Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 379r–384v (Kop.); DV fol. 395v: Clagt meins gnedigen herrn Hg. zu Guylich. Lectum in consilio statuum 12. Marcij anno etc. 43.

B Duisburg LAV NRW R, Jülich-Berg II 2276, fol. 484r–491v (Kop.)1; ÜS fol. 484r: Meiner gnedigen frauen clagtea.

Regest: G. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, Nr. 120, S. 451f., Anm. 2.

Entgegen dem Reichsrecht sowie dem in Regensburg 1541 vereinbarten Friedstand und der 1542 in Speyer erfolgten Friedenszusicherung der Reichsstände an Hg. Wilhelm (Nr. 204, Beilage 2 bzw. RTA JR Bd. XII, Nr. 274c), um deren Verlesung die jülichschen Gesandten bitten, griffen burgundische Truppen widerrechtlich jülichsches Gebiet an2, slöß, stette, flecken, dörfer und heuser ingenomen, beraubt, ußgebrant und umbgeworfen, die arme leuthe mit thöten, schlagen, schmehen und andrem fridbruchigem, beschwerlichen mutwillen in das ellend verjagt, also das irer viel hüngers und kelt alßbald sterben mussen, frauwen und jungfrauwen geweltiglich und schentlich mißhandelt, der widtwen, weisen, schwanger frauwen, kynder und kindelbetterynnen nit verschont, die kirchen beraubt und verbrant, die sacramenten prophanirt und ußgeschut, unzellige fruchten, proviand und beesten [= Vieh] verdorben und sunst sich der und ander uneherbarigkeit so gar offentlich und ungestrafft beflissen, das dergleichen grausamer wuterey und unzucht in der christenheit, in sonderheit wider den Teutschen, nit mehr gesehen noch gehört. Trotz eines ksl. Kammergerichtsmandats an die burgundischen Befehlshaber mit Androhung der Reichsacht setzten sie ihre Angriffe fort.

Hg. Wilhelm stellte im Vertrauen auf die Speyerer Friedenszusicherung Geld und Kriegsleute für den Türkenzug bereit, weshalb ihm die Ressourcen für die ausreichende Verteidigung seines eigenen Landes fehlten. Auf Grund der entstandenen Schäden und der fortgesetzten Angriffe gelangt an euwere chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. seiner fstl. Gn. freundtliche, gunstige und gnedige bitt und ersuchen, die wöllen zu handthabung irer selbst reputation und ksl. Mt. obligation, auch des Hl. Reichs landtfridden, freiheit und gerechtigkeit, solich einsehens haben, das sein fstl. Gn. als eyn junger frid- und eherliebender furst, der sich nyhe anders dan als ein gehorsamer des Hl. Reichs gehalten, auch demselben noch vil nutzer dienst ertzeigen mag und zu verantwortung, recht und aller billigkeit zu aller zeit erbotten, wie euwr chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. (die auch solich erbieten fur hochbillich selbst eracht) wol bewust, und noch thuet erbieten, so ellendig, unerhörter und unerkanter sachen nit uberfallen, von landen und leuthen oder von dem Hl. Reich (wie etlichen andern beschehen) nit abgedrungen, sonder fur gewalt vertedingt und mit erstattung kosten und schaden widerumb zu dem seinen restituirt werde.

Falls Hg. Wilhelm in dieser Notsituation keine Hilfe vom Reich erhalte, müsse er sich anderswo um Hilfe umsehen. bZu was beschwerlichem ingang und nachtheil aber solichs dem Hl. Reich reichen wurde, haben euer chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. zu ermessen–b. Bitte um eine positive Antwort.

Hg. Wilhelm und seine Untertanen beklagen Plünderungen und Brandschatzung vieler Dörfer, wobei auch jene Personen nicht verschont wurden, welche dem Kaiser und dem Haus Burgund in früheren Kriegen stets treu gedient hatten. Die von den Burgundern angerichteten Zerstörungen und Enteignungen betrafen nicht nur die Güter der herzoglichen Untertanen in Jülich, sondern auch ihre burgundischen Lehen, deren sie beraubt wurden und die ihnen noch immer vorenthalten werden. Jülichsche Untertanen wurden als Reiter und Fußknechte in burgundische Dienste verpflichtet und, als ir vatterlandt uberfallen, nit zugelassen abzuziehen, sonder haben ire eygne freunde, verwanten, auch eltere, weib und kyndt mussen helfen verderben.

Die Frauen und Kinder der im Türkenzug abwesenden Soldaten, wurden von den burgundischen Truppen ausgeraubt und vergewaltigt, ihre Besitztümer zerstört und geplündert, gar nicht zu reden von anderen Untaten. Außerdem ordneten die burgundischen Befehlshaber entgegen ihren Versprechungen an, die Stadt Jülich niederzubrennen.

Das die burgundisschen seiner fstl. Gn. verhinderung gethan, die steuer von iren underthanen widder den Turcken inzufordern, also das sein fstl. Gn. die reuther und knecht, so widder den Turcken geschickt, von dem seinem underhalten und bezalen mussen. Zu was grossem nachtheill und beschwernuß solichs seiner fstl. Gn. und den iren zu dieser zeit raicht, kunnen euer chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. woll ermessen.

Wilhelm hofft, dass die Reichsstände die Missetaten der Burgunder verurteilen und sich für deren Bestrafung einsetzen werden.

Anmerkungen

1
In Duisburg LAV NRW R, Jülich-Berg II 2748, fol. 18r–21r (Konz.) finden sich nähere Ausführungen und 33 Beweise zu den von Hg. Wilhelm vorgebrachten Anschuldigungen gegen die Burgunder, ÜS fol. 18r: Kortzer bericht, wamit die klagten zu beweisen. Diese Beweise dienten offensichtlich nur der Information der jülichschen Räte und wurden den Reichsständen nicht übergeben. Siehe dazu G. Below, Landtagsakten von Jülich-Berg, Bd. 1, Nr. 120, Anm. 2, S. 452.
a
Falsche ÜS in B; Richtigstellung: Meines gnedigen herrn clagte.
2
Am 4. Okt. 1542 drang das burgundische Heer in einer Stärke von 14 000 Knechten und 2000 Reitern in Jülich ein. Innerhalb von drei Wochen waren die Burgunder im Besitz der wichtigsten Städte des Herzogtums Jülich, nämlich Düren, Jülich, Heinsberg und Sittard. Siehe dazu: P. Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit, S. 77ff.
b
–bB om.