich ein yder gegen dem andern zimlichs und gebürlichs rechten las benugen, haben wir uns vereynt mit den stenden des hl. Reichs und ein ewigs wesen, ordenung und hilf furgenomen, allein uns bey dem Reich und das Reich bey uns und unsern nachkomen zu behalten und frid und recht zu hanthaben, kriegen und aufrurn im Reich zu verhüten, auch mutwilligen absagern und straßraubern zu strafen und nicht gestatten, und ob ymand im Reich oder ausserhalben des hl. Reichs dasselb wolt anfechten oder bekriegen, dem widerstand zu tun, und nit der meynung, wir oder die stende yemand mutwilliglich zu kriegen, nur, wie vor steht, ad conservandum et defendendum auf 10 jar die nechsten nach datum dits briefs, wie hernach volgt:

[2.] Nemlich also, das wir uns einer hielf miteynander vereynt haben bis in 50 000 man, dorunter 10 000 zu roß sein sollen, inhalt dits nachvolgenden anschlags [Nr. 116], einem yden stand dorinnen sein anzal zu roß und fuß gebürt zu halten, albeg in 5000 man. Die tusent zu roß sollen sein in 10 000 man, 2000 zu roß also fur und fur bis in erfüllung der 50 000 man zu roß und fuß, wie das steht etc. Und sind dareingezogen das haus Osterreich und Burgundi, was zum Reich gehort, auch Lotringen und ander, so zu dem Reich gehorig sind, mitsampt den landen, so ksl. Mt. in dem camereckischen vertrag zugesprochen sind in Italia oder welisch lande als wol vom Reich und haus Osterreich etc. Und ist das der anslag, nemlich N. N.

[3.] Und domit solcher anschlag nützlich, woe es not tun würdet, wie vor steht, gepraucht mog werden, so soll ksl. Mt. einen geben als röm. Ks. Und darnach so ist das hl. Reich austeylt in N.b virteyl, und soll ein ydes virtl geben zwen Ff., einen geystlichen und einen weltlichen, oder, wo es zuvil wolt sein, allein ein F., das ein jar einen geistlichen, das ander jar einen weltlichen, doch das mit der austeylung dermassen gestelt würde, das ein ydes jar halb geystlich und halb weltlich Ff. in abwesen unser an enden, do unser ksl. cammergericht sein würd, wonten. Und wen wir im Reich sind und sie zu uns erfordern, das sie dann zu uns an unsern hof komen sollen und bey uns wonen und alzeit dasjen, so diese ordnung und hielf ausweyst, mitsampt uns helfen handeln und volziehen, wie sie dann solichs geloben und sweren sollen. Und soll ksl. Mt. und das hl. Reich einen gemeinen hauptman furnemen. Was durch diese erkiesten aus den virtteyln samentlich oder durch das merer beschlossen und ime durch sie bevolhen würdet, execution zu tun inhalt irer erkanntnus, demselben volg zu tun.

[4.] Item ob den stenden zu swer wolt sein, nachdem den Ff. merklicher costen darüber würd geen, das dann ein ydes virtteyl sich vereynen und aus inen erkiesen zwen treffenlich man, so sie zum handl nützlich und verstendig achten, und dieselben unterhalten von irem gut, die für und für, als lang die ordnung werht, bleyben mochten, es wolt dann einer nit lenger bleyben oder das einer mit tode abging oder sonst untuchtig geacht würd, und dasjen handeln, wie die Ff. gehandelt solten haben.

[5.] Item ob inen dermassen sachen furfielen, mochten sie alzeit macht haben, vir die nechsten Ff. zu sich zu erfordern, die auch auf ir erfordern nicht auspleyben sollen, es irrt dann einen Gotts gewalt, und mitsampt denselben inhalt dieses furnemen und ordenung zu handeln und zu schlissen. Und sind das die hauptartikel, so sie zu handeln sollen haben:

Item ob ymands aus den stenden, so diese ordenung annympt, bekrigt oder vergweltigt würd, es sey von einem oder mere anstossern oder andern im Reich.

Item ob ymand entlich recht am cammergericht oder andern gerichten, die endurteyln geheyssen werden, die acht oder der pan mit brifen nicht helfen wolt, das dann mit der tat gegen denselben und derselben furschibern gehandelt werde.

Item ob ymand mutwilliglich abgesagt würd oder getroht wider recht, wie dieselben und ir helfer und helfershelfer gestraft mogen werden.

Item nachdem an vil enden im hl. Reich straßräuber sind, wie dieselben und derselben helfer oder furschieber gestraft sollen werden.

Item wie die ungehorsamen im Reich, so bishere die hilfen oder anschlege, von den stenden verwilligt, und auch der yzigen zugesagten hielf nicht gehorsam erschinen würden, wo sie sich an die mandaten nit keren wolten, mit der tat darzu zu bringen sind.

Nota ob auch andere ungehorsam auch darein gesetzt sollen werden.

[6.] Auf diese artikel, ob wir oder einer oder mere aus den stenden fur sie kemen und in den artikeln inen einen oder mere beclagten, so sollen sie bey dem eyde, den sie darumb gesworn haben, nydersitzen und erkennen, ob man einem oder mere nach seinem furbringen hilf schuldig sey oder nit, auch, wie gross die hielf sein soll, dergleichen nach notturft der sachen, wie lang sie weren soll. Und was sie samentlichen oder der merer teyl durch sie erkannt würde, dem sollen sie gestracks nachkomen, und sol auch ein yder schuldig sein, on mittl demselben zu leben. Ksl. Mt. und die stende mogen demselben namen geben nach irem gefallen.

Item es will auch not sein, das in ydem virtl uber dasselb virtl ein hauptman furgenomen werd, der nach bevelhe des comissarien und irer erkantnus aufzubieten hab. Und in welchem virtl der krieg sein würd, das dieselben Ff. und stette büchsen und was zu der artlerey gehort, darleyhen in abschlag ires anschlags nach rate des hauptmans und der Ff., prelaten, Gff., Hh. und stette, zu nemen nach gelegenheyt eins yden handels.

[7.] Item es soll auch geredt werden, wie man den obersten hauptman ksl. Mt. und des Reichs, so alzeit in der nehen umb die comissari sein, unterhalten soll, und einem yden virteyl sein anschlag aufgelegt werden, was man von barem gelt notturftig sein würdet zu unterhaltung dieser ordnung ausserhalb des anschlags des zuzugs auf das aufbot.

Item wie man den anschlag in einem yden virtl austeyl, das er einem yden stand, als Ff., Gff., prelaten und stetten, mit iren untertanen leydlich sein, würde bey ksl. Mt. belangend das haus Osterreich, Burgundi, auch ytalisch landen keinen mangl haben, was irer ksl. Mt. aufgelegt würd. So hat ksl. Mt. die ordenung ytz und mags konftiglichen machen, was einem yden land gebürt, das sie das wissen untereynander anzulegen. Aber nachdem in einem land nit geprauch ist, als in dem andern an andern enden im hl. Reich, so setzt ksl. Mt. den stenden heym, wie sie es bey ine selbst und iren untertanen mit besten fugen mogen anschleg machen, dodurch ein yder anschlag, einem yden aufgelegt, gewieß sey, domit ksl. Mt. in solchem furnemen und das Reich kein nachteyl leyde.

Aber den stenden zu unterricht zeig ksl. Mt. diese nachvolgende wege an:

Am ersten, das man in einem yden land an etlichen enden vir stende hab: prelaten, edl, dorin werden Gff. und Hh. begriffen, stette und gericht. Do wurd prelaten und adel auf ir selbes gült geschlagen, aber auf stette und gerichte wurdet nach der hertstat geschlagen.

Mer an etlichen enden sind nur dreu stend, als prelaten, adel und stette. Prelaten und adel slagen ire gült und anschlege auf ire bauern und die stette auf ir gewerb und hertstet und der F. sein anschlag auch auf sein bauern, die man urbarleut heyst.

Darnach an etlichen enden, was zu rettung eins lands ist, müssen die untertan ziehen in ir selbs sold und des F. oder H. liferung. Aus diesen und andern artikeln mog ein yder stand nemen, was ime bey den seinen am gelegesten sey oder wie ers am nechsten bey seinen untertanen weys zu finden. So mag auch maniges F. stand dermassen sein, das sein einkomen in sein cammer clein ist und sein landschaft reich ist. Darnach mag angesehen werden, das dem F. lützel aufgelegt werd und der landschaft das merer teyl.

Item entgegen mag maniche landschaft arm sein und der F. am einkomen und sonst in gutem vermogen sein, das dem F. nach gelegenheyt mere aufgelegt würd als der landschaft.

Diese artikel stelt ksl. Mt. zu den stenden, nach irem gutbedunken dorinnen zu handeln, und was ksl. Mt. dorinnen gepürt als röm. Ks., das diesem furnemen dinstlich ist, dorinnen will ksl. Mt. nach irem hochsten vermügen bevelhe, auch hanthabung dorin tun, angesehen, was guts daraus entsteen mag, am ersten und am hochsten Gott loblich und gefellig, irer ksl. Mt. erlich, dem hl. Reich teutscher nacion aufnemlich, den widerwertigen erschrokenlich, den unglaubigen nachteylig und erstorlich und anders vil guts, so daraus entstehn mag.

[8.] Dann belangende den anschlag der 50 000 man, was einem yden dorinnen gepürt, ist allein zu einem überschlag gemacht, dann es mag manchem zu vil und manchem zu lützel angeschlagen sein. Und nachdem etlich stende, als Ff. [und] Bff., prelaten, Gff. und Hh. einziehen [= deren Reichsunmittelbarkeit bestreiten], die in dem anschlag abgangen weren, ist pillich, dieselben Ff. werden dester hoher angeschlagen.

Item es ist auch zu bedenken des adels, so on mittel unter das Reich gehort, domit [mit] in auch zu handeln sey, das sie nach gelegenheyt irs vermogens auch ein zimlichen anschlag leyden, das sie auch neben andern stenden auch nicht unbillich tun.

Und vor allen dingen mit solcher ordenung ein dapferer anfang gemacht werde, ist hoffenlich, das das Reich gut frid und recht werd haben und dardurch krig und aufrurn verhüt werden und das hl. Reich dardurch widerumb in aufnemen gebracht würde und das alle andere püntnus, die diesem furnemen widerwertig mochten sein, mittler zeit in ruhe gestelt werden.

Es ist auch wol zu gedenken, das man gar selten 10 000 von dem anschlag oder mere brauchen werde, angesehen, in welichem virtl die hielf not würd sein, das derselb oder dieselben mit iren verwanten mere werden tun, als ir anschlag sein würde, angesehen, das in zu der zeit mere als den andern daran gelegen mag. Darumb geacht würd, es müst gar ein grosse macht furfallen, das man uber 2000 zu roß und 8000 zu fuß müsset bedorfen. Aber dapferer widerstand und namhaftige hielf stelt zu zeiten einen widerwertigen zu ruhe.

[9.] Die ksl. Mt. zeigt den stenden diesen furschlag an mit dem bescheid, ob die stende in diesem anschlag ichts darin zu pessern oder zu myndern westen oder einen andern und pessern anschlag westen dann wie obsteht, das ir ksl. Mt. denselben gern vernem und sich dorinnen auch nach gelegenheyt zum besten entschliessen wolle.1

Anmerkungen

a
–a B-D fehlt.
b
 B-D fehlt.
1
 Zum Inhalt und zur Bewertung dieser ksl. Vorschläge vgl. Hartung, Geschichte, S. 128-132.