Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[Trier, nach 16. Mai 1512]

Worms, StadtA, I B 1944/1, o. Fol., Konz. (Kanzleivermerk am Rand: Der stadt antwort auf die supplicacion; mit Korrekturen und Ergänzungen von einer zweiten Hand).

Bf. Reinhard von Worms hat eine Klagschrift (Nr. 1261 [33.]) mit langer Darlegung seiner Differenzen mit der Rst. Worms übergeben und darin als Begründung, warum er der gütlichen Handlung des Ks. nicht Folge leisten kann, Probleme beim Zeugenverhör angeführt. Darauf die gesanten der statt Wormbs sagen, wo das ein ursach sein solt, das doch nit ist, so wer es seiner ersamkeit und nit dero von Worms schult, als sich in schriften, ksl. Mt. reten ubergeben, weiter erfinden wirdet.

Zu Beginn versucht der Bf. den Ausschußmitgliedern vorzuspiegeln, er und sein Hst. besäßen wichtige Rechte in der Rst. Worms hinsichtlich der Besetzung von Rat und Gericht. Zur Begründung, daß dies nicht zutrifft, ist Folgendes anzuführen1:

Unbestreitbar ist Worms eine freie Stadt des Reiches, die nur die röm. Kgg. und Kss. als ihre Herren anerkennt, stets zu Reichstagen geladen und zum Dienst für das Reich veranschlagt worden ist, die auch vor sich selb on zu- oder abtun eins Bf. iren rat und gericht mit 12 rittern und 28 edeln und bürgern inhalt Ks. N. gulden bullen besetzt hat. Es trifft auch zu, daß Bm. und Rat allen weltlichen gerichtszwang in bürgerlichen und peenlichen sachen, es sei mit besetzung der scheffen, angriffen, peinlicher frag, orteilsprechen, execution tun, richten oder ledig geben on allermeniglich rechtlich einsprechen herbracht und noch haben und diese Befugnisse auch ausüben und daß die Wormser Bff. bzgl. des Rats und des Gerichts von Kgg. und Kss. nichts erlangt oder zusammen mit ihren Regalien empfangen haben. In den Wirren nach dem Tod Ks. Friedrichs II., als dem Reich viel entzogen worden ist, hat der Bf. von Worms mit Hilfe seiner Anhänger sich zum taile mit gwalt, krieg, uncristlichen bannen und interdicten in das regiment unrechtlichen angefangen einzudringen, was sich bei Bedarf urkundlich nachweisen läßt. Die nachfolgenden Bff. haben sich so lange weiter in das Stadtregiment eingemischt, bis sie die dortigen 12 Ritter und die 28 Edlen und Bürger verdrängt hatten, alles in der Absicht, die Stadt dem Reich zu entziehen und die dort lebenden Adeligen und Bürger samt ihrem Besitz zu schwächen. Vor dieser Einmischung hatte Worms 8000 Einwohner, jetzt kaum noch 2000. Schließlich ist Ks. Friedrich III. den Gründen für die starke Abnahme der Leistungen von Worms für das Reich nachgegangen und hat festgestellt, daß der Bf. die Ursache der ständigen Querelen ist. Um Worms wieder in einen besseren Zustand zu versetzen, hat Ks. Friedrich alle vorgeblichen Befugnisse und Verträge des Bf. per Urteil kassiert und für nichtig erklärt. Dieses Dekret hat Ks. Maximilian bestätigt, wie aus der eingereichten (nicht vorliegenden) Abschrift zu ersehen ist.

Nunmehr wird den Ausschußmitgliedern ein vermainter spruch, der zu Antwerpen in possessorio mit einer vermeinten execucion ergangen sein soll, angezaigt. Dieser Spruch ist nach Auffassung der Wormser Gesandten nichtig, ohne Wert und widerspricht der Rechtsform, und zwar aus folgenden Gründen: Zum einen sind Bm., Rat und Gemeinde von Worms dazu nit citiert worden. Zum zweiten haben die, die derzeit zu Antwerpen gewesen sein, kein mandat oder gewalt gehapt et sic cum non parte gehandelt worden. So ist in der sachen nit beschlossen, dero von Worms gerechtigkeit, die sie sich in petitorio darzutun erboten, nit angenommen und also allein in possessorio ein vermainter bescheid ausgangen und des petitorium underlassen. Das sich in recht nit geburt. Darzu so haben Bm. und rat in petitorio et possessorio urteil und recht bei zeiten Ks. Friderichs des 3. für sich behalten. Deshalben die letzt vermaint urteil der ersten widerwertig, im rechten nichtig ist und dhain würkung haben mag. Item so ist solher bescheid in vigilia nativitatis Christi hora vesperarum und also allein von 5 personen die feriato ergangen und deshalb nichtig. Darüber hinaus hat der verstorbene Bf. Johann sich des bescheids zu gebrauchen verziegen und begeben. Des sich die von Worms auf ksl. Mt. und andere ziehen. Da besagte Entscheidung als das principal nichtig ist, ist auch alles Nachfolgende untauglich, nicht verbindlich und durch den Bf. nicht zu verwenden. Sollte Bf. Reinhard jemals irgendein Recht in der Rst. Worms besessen haben, was die Gesandten allerdings bestreiten, so hat er es aufgrund seines Ungehorsams gegen den Ks. im Landshuter Erbfolgekrieg verloren. Er ist in die Acht erklärt worden und es wurden ihm alle weltlichen Obrigkeiten entzogen und durch den Ks. Bm. und Rat von Worms übereignet laut den darüber ausgestellten Urkunden. Die Rst. Worms handelt deshalb keineswegs ungebührlich, wenn es den Bf. Rat und Gericht nicht besetzen läßt.

Der Versuch des Bf., sich auf dem Kölner Reichstag (1505) vor dem Ks. zu rechtfertigen, ist fehlgeschlagen, da Ks. und Stände ihn der versamlung erobert und darin nit gefordert, und ist sein verantwortung nit aufgenomen oder gericht worden, wie den damaligen Reichstagsteilnehmern erinnerlich ist. Auf dem Konstanzer Reichstag (1507) hat der Ks. zwar die Verantwortung des Bf. angehört und ihn auf vielfältige, nachdrückliche Bitte der Stände belehnt,2 jedoch unbeschadet der vorigen Verleihung zugunsten der Rst. Worms. Befremdlich erscheint auch, daß der Bf. ein von der Augsburger Reichsversammlung (1510) ausgegangenes Schreiben (Nr. 198) anführt, der meinung, das ksl. Mt. ime, gegen Bm. und rat umb stück, die des Reichs oberkeiten betreffen und on mittel darus fliessen, und umb ir Mt. selbst handlung, begnadung und zustellung, denen von Worms beschehen, am camergericht in recht zu ziehen, erlaubt haben soll. Richtig ist vielmehr, daß der Ks. mit dem Wort „Widerpartei“ nicht die von Worms, sondern den Fiskal verstanden wissen will. Dies hat der Ks. auch in einer eigenen (nicht vorliegenden) Schrift erläutert, Bm. und Rat von Worms verboten, sich auf ein Rechtsverfahren gegen den Bf. einzulassen und dem Reichskammergericht entsprechende Mandate und Schreiben (Nr. 196) zugeschickt. Diese liegen bei.

Da es nunmehr erwiesen ist, daß der Bf. keinen begründeten Anspruch auf seine vermeintlichen Rechte hat und der Ks. der Rst. Worms nur das zurückgegeben hat, was zuvor dem Reich und ihr selbst widerrechtlich entzogen worden ist, bitten die Gesandten den Ausschuß, den Bf. aufzufordern, Worms im ungestörten Besitz der ksl. Begnadung zu lassen und von seiner unbegründeten Forderung abzustehen. Wo aber sich der Bf. des beswert zu sein vermeint, ksl. Mt. rechterpietens und der sachen halb, wie obgemelt, nit benugig sein und, ksl. Mt. bei eur ftl. Gn. und gunsten umb verschlagerung rechts zu verunglimpfen, nit ablassen wolt, so ist doch offenbar, das ir Mt. solhs zu unschulden aufgelegt wird, wie aus den vorgelegten Schriften hervorgeht. Die Gesandten hoffen auch, daß die Ausschußmitglieder ksl. Mt. eigne handlung, die dann aus des hl. Reichs oberkeiten herfliessen, sowie die ksl. Urkunden in eren und achtung unverletzt helfen hanthaben und halten. Zusammenfassend bitten sie, Worms bei seinen Rechten, Gnaden, Freiheiten und seinem alten Herkommen zu handhaben und zu schützen, vor weiterem Abnehmen und Verderben zu bewahren und nicht vom Reich unter andere Herrschaft geraten zu lassen. Hierzu werden die Wormser unter Einsatz von Leib und Gut ihren Beitrag leisten und dabei auf Gott, den Ks. und die Ausschußmitglieder als Liebhaber des Reiches vertrauen.

Anmerkungen

1
 Vgl. die von den Wormser Gesandten am 28. Juni vorgelegte Zusammenfassung ihres Standpunkts, Nr. 1261 [52.].
2
 Deklaration Kg. Maximilians über die Reichsbelehnung Bf. Reinhards von Worms, Konstanz, 10. August 1507. Heil, Reichstagsakten 9, Nr. 968; kgl. Lehnsbrief für Bf. Reinhard, Konstanz, 11. August 1507. Ebd., Nr. 969.