Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Stettin AP, AKS I/113, S. 59–66 (Kop.); ÜS S. 59: Beschwerungen der Hgg. zu Pomern contra die kgl. Wd. zu Denmarcken.

B Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/3, fol. 87r–90v (Kop.); DV fol. 90v: Copei der Hgg. von Pommern rethe werbung an die stende cristlicher verain zu Nurmberg, den 29. Januarij 1543.

Trotz der Vermittlung Kursachsens und Hessens und der Bemühungen der Hgg. von Pommern konnte zwischen dem Kg. von Dänemark und den Hgg. von Pommern im Konflikt um Rügen2bisher keine Einigung erzielt werden. Auf dem letzten Versammlungstag in Hamburg (1542 Aug. 27) einigten sich die pommerschen und dänischen Räte mit Ausnahme eines Artikels auf einen Vertrag3, der vom Kg. von Dänemark bisher nicht ratifiziert wurde, weshalb die gütliche Einigung fehlschlug.

Dieweil nun unsere gnedigen herrn zu Stettin-Pomern ihrer beschwerungen durch die guthliche handlung nicht abgeholfen und entledigt werden mugen und ihr fstl. Gnn. sich zu besorgen haben, das ihrer fstl. Gnn. undersassen von der kgl. Wd. durch hemmung und versperung der handtierung mochten beschweret, bemuhet und beleidigt werden, als den auch vorhin dieselben in viel tausent fl. beleidigt und beschedigt worden seint4, suchen und bitten wir auß habendem bevehlich gantz fleissiglich, die oberheuptleute und stende der einigung wollen numehr, als zu Regenspurg5 vorabscheidet, zu Speir6 vertrostet, zu Braunschweig [1542 Sept. 12] auch uf diesen fal der nichtbeliebung der handlung durch gemeinen der einigung rath zur negstvolgenden zusamenkunft die erklerung ergehen zu lassen beschlossen und vorabschiedet worden, ohne lengern vertzug und aufhalten endtlich erkleren, ob diese sache des schutzes der einigung geniessen solle und darein zu ziehen sey oder nicht. Und im fal, wo erklert wurde, das die vorangeregte sache des schutzes der eynigung, wie unsere gnedige hern zu Stettin und Pomern gar nichts zweifeln, geniessen solte, das alsdan die stende ferner solchs der kgl. Wd. wollten verkundigen und antzeigen, das unsere gnedigen herrn zu Pomern diese sache mit allem ihrem umbstande und anhange, auch daraus hergeflossen irrungen zu endtlichen und volnkomner erkantnus und orterung der oberheuptleute und stende der einigung gestellet, mit erpietung, waß ihren fstl. Gnn. derhalben auferlegt wirt, auszufuhren und demselben nachtzusetzen und darauf die kgl. Wd. verwarnen, das sie unsere gnedigen herrn zu Pomern und ihrer fstl. Gnn. undersassen mit feiden, kriegen, hemmungen oder versperrungen der handtirung oder dergleichen unruhe nicht beschweren, sondern ihr fug und recht dieser sachen auch zu erkentnus und spruch der einigungsverwandten stellen wolt. Wo nicht, und von kgl. Wd. unsere gnedigen herrn zu Stettin-Pomern etc. oder derselben undersassen beschweret wurden, das sie, die oberheuptleute und stende, ihrer eynungsverwandtnus nach ihren fstl. Gnn. mit hulf und rath zu entschutzen, auch die zugefugte beleidigung zu widerbringen nicht unterlassen konten. Und so uber solche verwarnung die kgl. Wd. unsere gnedigen herrn zu Stettin-Pomern oder derselben undersassen und verwandten beleidigen wurde, das alsdan die oberheuptleute und stende der einigung mit wirglicher entsetzung, rettung und defension vermuge der einigung zu ihren fstl. Gnn. setzen wolten.

Wir zweiffeln nicht, es werden sich unsere gnedigsten und gnedigen herrn, die oberheuptleuthe, und andere stende der einigung hirin kegen unsere gnedigen herrn zu Stettin-Pomern vermuge der einigungsverfassung dermassen ertzeigen, wie dieselben wollen, das sich ihre fstl. Gnn. hinwiderumb in sachen der einigung halten und ertzeigen sollen, damit ihre fstl. Gnn. nicht getrungen, genottigt und verursacht werden, sich der beschwerungen und neuen infuhrungen, so ihren fstl. Gnn. an den furstentumben Stettin und Rugen durch die kgl. Wd. zu Denmarcken beschicht, an geburlichen orthern zu beclagen. Solchs werden ihr fstl. Gnn. gegen die einigungsvorwandten ihrer verwandtnus nach treulich zu vordienen geflissen sein.

Und wiewol wir zweivelsanich sein, es werden die stende der einigung des schriftlichen underrichts dieser gantzen sache7, so zuvor durch unserer gnedigen herrn gesandten uberreicht ist worden, sich wissen zu erinnern, den auch bey handen haben, so sein wir dennoch in mangel desselben zu furderung der sachen erpottig, ufs furderligste eine abschrift desselben den stenden der eynung, so es vor notwendig geacht wirt, zuzustellen.

Anmerkungen

1
Zur Datierung siehe das CA-Protokoll Lambs zum 29. Jan. 1543 (Nr. 86c fol. 215r).
2
Die Beurteilung des Konflikts aus Sicht der Hgg. von Pommern erhellt aus einem Entwurf für die Instruktion Hg. Barnims IX. von Pommern für den RT Regensburg (1541 Febr. ca. 13), in: RTA JR Bd. XI, Nr. 44a, hier S. 398f.: [...] Ferrer sollen die gesanten auch berichten, das in dem konigreich Dennemarcken ein bischoflich stift und kirch ist, Roschildt genant. Diß bischofliche stift aber oder kirch hat aus altem gebrauch die geistliche jurisdition oder den sprengel uber das furstenthumb Rugen, so wir ane alle mittel von dem Hl. Röm. Reich zu lehen tragen, gehabt, auch etliche dorfer und guter solcher geistlicher jurisdition halben uf dem furstenthumb Rugen besessen. Es haben aber alle und jede bischoffe zu jeder zeit irer aufnemung in das bischofthumb alwege der geistlichen jurisdition, auch guter halben, so inen in dem furstenthumb Rugen zugestanden, unsere herrn fureltern und uns als patronen bekannt, vorehret und sich mit undertheniger erpietung gegen unsere furfaren und uns vorwandt gemacht. So seint auch von den gutern, so die bischoffe in dem furstenthumb Rugen besessen, unsern fureltern, furfaren und uns allwege die landtschoße, hilfe, dienst, auch ablager und andere bekentnußen der underthenikeit gereicht worden. Unser landtvogt uf Rugen hat auch in unserm namen uber diejenigen, so unter dem Bf. zu Roschildt gesessen gewesen, die jurisdition, appelation und andere furstliche gepott bis dohere gehabt. Nachdem aber jetzige kgl. Wd. zu Denmarcken das bischofliche stift und kirchen Roschildt in weltlichen brauch genomen, understehet dieselbe kgl. Wd. auch die guter, in unserem furstenthumb Rugen gelegen, daran wir die furstliche hoheit und die kirche Roschildt die proprietet gehabt, ane mittel an sich zu ziehen, und, nochdem nicht alleine uns, sondern auch der ksl. Mt. und dem Hl. Röm. Reich furfenglich und sorglich zu gestaten, das solch ein gewaltig konig uber mehr sein fuß in das Hl. Reich und unser furstenthumb setzet [...], haben wir solchem einbrechen geweret, dasselbe nicht gestaten wollen, dawider die kgl. Wd. die unsern mit iren schiffen und gutern in der[sic!] konigreich Denmarcken arrestiren und behemmen lassen. Und ob die sache bis anhere zu einem anstandt gebracht, befaren wir uns gleichwol, wo wir in der kgl. Wd. handt die vorigen guter, so dem Hl. Reich und uns [...] tzustendig und daran die prophanerede kirche Rotschilt die propriet[sic!] gehabt, nicht zustellen wurden, das daraus kunftiglich weiterung und unrath erfolgen mocht [...].
3
Zum Hamburger Verhandlungstag von 1542 Aug. 27 siehe Nr. 63d, Anm. 3.
4
Kg. Christian III. ließ im Konflikt mit den Hgg. von Pommern im Mai 1538 pommersche Schiffe, die mit Getreide an Bord auf der Fahrt nach Holland unterwegs waren, beschlagnahmen. Diese für Pommern bedrohliche Maßnahme entwickelte sich zu einem Handelskrieg mit Dänemark, der mehrere Jahre andauerte und erst mit der Lösung des Konflikts um Rügen im Kieler Vertrag von 1543 Sept. 4 (siehe Nr. 293, Anm. 4) sein Ende fand. Siehe dazu: H. Heyden, Untersuchungen und Anmerkungen zur Kirchengeschichte der Insel Rügen, S. 212f.
5
Abschied der Schmalkaldischen Verbündeten, Regensburg, 1541 Aug. 1, in: RTA JR Bd. XI, Nr. 961, hier S. 3733f.
6
Abschied des Schmalkaldischen Bundestages, Speyer, 1542 April 14, in: RTA JR Bd. XII, Nr. 298, Art. 2, S. 1239f.
7
Ein ausführlicher schriftlicher Bericht mit historischer und juristischer Argumentation zu den Ursachen und zum Verlauf des Konflikts mit Dänemark wurde von den pommerschen Gesandten bald nach ihrer Ankunft in Nürnberg am 13. Jan. 1543 übergeben. Zu Anfang des Berichts wird der Kern der Auseinandersetzung umrissen: Die summa dieser sache stehet darauf, das kgl. Dt. zu Denmarcken unter dem nahmen der dhenischen kirchen Roschildt die guter, so in der pomrischen insel Rhugen zu underhaltung der pomrischen kirchendiener verordenet, an das konigreich und kgl. camer Denmarcken durch hemmung, arrest und anderen drangsal und verwaltigern zu bringen willens. Zu diesem ersten Hauptartikel lautet die Argumentation Pommerns: Das die insula Rhugen an dem pomrischen strande und in den pomrischen strömen gelegen und zum theil von denselben strömen umbringet wirt und das dieselbe insel deutscher art, sitte und sprache ist. [...]. In: Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/4, fol. 259r–330r (Kop.); AS fol. 259r: Bericht der sachen zwuschen meinen gnedigen herrn zu Pomeren contra kgl. Dt. zu Denmarck. Ebenso in: Straßburg AM, AA 504, fol. 97r–153r (Kop.).