Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Einsicht in die bedrängte Lage Ehg.in Margarethes; seine geplante Reise in die Niederlande, um Hg. Karl von Geldern zurückzudrängen; [2.] Vergebliches Warten auf die ksl. Truppen; sein Rückzug nach dem Scheitern des Vorgehens gegen den Hg.; [3.] Gefährdung seines Erfolges auf dem Kölner Reichstag im Falle seiner Reise in die Niederlande und Nichtteilnahme am kommenden Reichstag (in Worms); Vorschlag an Ehg. Margarethe, ihn auf dem (Wormser) Reichstag zu vertreten, sofern sie dies will; [4.] Aussichtslosigkeit eines Sieges gegen Hg. Karl von Geldern ohne seine eigene persönliche Beteiligung; [5.] Völliges Versagen der Hauptleute im Geldernkrieg; [6.] Zwei Gründe für seinen Wunsch nach einer Reise in die Niederlande und Beendigung des dortigen Krieges; [6a.] Negative Folgen einer weiteren Beteiligung der niederländischen Hauptleute und Räte an den Entscheidungen im Geldernkrieg; [6b.] Ehg.in Margarethe als einzige geeignete Entscheidungsinstanz in den drei aktuellen großen Konflikten im Reich; [7.] Zusage, sie durch deutschsprachige Räte zu unterstützen; Rücksprachemöglichkeit bei ihm in schwierigen Fällen; [8.] Sein sofortiger Aufbruch in die Niederlande nach dem Eintreffen der Ehg.in in Worms; [9.] Zusicherung der dortigen Anwesenheit der Ff.

Marburg, StA, Bestand 3 Nr. 367, fol. 42a–44a, 49b–51a, Konz.

/42a/ Instruction, was unser secretari maister Loys Mareton sol handlen mit unser lb. tochter frau Margrethen, Ehg.in zu Osterreich etc.

[1.] Anfenglich ir anzaigen, das wir das schreiben1, so sy uns bey demselben meister Lois getan hat, vernomen und dabei gehört haben, was er uns von iren wegen daneben auch gesagt hat. Und als sy in demselben irem schreiben anzeigt, das nutz und not sey, das wir persondlich hinabkomen, dan sy verhoff, das wir mit hilf unser getreuen diener daselbs unser sachen nach unserm beger wol dannen richten mögen, und wo wir nit komen, das alle sachen in zerruttung fallen mochten, mit beger, unser zukunft zu furdern, darauf sol ir der gemelt maister Loys sagen, das wir fur uns selbs wol bedacht und betracht haben die groß unordnung und unschicklichait, so in unsern niderlendischen hendlen und sunderlich im krieg seyn, und das deshalben /42b/ unser hinabzukomen wol not sey. Darumb sind wir aus denselben ursachen und auf derselben unser tochter herziglich ersuchen und schreiben von Coln aus nach Niderwesel [= Wesel] gezogen, der meynung, furter in unser land zu ziehen und den gemelten unsern und unsers suns [Ehg. Karl] sachen auszuwarten, wiewol uns solhs etwas schwer gewesen und noch ist, angesehen, das wir dan der merglichen gescheft halb von des Reichs wegen, deren wir beladen, auf nestkunftigen reichstag selbs nit komen und die groß hilf, so zu Coln beslossen und verwilligt ist2, die wir in XXVI jaren nit haben mogen erlangen, nit zu der execution bringen mochten. Yedoch haben wir solhs nit angesehen, sundern all obligend hendl zurückgeslagen und den obgemelten niderlendischen sachen unsern der gemelten unser tochter zu gut wellen auswarten. Wolten deshalben hinabziehen und den [Hg. Karl] von Geldern /43a/ underwegen zu slahen oder doch etwas guts wider die veind zu schaffen.

[2.] Als wir aber daselbshin gen Niderwesel komen sein und unser hauptleut und kriegsvolk daselbs bis in VII tag gewartet haben, sein sy nit komen, uber daz wir inen bey vier malen solhs geschriben und bevolhen haben, und wo sy also unserm bevelh nachkomen weren, wolten wir den von Geldern mit der Gots hilf wol geslagen haben, dann er sich gleich neben uns in mitte der Clevischen gelegt hett. Da wir mit im wol unsern willen geschafft und dann unsern handel und sonderlich den geldrischen krieg gericht wolten haben. Da wir aber ye sahen, das unser kriegsvolk nit kom und sich der von Geldern neben uns legert und uns spotlich wer gewesen, das wir neben im gelegen sollten sein und gegen in nichtz hetten handlen mugen, sein wir wider zuruckgezogen und wollen warten der Hgg. [Erich und Heinrich d. Ä.] von Brunswig.

[3.] /43b/ Als wir nun wider herauf gen Coln komen sein, haben wir bedacht, das sich der reichstag nehert und, wo wir hinabzugen, das wir auf disen reichstag nit wider komen mochten. Dardurch alles das, so wir zu Coln erlangt haben, das wir doch zuvor in XXVI jaren nit haben mogen erlangen, zerrüt würde. Und damit aber nichtz versaumpt und beid sachen ausgericht würden, haben wir aus denselben ursachen und kainer andern maynung an die gemelt unser tochter begert, das unser notdurft ervorder, das wir auf den reichstag ziehen müssen und nit hinabkomen mogen, das sy alle sachen irem rat und gutbedunken nach zum besten ausrichten und versehen welle, wo sy aber bedeucht, das sy solhs nit tun möchte, das sy alsdan auf den reichstag ziehe und denselben reichstag an unser statt vertrete. So wellen wir in aigner person hinabziehen und den handl und den krieg auswarten, damit nichtz versaumpt, sonder beide ausgericht werden.

/44a/ Darauf so sey nochmals unser begeren, sy welle die grossen obligend sachen zu herzen fassen und herauf auf den reichstag komen und unser statt zu vertreten. So erpieten wir uns hinabzuziehen. Wo sy aber solchs ye nit tun und daniden bleiben wolt, das sy alsdan alle sachen zum besten ausricht.

[4.] Doch wellen wir daneben alles das offenbarn und declariern, das wir von geldrischen kriegs wegen glauben und wissen, nemlich: Dieweil sy selbs, auch unser hauptleut und rete dafürhalten, das kein hofnung sey, das land von Geldern mit gewalt zu gewynen, und wen man schon vil mue, arbeit und gelt darauf lege, so werde doch das alles verloren und verswendt und man müsse das am letsten den gemelten Geldern lassen, es were dann, das wir selbs hinabkomen und den krieg als der H. und an alter kriegs[er]farn und der denselben krieg in anfang, mittl und /44b/ end waist und nu bey den XXXIIII jaren getriben hat, selbs auswarten, derselben oppinion sein wir auch, dan wir haben gesehen, was bisher die gemelten hauptleut und ret geraten haben, das nichtz guts daraus gevolgt und alle mue, arbeit, gelt und costen, so darauf gangen, verloren ist, zudem, das alle land damit unwillig gemacht sein.

[5.] /49b/ So haben auch die hauptleut noch böser ding gekriegt, dan wiewol sy alwegen zwey oder iii mal sovil volks als Geldern gehapt, so haben sy doch schier alles, daz wir in Geldern gehapt, verlorn und nit allein dasselb verlorn, sonder unser land und leut in Brabant und Holand verprennen, verderben, beschedigen und prandschatzen lassen on alle ursach und allein aus irer unschicklicheit. […]

[6.] Item nachdem ksl. Mt. vermerkt, das madame [= Ehg. Margarethe] in unlust ist, das ksl. Mt. sy herauf hat wollen verordnen, seiner Mt. statt auf dem reichstag zu vertreten, will ksl. Mt. ir als der vater nichtz versweigen. Und das sein Mt. hat wollen hinabziehen und die obgemelten mengel wenden zu nutz und gut der lande und dem krieg ein end zu machen, des sein zwo, die treffenlichisten, ursachen, wiewol der ander vil sein. […]

[6a.] Die erst sein sorg, daz seiner Mt. mocht beschehen wie vor, nemlich, wan sein Mt. ein gute oppinion vor ir hett und die sachen in rat legte, so mochten die ret und hauptleut wider ir Mt. oppinion fallen, und volgt sein Mt. irer oppinion, so mocht sein Mt. nichtz dan spott daraus verfolgen und kein rechter grund. Wolte dann sein Mt. ir selbs oppinion nachkomen, so würden sy irer Mt. nit mit treuen helfen, zudem, wo /50b/ dan die sachen irer Mt. missrieten, so würden sy alle schuld auf ir Mt. legen. Dadurch aber sein Mt. zu spott würde.

[6b.] Die ander ursach ist, das drey groß sachen3 zu judiciren sein, die nymands wol erschlichten kann dan ksl. Mt. personlich oder yemand, der seiner Mt. person representirt und unparteysch. So befind sein Mt. nyemands im ganzen Reich, der zu solhen sachen gut und nit parteysch sey, sonder sein die parteyen, darin judiciert müssen werden, so groß, das nymands im Reich ist, sy seyen dan mit fruntschaft oder sunst verwandt. Darumb sein Mt. sy, als die geschickt, vernunftig und mechtig ist und yederman waist, das sy selbs genug hett und sich nit dringen laß, sonder allein dazjenig werde sprechen, das erlich, billich und recht sey, [vorschlägt].[…]

[7.] Darzu ist nit not, daz sy in deutzsch hallen [= reden], sonder werde ksl. Mt. ir sovil ret zugeben, deutzsch, die solhs in irem /51a/ und mit irem rat, willen und wissen handlen werden und sey genug, das sy als die weys darzu rat und ksl. Mt. person representiert.

Darzu, wan etwas swer furfallen würde, so mag sy ksl. Mt. solhs allzeit durch die post, so hin wider, zuschreiben. So will ir Mt. ir allezeit darin getreulich raten und ir das zuschreiben, damit sy allezeit dest tapferer hallen, auch, ob etwas unlust, so in den sachen zwischen den parteyen fallen würde, das sy solhs auf ksl. Mt. leg, und auf sich nit nehmen dorf, dan sein Mt. dieselben unlust gern tragen will.

[8.] Und dem nach, daz sy herauf zieh, so will ksl. Mt. hinab oder die sachen, wie obstet, ausrichten mit frid oder krieg, daz ksl. Mt. nit zwischen zweyen stuelen nidersitz.

[9.] Item auf welhen tag zu Worms sy sein wirdet, will ir Mt. daransein, daz die Ff. auf denselben auch dasein. Und wen sy den Reinstrom ergreift, will ir Mt. hinabziehen und ire reyter zu sich ervordern, sein Mt. hinabzugeleiten, Brunsweig und ander reyter, so sein Mt. ir anzeigen wirdet.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist wohl Ehg.in Margarethes Schreiben an den Ks. vom 4. November 1512, in dem sie über ihre bedrängte Lage in den Niederlanden klagte und ihn bat, ihr baldmöglichst zu Hilfe zu kommen. Marburg, StA, Bestand 3 Nr. 367, fol. 67–68, Orig. Pap. m. S. und eigenhändiger Unterschrift. In zwei weiteren Briefen vom 24. Februar und 6. März 1513 appellierte Ehg.in Margarethe nochmals an den Ks., Frieden mit Kg. Ludwig von Frankreich zu schließen und ihr in den Niederlanden zu Hilfe zu kommen. Le Glay, Négotiations, Nr. CLXXXV, CLXXXXVI.
2
 Anschlag der Eilenden Hilfe für den Geldernkrieg in Berittenen und Fußknechten, Köln, 17. August 1512. Seyboth, Reichstagsakten 11, Nr.1005.
3
 Gemeint sind wohl die Konflikte zwischen Kurmainz und den Hgg. von Sachsen um Erfurt, der sächsischen Hgg. mit Hg. Johann III. von Jülich-Kleve um das territoriale Erbe Hg. Wilhelms von Jülich-Berg sowie Landgf. Wilhelms d. Ä. und seiner Gemahlin Anna d. Ä. mit dem hessischen Regiment wegen des Vollzugs des Kölner Schiedsspruchs Ks. Maximilians.