Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 270r–273v (Ausf.).

Als wir gestern [1543 März 11] nach der röm. kgl. Mt. handlung, so die mit uns gepflogen [Nr. 189], in unser herberg komen, hat der Grandvell von stundt uns zu ime zu komen ervordert. Und als wir zu ime komen, hat er uns anfengclich angezeigt, das er wölle underlassen uns antzuzeigen die gnedigste zuneigung der ksl. Mt. gegen euer fstl. Gn., desgleichen wie er, der Grandvell, euer fstl. Gn. sachen iderzeit bey der ksl. Mt. nit anderst, dann als were euer fstl. Gn. sein sohne, gefurdert hett und noch zu furdern willig, wie dann euer fstl. Gn. das alles in dem werck anderst nit befinde, und das die ksl. Mt. je und allweg zu erhaltung frid und rechtens in teutscher nation zum höchsten geneigt. So befende er der kgl. Mt. gemuet gegen euer fstl. Gn. auch nit anderst gesynnet, das auch ir kgl. Mt. frid zu halten und gleichmessig recht zu furdern gantz willig were, dartzu sich dann die andern stend auch erpotten. Und derhalben verwundert inen, das wir so hart uff unserm vorhaben beharrten, da wir doch durch die kgl. Mt., die ksl. commissarien und inen, den Grandvell, der beider articul fridens und rechtens halb gnugsam und uberflussig resolution erlangt hetten, nemblich das die ksl. Mt. uff die regennspurgische declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949] uns frid geben, auch das cammergericht reformiert zu werden verschaffen wurde, unverhindert was die andern stend wider sollich declaration furwenden wurden, alles mit ferner und hochbetheurter infuhrung. Und als wir ime daruff unser beschwerung und mängel im friden und recht kurtzlich und in summa darwider repetiert, hat er gesagt, er wußte wol, waran es uns gelegen, nemblich an den processen des cammergerichts. Nun wurden die process in namen der ksl. und kgl. Mtt. in allen religion- und prophan- und sonderlich der braunschweigischen sachen bis nach ußgang der reformation wurcklich suspendiert und die reformation des cammergerichts gewislich prima Maij furgenomen werden. Und er dörft uns das wol vertrauter meynung anzeigen, das die itzigen personen des cammergerichts irs ampts verlassen wurden, dann sie hetten sich auch gegen die ksl. Mt. dermassen mit irem ungehorsam und unbillichen processen erzeigt, das ir ksl. Mt. derhalb mergclich beschwerung truege. Zudem hett ime Kgn. Maria des tags geschriben, das sie bey disen stenden wider das cammergericht von wegen irer unrechtmessiger processen1 zu stehn bedacht sey, wie sie dann auch den stenden allhier durch ire gesanten von sollicher des cammergerichts unrechtmessigen processen bericht thun lassen wurd.

Das aber ire Mt. sollt die personen des cammergerichts unverhörter sachen abschaffen, das word nit allein in teutscher, sonder auch frembden nation ein seltzam ansehen haben. Derwegen mußten auch ir Mt. ir reputation hierin bedencken und also handeln, das es irer Mt. bey menigclichem unverweislich were. Und derhalb wollt er an uns begert haben, das wir uns sollicher resolution, auch der ksl. und kgl. Mtt. gnedigsten und gutten willen gegen uns begnugen lassen, irn Mtt. in dem vertrauen und neben den andern stenden in des Reichs sachen vollnfahren wollten. Das wurde euern fstl. Gn. bey der ksl. Mt. zu allen gnaden reichen etc. Und als wir hierauf unsern bevelch, wie auch bey der kgl. Mt. im besten, das wir uß demselbigen nicht wußten zu schreitten, vorgewandt, hat er es dabey bleiben lassen.

Geplante Zusammenkunft zwischen Granvelle und Lgf. Philipp noch nicht fixiert; Granvelle wurde vor den Umtrieben Hg. Heinrichs von Braunschweig gewarnt.

Am 12. März ritten der König und Nicolas de Granvelle zu Mgf. Georg von Brandenburg-Ansbach, daher waren keine weiteren Verhandlungen mit ihnen möglich.

Reichsratssitzung 12. März 1543: Werbung (Nr. 204) und Supplikationen der jülichschen Räte (Nr. 205a–c) und des münsterischen Gesandten (Nr. 206).

Es haben auch heut die ksl. commissarien den stenden angezeigt, das sich die sachen, derhalber diser reichstag ußgeschriben, bis anher vertzogen uß diser ursach, das sich die stend getrennet wider alt herkomen. Dieweil aber in dem verzug die höchste geverd stunde, so wer der ksl. und kgl. Mtt. gnedigs begern, die stend wollten sich zusamenthun, die sachen berathschlagen und, do etlich sich des wegern wurden, das alsdann die gehorsamen vollfahren und schliessen wollten.

Daruff haben dise stend den commissarien bericht gethon, uß was ursachen wir uns vor erledigung der beider puncten in des Reichs sachen nit könnten einlassen, mit repetierung aller hievor ergangner schriften und handlung, darbey es auch beliben ist. Ob nun die andern stend uff die proposition vollfahren und schliessen werden, mussen wir erwarten und ansehen.

Ferner hat uns der Naves heut nach der commissarien handlung zu sich ervordert und uns angezeigt, das wir uff den ußschuß2 zu verordnen nit anhalten wolten, dann wir wurden dardurch die ksl. declaration in ein zweiffel und disputation ziehen, dann dieweil der könig in der letzten antwurt uns versprochen, das die visitation des cammergerichts uff die declaration und bewilligte abschid sollte furgenomen werden [Nr. 160, Art. 3] und dann solich antwurt mit der stend wissen und willen uns gegeben were worden, so könnten sie je nit hinfur die declaration, so sie einmal bewilligt hetten, anfechten.

Zudem hett er, Naves, uns angezeigt, das er bey den Kff. Mentz, Pfaltz, Cöln und Branndenburg der declaration halben zu Regennspurg [1541] gehandelt, welche sie zugelassen und bewilligt. So hetten die stend allhier sich offentlich vernemen lassen, das sie in die declaration vor sich nit willigen, wurde aber die ksl. Mt. die declaration vor sich selbst in das werk bringen, so wurden sie das geschehen lassen und nit anfechten.

Des cammergerichts personen halben were es gewiß, das dise personen abgeschafft wurden, wo dan einiche ursachen gegen sie befunden wurd. So hette auch die ksl. Mt. vor sich selbst allerley beschwerungen gegen sie und könnt sollichs desto stattlicher beschehen, dieweil sie selbst begerten, das man sie verlassen wolt, und sonderlich uß der ursachen des verdachts, darin sie ungeschmehet möchten bleiben. Und das sollichs die meynung sey, darfur wollt er wol gut sein, wie er euer fstl. Gn. gnugsam wer. Und uns gepeten, euer fstl. Gn. sein underthenigen dienst antzuzeigen, und wiewol er euer fstl. Gn. ein zeitlang nit geschriben, so sey doch sein gemuet gegen euer fstl. Gn. noch uffrichtig und unverruckt.

Nun weren die ding alle gut, wo man ein bryeflen darneben3, daruff man sich zu verlassen hett, dann man konnt sich daruff unsers erachtens, sovere es die andern unsere stend auch mit fur gut ansehen, in die handlung cum protestatione einlassen, welchs alles euer fstl. Gn. wir in underthenigkeit nit haben wöllen verhalten.

Anmerkungen

1
Prozess der Familie Vrentz gegen die Stadt Maastricht am RKG. Siehe dazu die Supplikation der burgundischen Gesandten im Namen Kgn. Marias gegen die Vrentzen: Nr. 302a.
2
Die evangelischen Stände hatten in ihrer Replik vom am 26. Febr. 1543 die Bildung eines Ausschusses zur Behandlung der offenen Fragen betr. Friede und Recht vorgeschlagen (Nr. 157). Kf. Johann Friedrich von Sachsen hatte seine Räte bereits vor Beginn des RT (Lochau, 1542 Dez. 14) angewiesen, bei Kg. Ferdinand die Bildung eines Ausschusses anzuregen, der sich zu gleichen Teilen aus Alt- und Neugläubigen zusammensetzen sollte: [...] Nachdem sich aber in den beratschlagungen des uberstymens halben hievor grosse unrichtikeiten, ungleichheiten und beschwerungen zugetragen, so stellete man zu kgl. Mt. gefallen, wolte auch darumb undterthenigist gebeten haben, ainen ausschus in gleicher antzal aus beiden teilen zu solcher, auch anderer beratschlagung zu verordenen, uff das berurte unrichtikeiten und ungleichheiten hinfurder verhutet und verkommen und also die beratschlagungen und hendele gefurdert mochten werden. Wo nun solches erlanget, so where es sehr gut, so hette man sich auch uff diesem teil derhalben keiner trennunge zu befaren. Wo aber nit, wie wir uns dan wol besorgen, nachdeme der ander hauffe grosser ist dan unser teil und sie sich zum ausschus in gleicher antzal schwerlich werden vormugen lassen, so hett man sich uff den vhal laut der instruction dieses teils zusammenzuhalten und vor einen man zu stehen etc. Und ist unser begeren, ir wollet muglichen vleis hierinnen furwenden, die stende dieses teils zu berurter wege einem auch zu vermugen, wie wir uns dan wollen vorsehen, sie werden nach aller gelegenheit dartzu nit ungeneigt sein. In: Weimar HStA, EGA, Reg. E 149, fol. 500r–504v, hier fol. 501v–502v (Ausf.).
3
Gemeint ist eine Nebenversicherung zum RAb für die evangelischen Stände in der Art der Regensburger (RTA JR Bd. XI, Nr. 949) bzw. Speyerer Deklaration (RTA JR Bd. XII, Nr. 148).