Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Weimar HStA, EGA, Reg. E 149, fol. 171r–177r (Kop.); AS fol. 171r: Copei Mag. Frantz Burkharten schreiben an Dr. Brucken, was er mit dem Granvelh geredt. Und bedenckt, wie mein gnedigster her mit ksl. und kgl. Mtt. mocht itzo zu vergleichung und ainem verstandt komen.

Wegen seines Augenleidens berichtet er nur kurz über die Unterredung mit Granvelle, der das Wohlwollen des Kaisers gegenüber dem Kurfürsten betonte. Aber in der gulichschen sachen ist er gantz heftigk gewesen und diese wort zu etzlichen malen wiederholet: Ire Mt. wolten diese des hertzogen zugefugten hohn und schmach ungestraft nicht hingehen lassen, und wan sie alle ire reich, auch iren selbst leib daran setzen sollte. Und wo der hertzogk davon nicht abstehen wurde, solt er in kurtz inne und gelernet werden, wie er sich an irer Mt. und derselben landen dergestalt solt vergreiffen. Hat auch erinnert, mein gnedigster her wolte sich wieder die ksl. Mt. hierin nicht bewegen lassen, dann ire Mt. sein kfl. Gn. altzeit mit allen gnaden geneigt gewesen und wolte mit keinem fursten im Reich dan mit seiner kfl. Gn. lieber friede und einikeit haben, auch sein kfl. Gn. anstadt eins brudern halten. Dartzue habe man itzo gelegene zeit, sei auch die kgl. Mt. darzue hochlich geneigt, und do sein kfl.[Gn.] dieser sachen halben bevehl anher geben, kundte man mit gar einem geringen und kurtzlich darzue kohmen. So wolt er es an seinem vleiß kegen meinem gnedigsten hern nicht weniger dan kegen dem konige erwinden lassen.

Wir haben auch des veriagten von Braunschweigk gedacht. In welcher sachen zeigte er an, man kondte auch leichtlich zu friedlicher handlung kohmen, und ich kondte auß etzlichen andern seinen worten wol vermercken, das er nicht wol an dem von Braunschweigk ist. Solchs seins erpietens hab ich ime von wegen meins gnedigsten herrn gedanckt und ime ertzelt, was ir mir von der gulichschen sach geschrieben. Und in solcher ertzelung zum oftermal wiederholet, es sei zum hochsten vonnothen, das dieser krieg gestillet und endlich beigelegt werde, dartzue dan mein gnedigster herr aufs hochst geneigt und willig, wie auß seiner kfl. Gn. schriften an die Kgn. Maria wol zu verstehen. Ich hab auch des Turcken halben erinnerung gethan, darin hat er fast die vorige meinung angetzeigt und uberauß hoch angetzogen, wie gantz zornig und bewegt die ksl. Mt. uber den von Gulich were, also auch das sie all ire andere kriege und wichtige gescheft wieder den Turcken und den Kg. von Franckreich so hoch nicht achteten und sich diesen am meisten kosten lassen wollten. Und jhe bißweilen wiederholet, mein gnedigster herr solt die ksl Mt. nicht zu zorn und unwillen bewegen, dann sein kfl. Gn. ire Mt. sonst zum freundt haben kondt. Diß ist fast die summa unser gehapten rede gewesen, darauß ir die furnembsten stuck des gantzen handels leichtlich zu ermessen.

Das hauptstuck ist umbs landt zu Gellern, welchs ire Mt. nicht gedencken zu entrathen. Und so man leidliche mittel dem Hg. von Gulich finden mochte, zweivelte ich nicht, diesem krieg solt zu ende geholfen werden. Dann also wurden ire Mt. den gefasten zorn liederlich fallen lassen, sonderlich weil ire Mt. an mehr orten werden angegriffen. Zum andern, das unser gnedigster herr dem von Gulich in diesem vhall nicht lenger hulf leiste, sondern mit der ksl. und kgl. Mtt. sich in vorain und verwanthnis einlasse, dartzue sich der Granvell mit allem vleiß erpotten. Was nuhn hierin thuelich oder nicht, werden euer Acht[barkeit] ferner wol bedencken und unserm gnedigsten hern davon antzeige ze thuen wissen. Ich wolt hertzlich gerne nach meinem einfeltigen verstandt das best furdern und rathen helfen, wenn ich nuhr schliessen, was den gantzen sachen zu wolfart und meinem gnedigsten hern zum allem gueten erspriessen mochte. Es seindt aber die zeit und leuft zu geschwind und will die sach allein bei dem almechtigen Gott und in der christen gepet stehen, dann wes sich die Burgunder understehen und wie heftigk sie sich die oberhandt zu behalten bemuhen, ist offentlich am tage, zudeme das sie kleinen glauben halten und, so sie ir gelegenheit ersehen, wiederumb ausfallen. Und ist sich nicht wenig zu befahren, das sie sich des gantzen Reichs freiheit an sich bringen understehen durfen. Dann wie es mit Franckreich und iren grossen privilegien und freiheiten, derer sie sich gar hoch getrosten, nachdem inen die konige zu mechtigk worden, gangen ist, des weiß man sich nach wol zu entsinnen. Und es hat bei mir das ansehen, das diejehnigen, so in ksl. und kgl. Mtt. rethen seindt, diese exempel fur sich haben und ire hern, denselbigen nachtzuvolgen, vermanen werden. Derhalb sie auch durch allerlei practicken, finanzen, list und gewalth an sich ziehen, wen sie nur konnen, auf das sie allein mochten herren sein.

Und bewegt mich nicht wenigk, wen ich an die grossen zwispalt und uneinikeit under den stenden des Reichs, sonderlich der bischove, so fur die nachkohmen wenig sorg tragen, gedencke, und wie gar wenig zu befinden (außgenohmen die religionsach, welche dannoch auch ein wenig wancket), auf welche treu und glaube zu setzen. Solche bequemikeit wirdet der Turck nicht verachten, und wen wir uns selbst miteinander schlahen und wurgen, zu massen khomen wie der geier dem frosch und der mauß2. Dann wie es gehen werde, wan der gulichisch krieg nicht gestillet wirdt, ist leichtlich abtzunehmen. So ist auch under den stenden der vorain niemals so viel mangels und hinderung an der defension furgefallen als eben itzo alhie. Hg. Moritz ist in denen sachen wieder kald noch warm und hat albereit dem konige one alle condition hulf und beistandt zugesagt. Der von Wirttenbergk bleibt auf voriger meinung, mit furwendung, die braunschweigische sache gehe inen gar nichts an. Die Pomern lassen sich offendlich hören, sie wollen in der ainung nicht pleiben, man thue dann die declaration in der riegischen [= rügischen] sachen. Weil dan die stedt sehen der fursten unbestande, zauttern sie auch und wirdet inen von dem Granvell der gulichsch krieg stets fur die oren geplauet, welchs sie auch treffen wurde, so unser gnedigster herr sich des teilhaftigk machete. Derhalben alle handlungen der einung langsamer und schlefferiger vonstadten gehen, dann ich zuvor niemals gedencke oder erfahren. Und wirdet doch nichsdestweniger vom cammergericht teglich wieder uns procedirt und weiß niemand, wie denselbigen sachen zu helfen. Dann der konig und die andern stende haben auf unser antragen [Nr. 157] nach kein antwort geben, derwegen die sachen gantz sorglich und beschwerlich stehen, darauß uns allein der almechtige Gott erretten und helfen kan. So ist auch andern fursten und potentaten gar wenig zu vertrauen, dann sie nicht der gemeinen christenheit, sondern iren selbst nutz und bestes bedencken.

So wirdet auch itzo vom Kg. von Dennemargk, welchen ich fur den frombsten und rechtschaffen in der religionsach halte, alles dasjenige, so von seiner kgl. Wd. rethen in der pomerischen sache angenohmen, bewilligt und fur genehm gehalten, in vergeß gestellt, dadurch den widerwertigen grosse bequemikeit gegeben. Uber diß alles hat mein gnedigster herr andere viel mehr sachen und gescheft obliegen, welche, do Gott fur sei, in vorstehender nach ander sachen nicht wenigk verpittern und hessigk machen wurden. So ist euch auch nicht unverborgen, was sein kfl. Gn. zum theil vor nachparn haben. Derhalb ich gern und von hertzen wolt, das den sachen beide, meinem gnedigsten herr und gemeinem vaterland, zu wolfart gerathen were. Und ich hielt in meiner einfald dieß fur einen weg, gemeinen frieden zu erhalten, so sich die furnembsten fursten deutscher nation in ein verpundtnis zusamen vereinigten. Aber wenn ichs hin und wieder bedenck, finde ich gar wenig oder schier keinen, welchem gentzlich zu vertrauen, dann die Baiern seindt der waren christlichen religion gantz zuwieder und achten vor eigener ehrgeitzikeit glaubens und bundtnis wenigk. Der landgraf hat sich auch mit gueten worten bereden lassen und ist gewiß, das sie sich understehen werden, inen ires theils zu behalten. Wie es umb die andern alle, denen man vertrauen mocht, ein gelegenheit hat, kondt ir leichtlich bedencken, sonderlich denen von Gulich, so nuhn mit gar einem schweren krieg beladen. Derhalb were diß mein underthenigs bedencken und achte es den sachen sehr dienstlich, das mein gnedigster herr, wo anderst die sachen der religion in guetem stande pleyben (welchs dann allein zum hochsten vonnothen), mit ksl. und kgl. Mtt. ein bestendigk aufrichtigk verbundtnis auf erbare, gleichmessige condition und mittel beschlossen hette, darin man alles das, so zu erhaltung des Reichs ruhe, freiheit und ainikeit, auch sein kfl. Gn. und derselben erben, landen und leuthen zu wolfardt und gedeien gereichen mochte, cavirn [= sicherstellen], schliessen und aufrichten kondte. Und darzu were gleich itzo die gelegenste zeit, so man allein mit der geldrischen sach leidliche wege finden mochte. Dann wie ich vermercke, so ist diß der hochst und furnembste artickel auf diesem reichstage, soviel die ksl. Mt. anlangt, daran es alles stehen will. Von diesen dingen allen werdet ir meinem gnedigsten herrn wol bericht ze thuen und seiner kfl. Gn. gemuet daruf zu vernehmen wissen.

Datum fehlt, US Burkhards.

Anmerkungen

1
Kf. Johann Friedrich nahm am 6. März 1543 gegenüber Mag. Franz Burkhard zu obigem Bericht Stellung, was das Berichtsdatum Ende Febr./Anfang März nahelegt. Der Kurfürst beauftragte Burkhard, nochmals bei Granvelle vorzusprechen und den Minister von der Lauterkeit der Absichten Johann Friedrichs gegenüber dem Kaiser zu überzeugen. Die militärische Hilfe, die der Kurfürst dem Hg. von Jülich gegen den rechtswidrigen Überfall der Burgunder auf sein Land aus verwandtschaftlicher Verbundenheit als Schwager geleistet habe, sei längst beendet. Anders lautende Behauptungen stammten von den Feinden des Kurfürsten und entsprächen nicht der Wahrheit. In: Weimar HStA, EGA, Reg. E 149, fol. 129r–135v (Ausf.).
2
Im Sinne von: Wenn wir untereinander streiten, werden die Türken auf ihre Rechnung kommen, wie der Geier bei den Fröschen und Mäusen.