Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Straßburg AM, AA 511, fol. 43r–44r (Reinschr. v.d.Hd. Sturms); ÜS fol. 43r: Unser, der straspurgischen gesanten, bedencken uff disen reichstag.

Druck: O. Winckelmann, Politische Correspondenz, Bd. 3, Nr. 330, S. 346f.

Es ist woll war, wan es zu erheben, das es vill besser und disen stenden rumlicher were, das man mit Hg. Heinrichs kindern ein vertrag ingieng, denselben das land wider zustelte und nit ime, Hg. Heinrichen. Derhalben wir auch raten, das man erstlich darob halte.

Wir bedencken aber daneben, das nit woll die sach mit den kindern khan versichert werden, als das man des alten sicher sey. Soll man dan mit dem alten furt und furt in uneinigkeyt und sorgen steen, will den stetten und iren wandernden und werbenden leuten beschwerlich und zum hochsten gefherlich und schedlich sein der plackereyen halb, die nit allein er, sonder auch ander leut uff und in seinem namen thun mögen; zudem, das er mit dem rechten uff der acht volfaren mog etc.

Derhalben gedencken wir, wo die weg mit den kindern nicht mochten gefunden werden, das die handlung des alten halb nit abzuschlagen wer, domit man der sach einmall zu rug und fridden khäme. Des churfursten und landtgraven hievor ingefhurte argument [Nr. 245] stend vest daruff: Erstlich, ime sey nit zu vertrauen, er werd khein glauben halten. Nun ist es war, wen man im das land uff sein glauben und trauen ingeben solt, das es mißlich und torlich [= töricht] were. Man khunt aber im die negel also beschneyden, das, wan er schon nit glauben halten wolt, das er nit möcht [= mächtig sei].

Man khunt im die vestungen im land abthun und inbinden, das er sy sin leben lang nit bauen solt. Die landtschaft must nit allein ime, sonder disen stenden oder yemants, dem man vertraut, mit ime geschworen sein. Sine besten freundt und daruff er sich verlassen möcht, musten mit ime verschriben sein, im fall, so er die conditiones nit hielt, das sy im nit allein nit beholfen, sonder auch disen stenden beholfen sein solten. Item, das ksl. und kgl. Mtt. die rechtung [= rechtliche Schlichtung] confirmierten, also wo er nit hielt, das dise stend sich selbs schirmen und bey dem vertrag hanthaben mochten und domit nit wider ir Mtt. oder den landtfridden handleten etc. Mit diser oder derglichen conditionen, so in diser eyl nit angezeygt, sonder mit gutem, zeytigem rhat bedacht möchten werden, khonte man ime die klowen also beschniden, das er nichts anfahen mochte oder, so er es anfieng, daruber erligen müst. Wolt er dan solche conditiones nit ingeen, hett man mher füge die restitution abzuschlagen, dan man hett, die handlung mit ime zu waygern.

Das dan angezogen wurt, so man im das land wider gebe, wurd er die bebstisch religion wider uffrichten2, das ist unsers achtens khein genugsam ursach, im das land vorzuhalten, dan es ist auch nit die ursach, darumb man es ingenommen, sonder, wan den beyden stetten Goslar und Braunschweyg ein billicher vertrag begegnet und disen stenden ir kosten erstattet und furkhomen, das man khunftiglich nit gleiche gewaltsame von im leyden muste, so hetten wir khein anspruch an das lande oder die underthanen, die sein stamlehen und ksl. Mt. und des Hl. Reichs eygenthumb. Gieng uns nichts ane, wie die religion in solch land uffgericht, dan allein sovill wir mit fugen und gutem willen wenden oder verhuten möchten. Dan sonst möchten wir auch einem andern papistischen fursten das land nämen und das volck zu unser christlichen religion bringen und dem, so es ingehebt, verhalten. Gleicher gestalt ist es mit dem last, den er sein armen leuten ufflegen wider wurde; des mag man, sovill moglich, in der rechtung furkhomen, halt er es nicht, stett uns nit zu verantworten.

So sind auch ander sine böse thaten nicht genugsam ursach, im das land vorzuenthalten, dweyl wir nit sein oberkheyt oder richter, sonder die ksl. Mt. ist[es], der man es anzeigen mog. Will die in nit straffen, gebirt uns dorumb nit die straff etc.

Anmerkungen

1
Die Straßburger Gesandten kamen zu einer vom Ausschuss der Schmalkaldener abweichenden Meinung, wie den bayerischen Vermittlern in Bezug auf die Restitution Hg. Heinrichs zu antworten sei. Zur Datierung des Gutachtens siehe Nr. 245, Anm. 1. Ähnlich wie die Straßburger Räte argumentierte der Frankfurter Stadtadvokat Dr. Johann Fichard in seinem Gutachten (Nr. 256). Die RT-Gesandten Frankfurts wiesen in ihrem Schreiben an Bgm. und Rat vom 18. März 1543 (in: Frankfurt ISG, Reichssachen II 962, unfol., Ausf.) deutlich auf die Unterschiede zwischen der kursächsisch-hessischen Argumentation (Nr. 245) und jener der oberländischen Städte (z.B. Straßburgs: Nr. 246) hin.
2
Dieses Argument findet sich im Gutachten der Schmalkaldener (Nr. 244). Nach der Eroberung von Braunschweig-Wolfenbüttel hatten Kursachsen und Hessen sofort mit der Einführung der Reformation im Herzogtum begonnen. Siehe dazu: E. Wolgast, Die Einführung der Reformation, S. 163–171.