Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 300r–305v (Ausf.).

Die jülichschen Räte trugen am 18. März in der Versammlung der Schmalkaldener und der evangelischen Stände ihr Anliegen vor und baten, das sich dise stendt in sollicher ires gnedigen herrn beschwerung nicht wollten absöndern, sonder neben andern stenden des Reichs daran sein und furdern, das des Reichs libertet und freyheit nicht undergee, das der hertzog bey des Reichs rechten verthädingt, vor gewalt beschutzt, das ir fstl. Gn. mit erstattung costens und schadens restituirt, das die mercatur und kaufmanschaft fur sich gee, das auch fridt und recht gepflantzt werden mög, verners inhalts sollichen irer bitt, davon wir euern fstl. Gn. hiemit verzeichnis zusenden1.

Und dieweil daruff die umbfrag in unserm rath beschehen, haben die protestierenden und aynungsverwanten dohin geschlossen, bey voriger supplication [Nr. 152], replicen [Nr. 157] und ubergeben schriften zu bleiben. Dieweil aber in unser petition begriffen, das man zu keiner turckenhulf unerledigt fridens und rechtens komen könndt und dann derselb begert friden, do er schon mit allen furgeschlagnen conditionen erlangt, nit bestendig sein möcht, es were dann, das die gulchische sach auch hingelegt, zu vortrag oder anstandt gepracht wurde, so möchte man sich wol one verletzung unser voriger supplication, replic und ubergeben schriften in dieselb suchung, die sich in den hauptpuncten des fridens ziehen thett, einlassen.

Und nachdem wir dinstags morgen [1543 März 20] in den rath zu berathschlagung des königs proposition gevordert wern, so sollt ein ider in sein rath geen und an seiner session anzeigen, das sein gnediger herr zu der hulf auch nit ungeneigt, es konnt aber dieselb nicht berathschlagt oder furgenomen, es weren dann die puncten fridens und rechtens also erledigt, das nicht allein dise, sonder auch andere stendt des Reichs zugleich sich eines bestendigen fridens zu vertrösten und also kein standt ursach haben möcht, sich unfridens halber us der turckenhulf zu ziehen.

Neben dem so sein auch unsere stend in gewisse erfahrung komen, das vil guthertziger personen in dem furstenrath wern, die leiden möchten, das auch vor allen dingen und ehe man uff des königs proposition handelt, frid und recht bestendigclich gemacht und uffgericht wurd, dero etzlich daruff geschlossen, bey dem könig dohin antzuhalten, das sein Mt. dartzu verhelfen wollt, die sich vor den andern so tröstlich nicht vernemen lassen dörften. Do sie nun unsern rathschlag und bedencken einmuetig vernomen, so möchten uns dieselben guthertzigen beyfalh thun und wir dadurch sovil dester mehr zu dem mehrer theil der stymmen komen.

Aber der könig hat sich dartzu nicht bewegen lassen, sonder befunden, do dise stend sich zu den andern in rath begeben und sich des fridens halber bereden sollten, dass villeicht das mehrer theil der stymmen furdringen, das friden und recht vor allen dingen beratschlagt werden sollt, wie wir dann vormaln bey dem könig und commissarien sollichs clerlich befunden, das sie nicht haben wöllen zugeben, das die stend alle des fridens, der declaration und des gleichmessigen rechtens halb zusamenkomen und sich underreden sollen.

Do nun unser religion- und aynungsverwanten stende sollich guthertzigkeit bey etzlichen den andern stenden vermerckt, haben sie in, den könig, gedrungen, das er einen ußschuß, wölcher sich von den mängeln des fridens bereden möcht, verordnen wöllt, dieweil auch ungezweiffelt von den andern stenden etzliche dartzu geneigt wern. Daruff hat sich nun der könig, wie uns anlangt, vernemen lassen, er hette die andern stend alle beschickt und fende nicht einen, der zu dem ußschuß und der underred geneigt.

Damit man nun zu erfahrung der praticen und anschleg sovil dester mehr komen und man also in gemeinem rath vernemen mög, ob auch etzliche under inen wern, die guthertzig und zu unserer meynung auch geneigt sein wollten, so ist auch uß diser ursach fur gut angesehen, das ein ider in sein rath geen und nach obgemeltem bedencken votiern sollt.

Nun haben wir uns unsers bevelchs auch erinnert und wol erachten konnden, das uns uber so oft entpfangen warnung nicht gepurn wöllen, uns in einich handlung zu begeben, wir hetten dann den bestendigen friden und das gleichmessig recht erlangt. Derhalben wir dann auch mit den andern unsern stenden nicht consentiert oder bewilligt, sonder uff unserm bevelch bestanden und denselben allein den sächssischen kfl. räthen angezeigt. Dann hetten wir denselben unsern entpfangnen bevelch, namblich das wir uns auch in diser gulchischen sach nit einlassen könnten one erledigte puncten unser supplication, so hetten wir in dem gantzen ratht das mehrer umbgestossen, dann uff angezeigten unsern bevelch wurd sich ider stand auch bevelchs erholt haben. Darunder were vertzug der sachen uffgangen und möcht euer fstl. Gn. und uns von den andern stenden diser verweyl daruff gestanden sein, das wir einig die wern, welche die gulchisch sachen, das die nicht zu gutten mitteln und vergleichung gepracht wern, verhindert, wie dann Eck one das mir, Rudolf Schenncken, gesagt, das die sächssischen und ich den hertzogen umb das land prechten. Und sein derhalben von den sächssischen kfl. räthen gepetten, unser votum zu verhalten und das der iren nicht umbtzustossen.

Damit aber die sachen dohin gericht wurden, das wir von wegen euer fstl. Gn. bey unserm bevelch beliben und dem von Gulch dannocht geholfen wurde, so wollten sie die berathschlagung, welchermassen dieselb, das sie vorigen supplicationen, replica, übergeben antwurten und unserm bevelch nicht entgegen, furgenomen werden sollt, uff den ußschus richten. Daruff so ist dem ußschus unsers raths, der sachen verner nachtzugedencken, bevelch beschehen2.

Die hessischen Räte wurden von Kg. Ferdinand schon mehrmals, auch in Einzelgesprächen, ersucht, sich in Verhandlungen mit den anderen Reichsständen einzulassen, unbeschadet ihrer in der Supplikation formulierten Anliegen. Bisher weigerten sie sich, auf dieses Ansinnen einzugehen und beharrten auf den Befehlen des Landgrafen. Sollten sie sich nun auf die Beratungen betr. Jülich einlassen, würden sie sich dem Vorwurf aussetzen, gegen habsburgische Interessen zu agieren.

In summa, nach lang gefurther disputation und damit dannocht die andern disen stenden nit zulegen könnten, als ob sie Gulch an berathschlagung seiner sachen wolfarth und gutter handlung verhindert, hinwiderumb der könig, commissarien oder nyemandt sagen möcht, das wir uns zu denen sachen, die dem keiser zugegen wern, begeben könnten und also nichtzitdesterweniger uff unserm bevelch voriger suplication, replicen und schriften beliben wurde, so hat der usschus uff dis mittel bedacht, davon wir euern fstl. Gn. hiemit copi zuschicken [Nr. 209]. So nun unsere stendt alle uff sollich bedencken geschlossen und wir zu demselben befunden, das damit us voriger supplication, replicen, ubergeben schriften und bevelch nit geschritten, sonder vilmehr der frid gefurdert worden, haben wir uns in betracht desselben und dann auch, das unser bevelch dohin gehalten, allen fleiß mit flehen und bitten (wie dann der andern stend meynung auch geweßt, sich keiner andern gestalt dann mit flehen und bitten eintzulassen) furtzuwenden, dardurch die gulchisch sach zu anstandt oder vertrag gepracht werden möchte, zudem, dieweil unser stendt all geschlossen, damit uns von den andern nicht uffgelegt, als ob wir einig [= einzig] dis sachen verhindern wollten, sollich bedencken auch gefallen lassen. Und daruff, namblich zu berathschlagung der mittel zu erlangung bestendigs fridens und gleichmessigs rechtens, hat sich ein ider standt in den rath gethon. Und ist die umbfrag auch in dem furstenrath beschehen, in wölchem der mehrer theil der stymmen dohin geschlossen, das man zu keiner hulf gegen dem Turcken komen könde, man hab dann zuvor bestendigen friden und recht.

Als man nun morgen mittwochs [1543 März 21] widerumb in den furstenrath angesagt und darinnen die gulchisch sach zu berathschlagen proponiert worden, haben der fursten gesanten unsers raths all einmuetig dohin geschlossen: Es sey dinstags davor gehort, das sie sich in kein handlung der turckenhulf halb noch sonst einlassen könnten one frid und recht. Dieweil nun dis die gulchisch sach in dem hauptpuncten des fridens lauffen wöllt us den ursachen, do schon die andern conditionen fridens und rechtens erledigt und diser punct sollt verpleiben, das bestendiger friden nicht sein könnte, wie des allerley ursachen furgewent sein, so wollten sie zu berathschlagung desselben puncten verhelfen, doch unbegeben irer voriger supplication, replicen und schriften, auch nit anderst, dann so further in den uberigen puncten fridens und rechtens halb furtgeschritten wurde. Und ist also mit dem mererm im kfl. und furstenrath geschlossen, nachdem diser punct in den friden gehöret und not were, das derselb zu anstandt oder vergleichung gepracht wurd, das man dann bey dem könig, ksl. oratorn und commissarien bitten sollt, das ir Mt. und sie uff die weg gedencken wollten, dadurch die sachen zu anstandt, frid und vergleichung gepracht werden möchten.

Zuvor und ehe aber sollich bitt in die vollntziehung komen, hat man widerumb allen stenden, namblich idem in sein rath, angesagt, mit diser ußtruckenlicher anzeig, das man die berathschlagung der turckenhulf furnemen wöll. Daruff und namblich uff das davor erhalten mehrer, damit auch Egk und sein hauff die andern gutherzigen dester weniger uberstymmen möcht, sein wir widerumb in furstenrath komen und wie darvor angezeigt, das kein stand gern us seinem brinnenden hauß wasser zu beschirmung seiner nachpern hauß tragen wurd. Darumb so konnt kein fruchtbarliche hulf nicht beschehen, es wurd dann zuvor ein bestendiger friden und gleichmessig recht erlangt. Und haben abermaln mit dem merer theil der stymmen fortgedruckt und das mehrer im furstenrath erhalten.

Dergleichen hat der kfl. rath dohin geschlossen, das die gulchisch sach vor allen dingen an die hand genomen und zu dem könig furbitt zu thun geordent werden sollt. Volgends so sol man auch uff die mittel und weg gedencken, damit die kfl. sächssischen und wir, die andern protestierenden auch, zur berathschlagung der hulf komen möchten. Daruff sein von dem kfl. und fstl. rath, dergleichen etzlich von stetten zu dem könig verordent, fur Gulch furbitt zu thun. Und wann wir mehr zu rath gevordert, werden wir uff unserm erlangten mehrer (welchs wir zum andern malh erhalten) verharren und uns gantz in kein hulf oder ander handlung one erlangt fridens und rechtens einlassen.

Daneben sein wir glaublich bericht, das sich der könig vil erpietten werde, die sachen bey dem keyser zu solicitiern, damit die gülchisch handlung zu vertrag oder friden gepracht, und werd darneben begern, in der nötigern handlung, als in der turckenhulf, furtzugeen. Aber der keyser hab in rath funden und ime darneben furgesatzt, gegen Gulch furtzutrucken, und werd sich daran nicht hindern lassen, also das des königs erpietten allein ein höfliche uffhaltung sein werde, darunder die stend sovil dester mehr zur berathschlagung der hulf zu bewegen.

Wiewol in unserm rath das mehrer theil der stymmen uff die berathschlagung fridens und rechtens geschlossen, so langt uns doch daneben an, das der von Madrutz im kfl. rath das widerspil referiert, namblich der furstenrath hab geschlossen, in der turckenhulf furtzugeen, wir werden uns aber von dem mehrern nit tringen lassen3.

In der braunschweigischen Angelegenheit setzte der König einen Versammlungstag zu Quasimodogeniti (1543 April 1) an, da ihn die hessischen Räte mangels Instruktion an die Fürsten verwiesen.

Dieweil auch euer fstl. Gn. davon bericht begert, ob Wurtemperg und Pommern mitgeschlossen hab, sich in kein gemein oder particular hulf one erledigung der puncten fridens und rechtens zu begeben, daruff sollen euer fstl. Gn. vornemen, das sie gleichsfals mit und neben den andern zugleich einig sein und dohin geschlossen haben.

Anmerkungen

1
Die jülichsche Werbung vor den protestantischen Ständen entsprach im wesentlichen jener vor den Reichsständen am 17. März 1543: Nr. 208.
2
Siehe Nr. 209, Anm. 2.
3
Auf diesen Bericht der Räte antwortete Lgf. Philipp von Hessen am 29. März 1543 aus Kassel mit einer Warnung: [...] Und besorgen warlich, das Eck dem churfursten und uns das maul schmire und pring uns, diese stende, also in gemeinen reichsrath. Wan solchs gescheen, darnach werden diese unsere stend durch jene ubermerert und diese handlung doch Gulch nit zugut komen. Dartzu so wirdet auch in sorg gestelt, das der Kf. zu Sachssen mocht Gulch so gneigt sein, wan er des sach konte beforderen, das er derwegen wol ein groses in der braunschwigischen sach mocht nachlassen, darauf dannost achtung zu geben sein wolt. Geritte aber die sach also, das unsere stend und der chur- und furstliche rath diese dinge fridens und rechtens halben, auch Gulch zugut beharreten, so ists sovil dester besser. Uns ist aber hirtzu wie dem esel, der einmalh zu Speyr [1542] an diesem puncten wie obbemelt gefallen hat, dan da gab man euch auch gute wort, bis man euch in reichsrath pracht und ubermerte euch darnach. Wyr mogen aber leiden, das gulchisch sach darin mog zu vertrag oder andern leidlichen wegen pracht werden. Eine Lösung des Geldernproblems würde Kaiser und König zugute kommen, da dann umso mehr Kräfte zur Verteidigung gegen die Türken zur Verfügung stünden, außerdem wäre es für den Krieg des Kaisers gegen Frankreich von Vorteil. Das auch euer vorsatz und meynung ist, wan ir mehr zu rath gefordert werdet, alsdan auf dem erlangten merer (wilchs ir zum andern malh erhalten) zu verharren und euch on erlangt fridens und rechtens in kein hilf oder ander handlung eintzulassen, dasselbig gefellet uns also wol. Und obschone jene stende (da meineten wir di papisten), so hirin zu erhaltung dieses merern ire vota und stymen gegeben, wolten dieselbig ire vota wider zuruckziehen und das gemacht merer umbstossen, so wollet doch ir beneben den andern unsern stenden daruff bestehen und euch zu keiner hilf ader andern handlung an erlangt gemeines fridens und gleichmessigen rechtens begeben. [...]. In: Marburg, StA, PA 350, fol. 310r–313v, hier fol. 310r–311v (Konz.).