Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

München HStA, KBÄA 3159, unfol. (zwischen fol. 459 und fol. 460), (Kop.).

ÜS:  Am hl. osterabent, den 24. Marcij anno 1543, ist im furstenrath beschossen worden:

Erstlichen das den protestierenden, sovil der in disen rath gehorn, anzaigt werden soll, es haben sich die andern stendt erinnert, wie sie, die protestierenden, nachdem von der röm. kgl. Mt. und der ksl. commissarien wegen der anfang in disem reichstag gemacht worden und der hauptfurtrag beschehen ist, sich lautter vernemen haben lassen, das si in den reichsrath nit khomen noch sich auf den beschehen furtrag in handlung neben den andern stendten einlassen wollen, nur allain es seyen zuvor dise zwen articl, nemblichen des gemainen landtfridens und gleichen rechtens im Hl. Reich, erortert, und das si derhalber auch offenlichen protestiert haben. Auf solliche protestation haben si sich nun von den andern ständten gesundert und seien weitter im reichsrath nit erschinen. Das si auch nachmaln erorterung der beruerten articl bey der röm. kgl. Mt. und den ksl. commissariis gesuecht, ire beschwerden anbracht, auch von baiden taillen in schriftliche handlung gewachsen seyen.

Dieweyl aber die kgl. Mt. und die ksl. commissarien ir, der protestierenden, clagsupplication [Nr. 152], auch irer Mt. und der ksl. commissarien darauf gestellte antwurt [Nr. 155] und dann der protestierenden replic [Nr. 157] den andern ständten umb iren rath und guetbedunckhen haben schriftlichen zuestellen lassen, so haben die ständt, was si in disem allen fur billich, recht und guet angesechen hat, ierer Mt. und den commissariis underthenigklichen, fruntlichen und dienstlichen enthdeckht und zu versteen geben.

Uber das haben nun die ksl. commissarien sich in gemainer reichsversamblung unther anderm offenlichen vernemen und horen lassen, das zwischen der kgl. Mt., ir, der commissarien, und der protestierenden ständten nichts beschlieslichs gehandelt, auch si, die commissarien, so weyt gangen, das sy vermug irer von der ksl. Mt. habenden instruction und bevelch nit weitter schreitten mugen, und haben darauf in der kgl. Mt., auch irer, der commissarien, namen begert, das nunmaln alle stendt zegleich zu der hauptsachen greiffen und, wie die bewilligt thurckhenhilfe dises jar sollte in das werch gepracht werden, handeln und beschliessen wollten.

Darauf hetten die protestierenden sich zu den andern ständten gethan und die handlung helfen anfachen. Das sich die andern ständ zum hochsten erfreut und gäntzlich verhofft hetten, die hauptsachen der thurckhenhilf wurde nun iren furgang gewinnen und nit anderst vermaint, dieweyl die protestierenden ständt selbs bekhant, das in bedenckhen der gewissen, augenscheinlichen und vorsteenden not dem Thurckhen ain widerstand beschehen und ain hilf furgenomen werden muest, sy wurden mit weytterer disputation irer vorhabenden zwayer articl stillsteen und die hauptsachen helfen befurdern. Das sich aber in betrachtung des hauptpuncts vil anders befunden, und nämblichen dergestaldt, das die protestierenden auf irem vorhaben verhart und also die principalsachen nit allain wider hintherstellig gemacht, sunder auch die stendt unther inen selbs zu noch merer unrichtigkhait gepracht hetten.

Dieweyl dann die ständt der zwayer angezogner articl halber nun langkh gnueg aufgehalten und die hauptsach damit nit zu klainem nachtail verzogen worden, so hetten si sich ainer entlichen mainung entschlossen, die si dann den protestierenden ständten hiemit wollten nachvolgender mas zu versteen geben haben:

Nemblichen das irer genedigisten und genedigen herrn mainung nit anderst stiend noch hievor anderst gestanden were, wann [= dann] das si im Hl. Röm. Reich den gemainen landtsfrid, und sunderlichen, wie der jungstlichen in den nächsten zu Regenspurg, Speier und hie gehalten reichstägen bewilliget und in denen daselbs aufgerichten reichsabschiden verleubt [= enthalten, begriffen] were, halten und dabey beleiben wollten. Versehen sich auch nit anderst, wann die protestierenden stendt wurden sich hingegen gleicher maß auch halten und dawider nichts handeln noch furnemen.

Und damit derhalber niemants khainen zweiffel schepfen mecht, so wollten si, die ständt, die kgl. Mt. und ksl. commissarien gantz underthenigclichen und mit hochem vleis ersuechen und bitten, damit si stattliche furtrung und einsechen thueen, auf das sollicher gemainer frid wurckhlichen erhalten und gehandthapt werde, mit disem erpietten, was si, die ständ, zu sollicher handthabung beystand thun sollten und mochten, das si jederzeit darzue willig und berait sollen gefunden werden. Dise ständt liessen es auch des friden und rechtens halber berhueen bey dem rath und guetbedunckhen, die si zuvor der röm. kgl. Mt. und den ksl. commissariis der obberuerten articl halber geben [Nr. 154]. Und gedächten, sich weytter von derowegen gar in khain disputation einzelassen.

Dieweil dann die protestierenden ständt die gefarlichait, darin gemaine christenhait des Thurckhen halber jetzund stiend und das in alweg aines widerstands und hilf vonnötten sein wollt, erkhenneten, so bäten die andern ständ si hiemit gantz guetlichen, dienstlichen und freuntlichen, si wollten sich verrer von inen nit sundern noch aussern, sonder in bedenckhen der betrangten, wissenden noth, auch gemainer christenhait, dem vaterland zu guettem und zu erhaltung unsers hl. glaubens, leybes, lebens, weybn, kindern, eeren und guets neben den andern ständt in handlung einlassen und dises mergkhlich obligen des vorsteenden turckhenuberfals beratslagen, besliessen und voltziehen helfen, wie dann der andern ständt tröstliche zuversicht zu inen stiend und si mit und neben inen gern das best rathen, furnemen und voltziehen helfen wollten.

Wo aber die protestierenden ständt auf irem nachtailigem vorhaben je verhaften wurden, so weren dannoch die andern ständt entschlossen, dise handlung nichts weniger fur die hand ze nemen und sich darine zu halten und erzaigen, das menicglichen sehen wurd, das si an inen, was zu widerstandt des Turckhen in irem vermugen gewesen were, nichts erwunden hett, mit offenlicher protestation, wo die sachen anders, wann ir gemuet stiend, fallen wurde, das doch si das ierig gethan hetten.

Dise maynung haben die kfl. gesanten inen auch gefallen lassen, allain das si sich mit des Kf. zu Sachsen gesanten ain wenig verfart haben und noch ad partem mit im reden wollen. Achten aber, es wird bey dem obern rathschlag beleiben, wellicher allen protestierenden ständten soll feria 2a Paschae [= Ostermontag, 1543 März 26] publiciert werden.

Eodem die vigiliae Paschae [1543 März 24] ist im furstenrath der articl der turckhenhilf ausser der protestierenden und durch die unthen verschribenen fursten und botschaften beratschlagt und beschlossen worden:

Erstlichen, das die turckhenhilf dises jar in alweg furgenomen und gelaist werden soll, unverhindert aller andrer einwurf und beschwerden. Das mit der kgl. Mt. und den ksl. commissarien gehandelt wird, wie solliche hilf am nutzlichisthen beschehen mug, das ist durch ainen gwaltigen härzug wie fernd [= voriges Jahr] (das fur unmuglichen geacht wiert) oder durch stattliche besetzung der hungerischen päß. Item ob durch gelt – mit zuesetzung etlicher pheningmaister vom Reich – oder durchs kriegsvolgkh.

Das von den raittungen, so in khraisen beschehen sind, relation genomen und gehört werde, und was daraus befunden wiert, das diser hilf furdersam und dienstlich sein mag, von stund an fur die hand genomen und ins werch gepracht werd. Das man auch in sunderhait bedenckh, wie die mangl, so in den raittungen gefunden sind, mugen gewendt und khunftiger zeit furkhomen, auch die khrais sovil muglich (doch an verhinderung der bewilligten hilfe) vergleicht werden.

Das zu volnziechung diser bewilligten hilf ain sollichs einsechen gethun, auch mittl und weg furgenomen werden, das diselbe ain jeder standt nach seinem vermugen, und wie er das bey seinen underthanen zu erhalten verhofft, erschwingen mug.

Dise vorerzelten articl sind allain im furstenrath bedacht und beschlossen worden ausser der protestierenden. Sind auch im churfurstenrath noch nit referiert.

[Im Fürstenrat waren die Gesandten der folgenden Reichsstände vertreten:]

[Ebf.] Saltzpurg

Hg. Wilhalm Bayrn

Osterreich

Hg. Ludwig Bayrn

B[f.] V[alentin] Hildeshaim [persönlich]

Hg. Hanns Bayrn [= Pfgf. Johann II. von Pfalz-Simmern]

Adm. in Preussen

+ Hg. Otthainrich1

[Bf.] Bamperg

+ [Hg.] Gilch

[Bff.] Wurmbs, Freising, Regenspurg, Elwang

+ Mgf. Ernst von Baden

+ Pupillen [= Mündel, unmündige Kinder] von Baden

[Bf.] Wirtzpurg

[Bf.] Aichstet

[Bf.] Straspurg

[Bf.] Costens

[Bf.] Passaw

+ [Bf.] Minster

+ [Bf.] Metz

Kiempten und ander prelaten

Johansermaister

Graven

Anmerkungen

1
Die mit einem Kreuz (+) gekennzeichneten Reichsstände schlossen sich dem obigen Fürstenratsbeschluss der altgläubigen Partei nicht an.