Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Magdeburg LASA, A 1, Nr. 311, fol. 4r–8v (Ausf. v.d.Hd. Jonas’).

An heut dato früe hat Navis aber nach mir geschickt und mir angezaigt, wie Granvell allerlay bevelche mit den churfursten in sonderhait ze reden hab, und wölle sich mit dem nit verrichten lassen, das er von ainem zue dem andern zieche, er muesse sy bey ain haben. Und sein Magnificentz seche gern, das ich zue yr käme und doch ain wordt oder trey mit yre redt von euer kfl. Gn. außbleiben und schwachait, damit sy desto besser ursach hetten, mit kgl. Mt. ze reden. Es seche sy an, man werde hie nicht[s] außrichten könden. Die kfl. sächsischen und hessischen rhät haben der kgl. Mt. und ksl. commissarien anbracht, es neme der Landenberger knecht an, ain tail sagen, er say kaißerisch, die andern, er sey payerisch, mit pitte, sy söllichs ze verstendigen, ob er des kayßers diener sey oder nit etc. Nun werde man es ynen nit sagen, sy haben in irn handlungen auch das yr in gehaim gehalten.

Zum andern seyen ermelte rhät sampt andern schmalkaldischen erschinen und anbracht, das unreformiert chammergericht procediere gegen ynen uff Hg. Hainrich von Braunschweigs anhalten [Nr. 151]. Dieselben process söllen yr Mt. abschaffen oder die sachsischen kfl. und hessischen rhät haben bevelche, wider anhaim ze ziechen. So seye zue bedencken, ob die von stedten bleiben könden, und wölten danoch das chamergericht reformiert haben, welches nun für sich selbs wär. Und es wären des willens auch catholici; so begerten es die beisitzer selbs. Aber der vorigen puncten halb seche es gleich, als ob nicht[s] sölle hie außgericht werden, dann man werde ynen nit sagen, was ksl. Mt. im sinn hab. So könde man Hg. Hainrichen das recht nit stopfen, welches allermeniklich söll frei sein und gedeihen.

Ich hab ime [= Naves] wider angezaigt, ich warte uff euer kfl. Gn. bevelche, ob und was ich mit Granvell söll handlen. Ich verseche mich, euer kfl. Gn. werden sein Gn. durch mich oder andere ansprechen lassen, wann sy etwas bey yre ze thuen haben, aber mir wölle nit gepürn, mich zuevor inzelassen und ich wurde des auch verwiss [= Tadel] und neid bey meinen mitgesandten erlangen. Die sechen mitsampt mir für besser an, euer kfl. Gn. bevelche unß in dem ze erwarten und gmäss ze halten. Und ist war, es hat den andern auch hievor also gefallen.

Fur mein person hab ich gern mit leuten ze schaffen, denen die heutigen handlungen und reden den gesterigen wol verglichen mogen werden und die anschleg [= Absichten, Pläne] zue erhaltung Gottes eer und befürderung des gemainen nutz dienen, und man nit mir um zechen hore ainen beschaid gibt, darüber mein gegentail um zwo stund davor ain declaration empfangen, wann die seinem verstand nach außgelegt wurdt, das mich mein beschaid nit um ain papelen hilft [= nichts wert ist]. Das ist bey mir nit modus zue regieren. Und da sich ainer gern in haimliche gesprech inlassen söll, haben aber euer kfl. Gn. und andere chur- und fürsten mit denen leuten lust, vil mundtlich ze handlen, ynen yr gemuet ze vertrauen und yrn worten ze glauben? Das stelle ich zue yrm gnädigisten bedencken. One euer kfl. Gn. bevelche will ich mit ime [= Granvelle] nichts handlen, und was ich handlen solt, thädt ichs alweg lieber schriftlich dann mundtlich, und warlich, mit meinem rhat soll dißer mann euer kfl. Gn. cantzlei nimmermeer versechen1. Gott erbarme es, das er sy gehapt und in seinem seckel, aber mit außgebung viler ungereimpten ding, übel dem gmainen nutz gehaußet. Ich hab hie allererst erfaren, das er denen von Regenspurg auch ain söllich privilegium2 gegeben oder geben lassen wie denen von Franckfurt. Gott sey es geklagt, der entledige die seinen und sonderlich die öbersten heupter von unerbaren und ungetreuen rhäten.

Nachdem ich vom Navis abgeschiden, hat Dr. Egk, der jurist, nach mir geschickt und mir angezaigt, ynne bedunck, der Granvell bring des königs fürnemen gantz widerwärtige bevelche, und darumb hab er dem könig geradten, er söll die proposition noch nit thuen lassen. Zum andern hat er mir angezaigt, ich söll bedacht sein, die niderlendischen rhät wöllen understeen, den burgundischen kraiß gar vom Reich auszeziechen und, wo das Reich dawider wär, sölle es beweißen und anzaigen, was zue dem Reich gehörig. Fur das tridt sagt er, man mueßte ainen andern weg dann den gmainen pfennig zue widerstand des Turcken brauchen, der wurd nit meer gehen. Man sölle die anschleg ringeren und ainem jeden mit seinen undertonen sein anzal underhalten lassen nach beschechner ringerung. Und zueletst fragt er, ob ich euern kfl. Gn. geschriben Braunschweigs halb und ob es war were, Hg. Hainrich hette sich gegen seinen gnädigen herren [= Hgg. von Bayern] beriembt, euer kfl. Gn. hetten ime zuegesagt, mit yerem leib und guet ze helfen. Also wäre er von Hg. Ludwigen bericht worden.

Ich hab[ge]antwurt, das ich euern kfl. Gn. zuegeschriben, das die protestantes guetlich handlung pflegen wöllen, uff das ander achtet ich nit. Das euer kfl. Gn. also schnell mit irm verhaißen geweßen, ich wißte nichts, möchte auch sein oder nit sein. Er bestädtigt es wider und sagt, wie er geredt, Meintz wurdt sich ainig [= allein] damit inlassen, und ob sein kfl. Gn. es schon gern thädten, wurden sy es doch allain nit vermögen, dann der ertzgstift Meintz lege zuevor an Hessen und die andern baide gstifte legen under ynen. So were es auch in deren von Payrn vermögen nit, wann kaißer und könig nichts darzue thuen wolten. Wann aber die hülfen, wolten yr fstl. Gnn. gern das yr thuen, wie sy alwegen gesagt hetten.

Über das alles kompt ietzo gleich zue essenszeit des Reichs erbmarschalck3 und zaigt an, die kgl. Mt. und ksl. commissarii haben ime durch den kgl. hoffmaister4 sagen lassen, er sölle den stenden ansagen, namlich unß mentzischen und etlichen, biß Mitwochen [1543 Jan. 31] vor siben horen uff die veste und darnach mit kgl. Mt. uff das rhathauß, etlich andern allain uffs hauß5. Und diewil er wiss, das sollicher bevelche zuevor mir und darnach von mir anstadt euer kfl. Gn. ime beschechen sölle, so hab er gesagt, er neme den bevelche an, als hette den die kgl. Mt. mit aignem mund gegeben, wiewol er inne anzenemen nit schuldig wär. Da hette hoffmaister gesagt: „Nun, lieber marschalck, so thu ers“. Daruff wär ich bedacht, bey dem vicecantzler6 und vilicht kgl. Mt. selbs von euer kfl. Gn. wegen mich söllicher neuerung ze beschwären und dafür ze pitten, doch will ich euer kfl. Gn. gnädigisten beschaid erwarten, eemaln ich mit kgl. Mt. derhalb rede. Gegen dem vicecantzler wurd ich mich verdierben7 könden.

Und diewil dann nun die proposition geschechen soll und aber niemand von churfursten hie weder [= als] allain sächsisch und brandenburgische rhät, so ist mir zum höchsten beschwärlich, von den sachen ze handlen. Ob sy baide schon schliessen wurden, das man fürfaren solt, es wolte sich dann der trierisch secretari von seins herren wegen inlassen und unß mentzischen also übermeeren [= überstimmen]. Ich will aber understeen die sachen wol so lang fueglich uffzehalten, biß mir von euer kfl. Gn. wider beschaid kompt. Dann wiewol ich vermög der instruction [fehlt] entschuldiget wär, wann die meerern stimmen schliessen, fürzefaren sein, noch dannoch ist sich in der andern rheinischen churfursten abweßen inzelassen mir one euer kfl. Gn. sondern bevelche beschwärlich. Das möcht euern kfl. Gn. (die unßer lieber Herrgott in glücklicher gesundhait erhalte) ich undertönigister, getreuer mainung nit bergen. Euer kfl. Gn. werden mein schreiben wol gnädigist ze verordnen wissen, das es in gehaim bleib. Ich schreib auß hochem, guetem, undertönigisten vertrauen die ungefarbte warhait und wie ich es erfare und fur mich selbs waiß und verstehe.

[Zettel:] Vom vicecantzler vernim ich, das schier die kaiserischen und königischen ab bapstlicher Hlt. ain mißfallen tragen. Er sagt, yerer Hlt. sey nit ernst, das concilium ze halten. Der könig hab yr zechen darzue verordnet von fursten, graven etc. und sy wöllen mit 300 pferden inreidten lassen, aber diewil sein Mt. seche, das es allain schimpf sey und die trey legaten zue Triendt weder mit theologen noch sunst zur sach gerust, so hab er abgeprochen und schick allain trey, doch mit dem erpieten, wann es angehe, söllen die andern und womöglich ir Mt. selbs erscheinen.

Post scripta: Bin ich bey des königs vicecantzlern geweßen und mich obangeregter neuerung beschwärdt. Der sagt, es söll nit meer beschechen; es sey error facti, welle es abstellen. Und als ich mich beclagt, das der rheinischen churfursten rhät nit vorhanden8 und besser wär, das der tag am Rhein wär, sagt er, es hat nit nodt. Wann man gwiß wär, das yr kfl. Gnn. persönlich komen wolten, so wurde der könig an den Rhein ze ziechen nit waigeren. Man wurdet aber vor sagen: „Cantzler, wiltu guet dafur sein, das dein herr alsdann persönlich komen werde?“ etc. Ob sich nun söllichs zuetragen wölt, pitt ich undertönigist, wes ich mich daruff vernemen söll lassen.

Der vicecantzler ist ängstig und betredten; besorgt, es werde übel zuegehen. In der religionsache sey concordia nit wol ze finden. Dem Frantzoßen und Türcken könde man nit frid pietten. Zue der gegenweer und defension fallen vil praeiudicialia für: ainer werd die raidtung der kraißinnemer vorhaben wöllen, der ander werd ringerung der anschleg begeren. So werden sich die protestantes in nicht begeben wöllen, sy haben dann frid und recht. Daneben seyen treffenliche parteyensachen, als Braunschwig, Gulch, Hildeshaim und Neunburg [= Naumburg] etc. Und ist war, es solt noch ainer anhaim lieber am fieber ligen dann in dißen fortunen und ungestümikaiten der schalckhaftigen welt schwimmen. Der almechtig, barmhertzig Gott gebe gnad. Meins erachtens stehet des vicecantzlers mainung ietz dahin, man sölle helfen und rhaten, das man sich der protestierenden uffhalte und über die vorigen feind nit mit ynen auch ze schaffen gewinne, dann gegen ynen, auch Turcken und Frantzosen zueglich [= zugleich, gleichzeitig] ze handlen sey unmöglich. Daruß inferier ich euer kfl. Gn. conclusion, da sy von den nachpurn nähermals geschriben. Es will auch hie desto leinser [= sachter, langsamer] gegangen sein. Datum ut supra.

Anmerkungen

1
Die Klagen über den für das Reich und die Reichsstände nachteiligen Einfluss des ksl. Generalorators Nicolas de Granvelle wurden 1543 nicht zum ersten Mal erhoben. Bereits auf dem Regensburger RT 1532 beschwerten sich die Reichsstände über den Machtverlust des Mainzer Erzkanzlers zu Gunsten eines „frembden, außlendischen “, der die deutsche Reichskanzlei verwalte und der deutschen Sprache und der Gepflogenheiten des Landes „unerfaren und unwissen “ sei. Siehe die Beschwerden der Reichsstände gegen die Regierungsweise Karls V. im Reich, Regensburg, 1532 Juni 14, in: RTA JR Bd. X, Nr. 122, hier S. 667. Mit dem „Fremden “ war offensichtlich Nicolas de Granvelle gemeint, der von 1530 bis zu seinem Tod 1550 als führender Minister beträchtlichen Einfluss auf die politischen Entscheidungen des Kaiserhofes ausübte. Zur dominierenden Rolle Granvelles während des Nürnberger RT 1543 siehe Einleitung S. .
2
Der Sachverhalt ist unbekannt, wird aber von Jonas zur Konkretisierung der „ungereimten Dinge“, mit denen Granvelle dem „gemeinen Nutzen“ geschadet habe, genutzt.
3
Wolfgang von Pappenheim.
4
Obersthofmeister Kg. Ferdinands war von 1539 bis 1544 Leonhard von Fels. Siehe A. Kohler, Ferdinand I., S. 144f. und T. Fellner/H. Kretschmayr, Die österreichische Zentralverwaltung, I. Abt., 1. Bd., hier S. 275 und S. 278; siehe auch I. Abt., 2. Bd., hier S. 156 und S. 161 (Hofstaatsverzeichnisse 1539/1541 und 1544/1545).
5
Vermutlich ist das gegenüber dem Rathaus gelegene Fünferhaus gemeint, das als Sitz des Fünfergerichts diente.
6
Dr. Georg Gienger.
7
Gemeint ist: es sich mit dem Vizekanzler verscherzen.
8
Gesandte der vier rheinischen Kff. und des Lgf. von Hessen waren während des Nürnberger RT in Aachen als Vermittler bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Burgund und Jülich tätig.