Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 322r–330r (Konz. von mehreren Händen); AS fol. 322r: Antwort an di rethe zu Nurnburg.

Bestätigt Erhalt des Schreibens der Räte über ihre Unterredung mit Nicolas de Granvelle (Nr. 346). Granvelles Vorwürfe betr. den Feldzug gegen Heinrich von Braunschweig sind ungerechtfertigt angesichts der Missetaten des Herzogs. Und wann ir dises dem Granvelle saget, so thuet di meuler auf und saget im, ir hettet, was er mit euch geredt, uns eroffenet, daruff wir euch bepholen, im dise meynung hin und wider zu sagen.

Betr. das Angebot einer Geheimdeklaration für die Protestanten durch den König, die ksl. Kommissare und den Generalorator: Daruff bedencken wir, wann solchs den verstand hette oder haben möcht, das nach solher abschaffung itziger chamergerichtspersonen tzu besetzung eines neuen chamergerichts auch solten von diser religion und also an [= ohne] unterschied von beiderseits religion andere frome menner genomen werden, das es wol etzwas were. Doch liget uns alhie dises puncts halben im weg, das kaiser, konig und jene stende hernacher sagen möchten (wan die obbemelte versicherung nur in geheim und nit offentlich vom konig, ksl. commissarien und Granvelle und sonderlich des Reychs stend beschee etc.), man hette in iren noten und obligen dises von inen erzwungen und were es tzu halten nit schuldig1.

Und darumb ist unser bevelch, das ir in geheim und vertrauen mit den sechsischen churfurstischen, H. Jacob Sturm und etzlichen andern mer vertraueten personen unserer verayne von disem punct redet, doch sie zu nichts beredt, sondern nur ir bedencken horet. Und wann ir befindet, daß si ausserhalb euers beredens volgender meynung tzufriden weren, so zeiget dem Granvella hinwider an: Nemlich wir hetten verstanden, was er mit euch von einer heimlichen versicherung geredt, wilch versicherung di kgl. Mt., di ksl. commissarien und er, der Granvella, geben wolten. Nun gleubten wir, dise stende, der ksl. und kgl. Mtt. und im, dem Granvella, hirin wol, aber darneben musten wir besorgen, das uns, disen stenden, mit der bemelten heimlichen versicherung nichts oder wenig geholfen werde, dann yene stende mochten sagen, es hetten di ksl. und kgl. Mtt. und er, Granvella, solch dieng on sie und on ire bewilligung nit zu schaffen, wie dann H[g]. Heinrich in der goßlarischen sachen auch gethan.

Und darumb so deucht uns dises ein weg sein: Dweil villeicht alle fursten und stend hirtzu nit mochten zu bewegen sein, daß es dann dohin gericht wurde, das beneben der kgl. Mt., ksl. commissarien und im, dem Granvella, solche versicherung di hernach gemelten chur- und fursten mitthetten, als nemlich Coln, Pfalz und Brandenburg, alle drei Kff., wilhe es unsers erachtens werden gern thun, auch wo muglich Thrier. So mocht auch Meintz dartzu zu pringen sein, das sie bewilligten, das alle itzige chamergerichtspersonen abgesetzt wurden. Item Hg. Mauritz, Pfgf. Fridrich, Hg. Ottheinrich, Munster, wilhers unsers erachtens gern thun wurde, der Bf. von Augspurg und andere mer bischove, so villeicht hirtzu zu bewegen sein mochten oder, wo man dise nit aller dartzu gehaben konte, das es doch dann zum wenigsten di obbemelten drei Kff. Coln, Pfalz und Brandenburg, Hg. Mauritz und Pfgf. Fridrich – nit allein als ein ksl. commissarius, sondern als fur sich selbst – mitthetten, wilch es, dafur wirs halten, nit weigern werden.

Also habt ir diser versicherung halben unser bedencken. Was aber di sechsischen churfurstischen und di andern unsere stend hirin thun, deß seint wir zufriden und ir sollet sie zu nichts persuadiren2. Und muget auch wol Granvele sagen, das ir unser stende hirin nicht wisten zu persuadiren, sondern ir hettet einen hern, der hett auch einen eigenen kopf, darumb mustet ir euch also versehen, wie es hernacher geride, das man euerm hern nit di schuld gebe, als hett er seine stend tzu disem oder jenem beredt etc. Und im fall, do ir vermercket, daß unsere stende inen wolten dise versicherung gefallen lassen, so sehet mit auf, das diselbig vom konig, ksl. commissarien und im, dem Granvelle, gnugsam gegeben und wol gestelt werde.

Desgleichen wollet wol ufsehen, wan es zum abschid komen soll, daß dan derselbig des fridens und rechts und ander sachen halben mocht gestelt werden, dann man oft wol von einem ding redt, aber wan mans ufs papir pringen sol, so felets bisweilen gantz weit. Und ist hirin sonderlich wol uftzusehen, wan dem mentzischen canzler di feder zum abschid bevolhen wirdet. Und darumb so muß nit von der sach geeilet, sondern der wol abgewartet und, daß al ding recht gestelt werden, zugesehen sein, dan am scheiden liget der danck.

Sovil betrifft das heftig mit den gesanten unserer eynungsverwanten stett practicirt und inen eingepildet wirdet, als ob di fursten diser aynung wol leiden mugen, das sy in di acht erclert wurden etc. Daruff ist vonnöten, das sy getrostet und inen angezeigt werde, wir, di chur- und fursten, sehen solchs gantz und gar nit gern, wusten auch kaum was beschwerlichers, sondern gedechten vilmer uff disen fall unser leib, gut und vermugen bei inen uftzusetzen. Das sy darum nit cleinmutig seien und solchem einpilden nit glauben geben.

Gulchs halben saget dem Granvelle wider, es gevalle uns wol, das er di mittel wisse, dadurch dise sach vertragen möcht werden, und solchs werde auch ksl. und kgl. Mtt. und dem gantzen Reich zugut komen. Derwegen begerten wir, das er vleis darin thue, das es vertragen, er werde dadurch ime ein solch groß lob und ruhm bei beiden stenden diser und jener religion machen, das wir versten, das es ksl. und kgl. Mtt. und dan im und seynen nachkomen zu allem guten gereichen und gedeihen werde. Was auch wir dartzu guts solten thun, das wolten wir gern thun, und so wir auch solch mittel wissen möchten und konten was guts darin beim churfursten handlen, den wir dan dartzu gantz geneigt wösten, so solt an uns kein vleis, muhe oder arbeit gesparet werden.

Des Granvelle und unser zusamenkunft halben lassen wirs bei dem, so er mit euch geredt haben, pleiben. Mit dem Bf. von Münster wird der Landgraf in Kürze zusammentreffen. Sollte ein Friede zustandekommen, müssen die Städte Hildesheim und Mühlhausen mit einbezogen werden.

PS: Die Räte sollen Granvelle für seine guten Ratschläge zum richtigen Verhalten ihres Herrn gegenüber dem Kaiser danken, denn der Landgraf lege auf die ksl. Gnade und Freundschaft großen Wert.

Anmerkungen

1
Lgf. Philipp äußerte seine Befürchtungen, dass eine Anerkennung der ksl. Deklaration durch die Altgläubigen, insbesondere durch Dr. Eck, nicht zu erreichen sei, auch in einem späteren Schreiben an Rudolf Schenk und Dr. Fischer, gen. Walter, 1543 April 5: [...] Was aber di declaration betrifft, haben wir verstanden, was harter und beschwerlicher wort Dr. Eck sich soll haben im furstenrath vernemen lassen, was er darnach derwegen gegen dir, Rudolphen, gestanden, wie er dasselb anfechten der declaration gegen dir gedeutet und beschonet, deßgleichen was der H. von Naves unter anderm solicher declaration halben mit dir, Dr. Walthern, geredt [Nr. 349]. Nun finden wir, das Dr. Eck, deßgleichen auch der H. Granvell und Naves euch gute wort geben, aber uns dunckt, man hab noch beim Granvell mehr glaubens dann bey Ecken gefunden. [...] Itzunder fechte bevor allen andern nimands di ksl. declaration hoher ahn dann eben ehr, Eck. [...] Nun dise ding aller, di seien eines befrembtlichen ansehens und wann wir, dise stende, schon halber plindt weren, so solten wir sie dannost noch wol sehen konnen, dann er, Eck, wolt uns, disen stenden, di ksl. declaration hinwegnemen und nichts bessers dargegen widdergeben. Ob nun ein solichs des ansehens sey, das man daraus viel freuntschaft abwinnen mocht, das konnte er selbst erachten. Es were diser stende meinung wol ebensowenig, das man solt einen beschwerlichen ingang dem Reich mit declariren machen. Wann nun ehr und seine stende uns, disen stenden, wolten was gegen der ksl. declaration geben, das uns besser were dann di declaration, in namen Gots, so wurde dadurch dem Reich der ingang des declarirens verhutet. Wann aber uns solt von inen und den andern di ksl. declaration genomen und nichts bessers dogegen gegeben werden, solichs were unfreuntlich und beschwerlich. Und darumb, wo ers so gut meinte, wie ers furgibt, das er dann daran sey, das uns von jenen stenden gegen der declaration was gegeben werde, das doch in der substantz sovil vermug als dise declaration, so konnte man daraus spuren, daß ers gut und treulich meine. [...] Konte es der Granvelh dahin richten, das di kgl. Mt., ksl. commissarien und er, der Granvella, uns di vorsicherung von wegen abschaffung itziger chammergerichtspersonen beneben Pfaltz, Branndenburg, Coln, di dartzue geneigt, und Meintz, so der auch darzu zu pringen sein möcht, thetten, das were zu versuchen. Wolte es aber Meintz nicht thun, das es dann di andern drei churfursten, item H[g]. Moritz und di andern fursten, [...] ob schon Beyren es nicht wolt, mitthun. [...]. Auf einem Zettel zum Schreiben Lgf. Philipps vom 5. April findet sich folgende Anweisung an die Räte: Es deucht uns auch, daß nit schaden kont, sondern gut were, daß yr den Granvel berichtet, was Dr. Eck der declaration halben geredt, wi er gesagt, es must er [= eher] das erdrich prechen, sie wolten ehr turckisch werden, dan di declaration eingehen. [...] In: Marburg StA, PA 650, fol. 357r–364v, passim (Konz. von mehreren Händen).
2
Die Weisung Kf. Johann Friedrichs an die Räte vom 5. April 1543 (Nr. 352) lautete, auf jeden Fall strikt an den Forderungen zu Friede und Recht festzuhalten und sich nicht durch Geheimdeklarationen von habsburgischer Seite oder Sondervereinbarungen zur Türkenhilfe überreden zu lassen.