Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

Hatte schon der zum 6. Januar 1513 nach Worms ausgeschriebene Reichstag nur eine unzureichende Bilanz aufzuweisen, so setzte sich in den folgenden Jahren die Serie der letztlich gescheiterten Reichstagsprojekte fort. Wie erwähnt, hatte Kaiser Maximilian die Wormser Reichsversammlung am 25. Juni verlassen und sich, ohne die Reichsstände über seine Absichten zu informieren, einem ganz neuen Ziel zugewandt. Über Frankfurt a. M. reiste er Mosel aufwärts in die Niederlande, um sich dort gemeinsam mit König Heinrich VIII. von England gegen seinen großen Widersacher König Ludwig XII. von Frankreich zu stellen. Am 25. August konnte er in einer reichsweit verbreiteten Schrift stolz die Einnahme der nordfranzösischen Stadt Thérouanne bekannt geben (Nr.396). Fünf Tage zuvor war er im nur unweit gelegenen Aire-sur-la-Lys überraschenderweise der Empfehlung der Reichsstände gefolgt und hatte zum 1. November einen neuen Reichstag nach Worms ausgeschrieben. Dorthin sollte auch der auf dem Reichstag 1512 beschlossene Gemeine Pfennig mitgebracht oder ein Grund genannt werden, warum seine Einsammlung nicht funktioniert hatte. Er selbst würde allerdings, so Maximilian in weiser Voraussicht, wegen anderweitiger kriegsbedingter Verpflichtungen eventuell nur Kommissare schicken können (Nr.394). Wie zwei Monate zuvor in Worms bereits angekündigt worden war, erklärten die beiden ranghöchsten Kurfürsten Uriel von Mainz und Ludwig von der Pfalz in einem gedruckten Ausschreiben vom 12. September, der vergangene Wormser Reichstag sei wegen unzureichender Beteiligung nicht erfolgreich gewesen. Daher sei es dringend erforderlich, „des hl. Reichs sambt der cristenlichen kirchen nottürften und geprechen“ auf der vom Kaiser einberufenen neuen Zusammenkunft am 1. November gemeinsam zu erörtern (Nr.397). Alle Reichsstände sollten sich daran beteiligen. Dieser Appell ist insofern bemerkenswert, weil damit erstmals in der Geschichte der Reichstage der Maximilianszeit neben das traditionell dem Kaiser obliegende Ladungsschreiben ein zweites, kurfürstliches hinzutritt. Es ist ein Indiz für das neue Selbstverständnis der Reichsstände, die sich angesichts der zunehmend reichsabgewandten, eigennützigen Politik des Kaisers dafür verantwortlich fühlten, notfalls auch ohne ihn nach Lösungen für die vielfältigen Probleme und Bedürfnisse des Reiches zu suchen.1

Wie berechtigt dieses Vorhaben war, zeigte sich bereits wenige Tage nach dem Aufruf der beiden Kurfürsten, als Maximilian mitteilte, die kriegerischen Auseinandersetzungen an der Seite König Heinrichs von England mit dem französischen König und in Italien mit den Venezianern machten ihm die persönliche Teilnahme am Wormser Reichstag unmöglich. Er werde sich deshalb dort durch „treffenlich räte“ vertreten lassen. Ungeachtet dessen befehle er die pflichtgemäße Teilnahme am Reichstag (Nr.398 [4.]). In der Folgezeit hatte es dann zwar kurzzeitig den Anschein, als wolle Maximilian doch nach Worms kommen, doch gab er Ende Oktober während eines Aufenthalts in Frankfurt a. M. bekannt, dass angesichts der noch immer nicht beigelegten Konflikte in Worms der Reichstag in die Stadt am Main verlegt werden müsse (Nr.410). Er selbst blieb dort nicht lange, sondern reiste unter Zurücklassung Herzog Ludwigs von Bayern und einiger anderer Kommissare über Aschaffenburg, Miltenberg, Dinkelsbühl und Donauwörth nach Augsburg, wo er am 9. November eintraf (Nr.417).

Als dies bekannt wurde, erschienen nur Erzbischof Uriel von Mainz und einige wenige Gesandtschaften in Frankfurt, sodass an eine Verhandlungsaufnahme nicht zu denken war. Vor allem bei denjenigen Ständen, denen der Kaiser eine erneute Beschäftigung mit ihren dringenden Anliegen in Aussicht gestellt hatte, war die Enttäuschung groß. Sowohl die sächsischen Herzöge als auch die Herzöge von Kleve bzw. Jülich-Kleve hatten Vertreter geschickt, um Maximilian einmal mehr um die Belehnung mit Jülich-Berg zu bitten (Nr.432, 434, 455 [2.]), das Brüderpaar Wilhelm und Ludwig von Bayern waren von ihrem kaiserlichen Onkel aufgefordert worden, persönlich nach Frankfurt zu kommen und sich an den erneuten Schiedsverhandlungen über ihren Zwist zu beteiligen (Nr.442 [4.]), während Deutschordenshochmeister Albrecht von Brandenburg einmal mehr hoffte, endlich die lang ersehnte Unterstützung in seinem Konflikt mit Polen zu bekommen (Nr.439, 440). Doch alle diese Fragen blieben ungeklärt. Dass sich Maximilian über die Tatsache, dass der Erfolg eines Reichstags nach wie vor in hohem Maße von der Präsenz des Reichsoberhaupts abhing, durchaus im Klaren war, zeigt sein Schreiben an Kurfürst Friedrich von Sachsen vom 2. Dezember 1513. Darin betonte er, ihm sei an dem Frankfurter Reichstag „merklichs und vil gelegen“, doch befürchte er, dass ohne sein „persondlich beywesen auf demselben reichstag nichts entlichs noch fruchtbarlichs ausgericht wird, wie dan hivor zu etlichen malen auch bescheen ist.“ Weil er jedoch wegen des Krieges gegen Venedig nicht nach Frankfurt kommen könne, verlege er die dortige Reichsversammlung an seinen derzeitigen Aufenthaltsort Augsburg und wolle dort ab dem 1. Februar 1514 mit Kurfürst Friedrich und den anderen Reichsständen verhandeln (Nr.447 [2.]). Dass die Reichsstände bereits einige Monate zuvor eine Verlegung des Reichstags nach Augsburg abgelehnt hatten, wurde Maximilian offensichtlich erst später bewusst, denn der geplante Ortswechsel wird nur in dem genannten Brief an den sächsischen Kurfürsten erwähnt. Ein offizielles neues Ladungsschreiben an die Reichsstände ist nirgends überliefert.

Das Nichtzustandekommen des Reichstags in Worms bzw. Frankfurt hatte aber auch für den Kaiser durchaus negative Folgen, denn die dringend benötigten Gelder aus dem Gemeinen Pfennig, die auf dem Reichstag hätten abgeliefert werden sollen, bekam er nun nicht. Allerdings hatten schon im Vorfeld die Landstände verschiedener Territorien, insbesondere in den sächsischen Gebieten sowie in Jülich-Berg, ihren Widerstand gegen die ungeliebte Steuer deutlich bekundet. Sie verwiesen im Rahmen von Verhandlungen mit den Landesherren auf die schwierige ökonomische Lage der Untertanen, denen eine weitere Belastung nicht zugemutet werden könne (Nr.424, 454). Insgesamt betrachtet gibt es aus den Jahren 1513 und 1514 keinen einzigen Beleg dafür, dass der Gemeine Pfennig von 1512 in irgendeiner Region des Reiches tatsächlich gezahlt wurde. Damit kann die Frage nach der Realisierung dieses Steuerprojekts als geklärt gelten.2

Anmerkungen

1
 Zu den umfassenden Veränderungen, die der Reichstag an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert erfuhr, vgl. allgemeinSeyboth, Gestalt und Wandel des Reichstages; Ders., Reichsreform und Reichstag; Ders., Kaiser Maximilian I. und die Reichstage.
2
 Maximilian Lanzinner verweist darauf,dass die Beschlüsse zum Gemeinen Pfennig von 1495, 1542 und 1544 tatsächlich vollzogen wurden, die Erhebung der 1512 beschlossenen Steuer in den folgenden Jahren jedoch unsicher ist. Lanzinner, Der Gemeine Pfennig, S. 267.