Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Dresden HStA, 10024, GA, Loc. 10184/5, fol. 5r–13r (Konz. v.d.Hd. Komerstadts); AS: Hg. Moritz zu Sachßen instruction, seinen rathen auf den reichstagk gegen Nurnbergk gegeben 1543. AV fol. 5r: Praes. Nurnbergk anno 43. ÜS fol. 5r: Instruction, wellicher gestalt von Gottes genaden wir Moritz [...] unsere rete und lieben getreuen Christoffen von Karlowitz und den hochgelerten H. Johansen Stramberger, der rechte doctorn, auf itzo vorstehenden reichstagk kegen Nurmbergk abgefertiget.

Druck: E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 418, S. 529–5331.

Anfenklich haben sie hieneben unsere volmacht [Nr. 65a]. Darauf sollen sie sich in der mentzischen cantzlei, ader wue es sunst die notdurft erfordert, angeben und sich ferner, wie nachfolget, in des Reichs rate verhalten.

Und nachdem auf nehestgehaltenem reichstage zu Nurmbergk auf den nehestverschynen 14. Novembris ein ander reichstagk dohin ernant und hernach einen monat erstreckt, wirdet in desselben reichstags abschide under andrem befunden, das sollicher itziger reichstagk von wegen der vorgenommenen expedicion gegen den Turcken, auch mehrer artikel, yn bemeltem abschid vermeldet, und ander des Hl. Reichs obligen halben angesetzt.

1. Türkenhilfe: Nun wirdet unsers versehens, weyl sich dis vergangene jar der abzugk des christlichen krigsvolks in Hungern, wie menigklich weiß, zuegetragen, vornemlich dise hulf zue widerstand dem Turken gehandelt werden, wie es dan auch an ime selbst der vornemsten artikel eyner ist, daran dem Hl. Röm. Reiche und deutscher nacion diser zeit merklich gelegen. Auf den Reichstagen zu Augsburg (1530) und zu Regensburg (1532, 1541) wurde eine Hilfe in Höhe von 20 000 Mann zu Fuß und 4000 Mann zu Pferd auf drei Jahre bewilligt. Danach wurde zu Speyer 1542 beschlossen, im ersten Jahr (d.h. 1542) die Hilfe in doppelter Höhe zu leisten und im zweiten Jahr (d.h. 1543) die einfache Hilfe zu bezahlen. Deshalben wirdet die kgl. Mt. neben den ksl. commissarien den handel ane zweifel an voriger bewilligung anfahen und die turkenhulfen derselben nach erfordern. Darumb sollen unsere geschickten gutte achtung darauf geben, wellicher gestalt dieselbe hulf gesucht, nemlich ab die gewilligete beharliche hulfe eines jares – nach der abrede zu Speyer – ader ab sie aufs neue geduppelt, wie den vergangenen summer, zu leisten gesucht werden.

Und wiewol wir leichtlich zu erachten, ye mehr die hulf wider den Turken geleistet und wenig oder nichts kegen dem feinde ausgerichtet, ye mehr deutzsche nacion erschep[f]t, unvormugens und zue dem widerstande in die harre ungeschickter wirdet. Darumb besser were, in werendem vermugen stattlich zue helfen, wider [= während hingegen]  so geteylte leichte hulfen nicht alleine ane frucht, sonder mit grosser gefar zue thuen. So wollen wir unß doch in deme mit den reichsstenden vergleichen: Wue die simpel hulf der vorigen verwilligung nach vor genuksam geachtet sey, das sie ane verminderung geschickt werde, und wir segen vor gut an, das es nachfolgender gestalt geschehe:

Wie aller widerstandt, so die kgl. Mt. bisher vor sich selbst, auch mit hulfen der reichsstende in Hungern dem Turcken gethan, yre endtschaft gehabt, auch wie sich der neheste des Reichs abzug zuegetragen [1542 Okt.], ist meniklich wislich. Weyl dan doran nicht wenig, sonder ser fyl gelegen, das die ksl. oder kgl. Mt. persondlich im felde weren, sollen unsere geschickten unseretwegen sollichs zue dem hochsten vleissigen, vornemlich wue das antragen den reichsstenden darauf geschehe, das den kunftigen sommer der Turck mit gewalt kommen wurde, wie dan schwarlich felen wirdet.

Und ab nun woll hievor von der reichsheuptmanschaft geredet oder noch geordet werden mochte, so hat es doch fyl bedencken, wue Italiener, Hungern, Deutzsche und vylleicht ander nacion mehr ins felt komen wurden, das yede nacion yren eigenen obristen haben solte. Und wolt dan keiner dem andern, wie zue geschehen phleget, gefolgig sein. Diese Beobachtung wurde bei allen christlichen Nationen im Kampf gegen die Türken in der Vergangenheit immer wieder gemacht. Da der Sultan ein mächtiger Feind sei, ist anzuraten, das in alwege die ksl. oder kgl. Mt. personlich im feld sei. Und im vhall, do yre Mt. auß ehehaft hie zue zeyten abreysen muste, szo konte sich ire Mt. mit stattlichen leutenampten vorsehen und yres abwesens bestellung thuen, dan sunst ist nicht alleine ungehorsam des krigsvolks, sondern auch der befhelichhaber zwitracht und anders zue besorgen, vornemlich weyl das krigsvolk mehr dan auß einer nacion zue hauffen kommen wurde.

Sobald man sich auf einen Obersten geeinigt habe, seien tüchtige und erfahrene Kundschafter zu bestellen, um verläßliche Nachrichten zu überbringen und Falschmeldungen vom persönlichen Erscheinen des Sultans, wie im Vorjahr, zu vermeiden. Die Kosten für gute Kundschafter seien nicht vergeblich, sondern vielmehr unerlässlich, um den Türken erfolgreich Widerstand leisten zu können. Die Höhe der Türkenhilfe hänge davon ab, ob der Sultan persönlich anrücke. Sollte dies der Fall sein, so müsse die Hilfe ebenso hoch bemessen werden wie 1542.

Und wirdet die kgl. Mt. neben den ksl. commissarien antzuezeigen wissen, waß uff die vorigen reichsabschide bei dem babst und andern potentaten erhalten, auch weß sich irer gewislich zue disem widerstand zue trosten oder nicht. Desgleichen wirdet ire Mt. wissen, wellicher gestalt die Hungern sich in irer Mt. gehorsam begeben, auch wie stark sie bey dem widerstande sein wollen und wie weit sich uff sie zu vorlassen. Item ire Mt. wirdet antzeigen, was die kron Beheim und yrer Mt. erblandt hinfurder bey sollichem widerstand thuen wollen, doruff sich entlich und gewislich zu vorlassen.

Wan nun ditz alles erwogen und befunden, das an der hievor gewilligten simpel hulfen zue dem widerstande genuk, szo mugen unsere geschickten neben anderen stenden doruff auch willigen. Solte aber die simpel hulfen zue wenig geachtet werden, szo mugen unsere geschickten die geduppelte hulfen willigen, doch sollen sie unß, szobald sie konnen, der proposicion, und ab etwas vor yrem ankommen doruff beratschlaget, schriftlich zueschicken und doruff unsers bescheidt gewarten. Wirde aber von allen stenden, ehe dan ynen unser weyter bescheidt zuekomme, gewilliget, szo mugen sie sich unserethalben wie obgemeldet vornemen lassen.

2. Friede: Sollte ein Teil der Reichsstände einen beständigen und ewigen Frieden zur Vorbedingung für Verhandlungen über die Türkenhilfe machen, so sollen sich die sächsischen Gesandten nur in Bezug auf Religionsangelegenheiten um einen solchen Frieden bemühen. Sollte es bei dem in Speyer 1542 auf fünf Jahre nach Ende des Türkenzugs zugesicherten Frieden bleiben, so sei dies von den Gesandten zu akzeptieren; einen langjähriger Frieden sollen sie nur in Religionssachen und nicht in weltlichen Belangen fordern. Von einer Verknüpfung der Türkenhilfe mit der Lösung der Konflikte um Braunschweig, Jülich und Dänemark sollen sie Abstand nehmen. Damit die Türkenhilfe nicht verhindert oder verzögert werde, sollen sie sich mit einem Religionsfrieden zufrieden geben oder, wenn dieser nicht erhalten werden könne, mit dem in Speyer 1542 gemachten Friedstand. Wenn sich die Mehrheit der Reichsstände mit dem Speyerer Friedstand oder mit einem ewigen Frieden in Religionssachen begnüge und es darauf zu einer Bewilligung der Türkenhilfe komme, so sollen die Gesandten sich der Mehrheit anschließen, selbst wenn andere Reichsstände wegen der Friedensfrage die Türkenhilfe verweigerten.

3. Kreiskästen: Obwohl die Mehrheit der Reichsstände die Ablieferung der Türkenhilfe des vergangenen Jahres in allgemeine Kreiskästen befürwortete, lehne der Herzog diese Regelung ab. Da jeder Stand sein Kriegsvolk selbst aufnehme und in den Türkenzug schicke, müsse er es auch selbst besolden. Wenn die Besoldung nicht den entsendenden Reichsständen obliege, sondern in anderen Händen sei, käme es zu Unregelmäßigkeiten, Ungerechtigkeiten und Geldmangel. Sollte sich die Mehrheit der Reichsstände dafür entscheiden, dass jeder Stand seine Soldaten selbst bezahle, so sollen die sächsischen Gesandten einwilligen. Sollte weiter auf den Kreiskästen beharrt werden, so sollen die Gesandten erreichen, dass dem Obersten auferlegt werde, das Kriegsvolk aufzunehmen und jeden Reichsstand zu verpflichten, seine Türkenhilfe in Höhe von vier Monatsbeiträgen an einem bestimmten Ort zu erlegen, gemeinsam mit einem Verzeichnis der in seinen Landen eingehobenen Steuer. Die säumigen Stände sollen hart bestraft werden oder ihre Regalien verlieren. Man könnte auch vertrauenswürdige Personen, die das Geld einnehmen und auf Befehl des Obersten monatlich dem Kriegsvolk zustellen, bestimmen. Sollte von den sächsischen Gesandten ein Rechenschaftsbericht über die in ihren Landen eingehobene Türkensteuer verlangt werden, so sollen sie betonen, dass sie vergangenes Jahr mehr Türkenhilfe einbezahlten als durch die Steuer in ihrem Territorium eingebracht wurde.

4. Kriegsvolk: Nach den Erfahrungen aus dem letzten Türkenzug sei es ratsamer, das Schwergewicht auf den Einsatz leichter Pferde anstelle von Fußknechten zu legen.

5. Reichskammergericht: Die Gesandten sollen sich gemäß den früheren Reichsabschieden und der Regensburger Deklaration von 1541 für die Reform und Visitation des Reichskammergerichts einsetzen, sich jedoch ohne Befehl des Herzogs nicht als Visitatoren betätigen. Sollte jedoch aus Gründen, die nicht die Religion betreffen, die Türkenhilfe verweigert und das Kammergericht rekusiert werden, so sollen sich die Gesandten dem nicht anschließen, sondern sich an die früheren Beschlüsse zur Visitation halten. So wichtig es auch sei, der Religion halben Versicherungen zu erhalten, wäre es angesichts der großen Türkengefahr doch notwendig, die Hilfe zu leisten und sich mit den früheren Zugeständnissen zu begnügen.

6. Religion: Was die evangelische Lehre anbelangt, so sollen sich die Gesandten mit den Religionsverwandten darum bemühen, dass das göttliche Wort nicht verhindert und die Sakramente in rechter Weise eingehalten werden. In die Beratungen des Schmalkaldischen Bundes sollen sich die sächsischen Räte ebenso wenig wie die Gesandten Mgf. Georgs von Brandenburg und anderer Stände einlassen. Sollten sie von den evangelischen Ständen zu Beratungen über Bundesangelegenheiten aufgefordert werden, sollen sie sich auf mangelnde Befehle Hg. Moritz’ berufen. In den Verhandlungen über die Religion sollen sie sich den Augsburger Konfessionsverwandten anschließen und dem Herzog darüber berichten.

7. Konzil: Sie sollen sich nur in Verhandlungen über ein freies, christliches Konzil einlassen. Sollten andere, unter Umständen verdächtige Vorschläge zum Konzil gemacht werden, ist Hg. Moritz um Bescheid zu fragen.

8. Session der Bff. von Meißen und Merseburg: Falls die Bischöfe oder deren Gesandten Session am Reichstag beanspruchen, sollen sich die Gesandten nach der Speyerer Instruktion von 1542 (RTA JR Bd. XII, Nr. 22, Punkt 7) richten2. Auf dem Nürnberger Reichstag 1542 verzichteten die Gesandten der Bischöfe trotz ihrer Anwesenheit auf die Teilnahme an den Reichsratssitzungen3. Sollte auf dem zukünftigen Reichstag bei den sächsischen Gesandten wegen der Session der Bischöfe angesucht werden, sollen sie sich auf Befehlsmangel berufen. Gegen etwaige Beschlüsse der Reichsstände zur Session der sächsischen Bischöfe sollen die Gesandten protestieren.

9. Session der Äbtissin zu Quedlinburg und der sächsischen Grafen: Hiebey haben sie eine copei einer protestation, so unsere rete auf dem reichstag zu Speyer der ebtissin zu Quedlinburgk und etlicher graffen halben eingewendet [RTA JR Bd. XII, Nr. 244a]. [...]. Wue sie nun wurden vormerken, das sich die ebtissin oder die Gff. zu Schwartzburgk, Mansfelt oder andere unsere graffen der session im reichsrate anmassen wurden, sollen sie protestiren und sich derhalben mit unsers vettern, des Kf. zu Sachsen, reten vergleichen. Aber der ebtissin halben sollen sie bitten, wie zu Speyer geschehen und in bemeldter nottel zu finden.

10. Session der sächsischen Gesandten bei den Reichsratssitzungen: Die Gesandten sollen sich in dieser Frage nach der Speyerer Instruktion von 1542 (RTA JR Bd. XII, Nr. 22, Punkt 5) richten. [...].

11. Münze: Die Gesandten sollen sich an früheren Ausführungen des Herzogs zur Münzfrage orientieren4.

12. Diverse Verhandlungsgegenstände im Reichsrat: Was sunst in des Reichs rate der pollicei und anderer vorfallenden sachen halben sich zutragen wurdet, dorin sollen sie nach irem besten vornemen raten. Weren es aber sachen, deren wir billich wissen hetten, szo sollen sie unß der forderlich berichten und unsers bescheidts darauf gewarten. [...].

Anmerkungen

1
Die bei Brandenburg regestierten Absätze werden hier zum überwiegenden Teil im Volltext abgedruckt, während die bei Brandenburg im Volltext abgedruckten Passagen regestiert werden.
2
Zur Frage der Reichsstandschaft der Bff. von Meißen und Merseburg siehe auch die sächsische Nebeninstruktion für den RT Nürnberg 1542, dat. Dresden, 1542 Juli 8, in: RTA JR Bd. XIII, Nr. 43b, S. 253–256.
3
Siehe dazu: RTA JR Bd. XIII, Nr. 183c, S. 846f.
4
Hg. Moritz an seine Gesandten in Speyer, Dresden, 1542 Jan. 25. Gedr. bei: E. Brandenburg, Politische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 279, Absatz 2, S. 319f.