Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

Die Einberufung des Augsburger Reichstags 1510 war letztlich eine mehr oder weniger logische und notwendige Folge der prekären Lage, in der sich Kaiser Maximilian im Herbst 1509 befand. Zu diesem Zeitpunkt führte er bereits seit über einem Jahr Krieg mit der Republik Venedig, die ihn 1508 gewaltsam am Romzug zum Empfang der Kaiserkrone gehindert hatte, doch fehlte ihm zu einem entscheidenden Erfolg gegen die Adriametropole die notwendige militärische Schlagkraft. Dafür trugen in seinen Augen die Reichsstände eine erhebliche Mitverantwortung, hatten sie doch auf dem jüngsten Reichstag, der in Worms ab dem 23. April 1509 sieben Wochen lang getagt hatte, eine Truppen- und Geldhilfe für den Krieg strikt angelehnt. Diese Weigerung war wohl zum Teil auch darauf zurückzuführen, daß Maximilian bereits drei Tage nach Eröffnung der Beratungen wieder aus Worms abgereist war und die weiteren Verhandlungen mit den Reichsständen durch beauftragte Kommissare hatte führen lassen. In der Folgezeit mußte er aufgrund akuten Geldmangels nahezu alle bisherigen Eroberungen in Oberitalien, darunter Padua, wieder preisgeben. Um den Krieg überhaupt fortsetzen zu können, verlangte er zunächst Ende August 1509 von allen Reichsgliedern eine rückzahlbare Kriegsanleihe (Nr. 392). Der daraus erhoffte Gesamtbetrag von ca. 105000 Gulden war jedoch viel zu optimistisch kalkuliert, denn bis Mitte März 1510 gingen davon nur 35000 Gulden, also ziemlich genau ein Drittel, ein (Nr. 319). Auch verschiedene andere Wege, die der auf diesem Gebiet stets sehr erfinderische Kaiser beschritt, um zu Geld zu kommen (I.14.), sind ein deutlicher Beleg für seine prekäre finanzielle Lage, die ihm die Führung eines derart langen, aufwendigen und kostenintensiven Krieges eigentlich von vornherein verbot.

Ungeachtet des vorangegangenen Mißerfolges auf der Wormser Versammlung setzte Maximilian seine weitere Hoffnung auf einen neuen Reichstag, den er durch Ausschreiben vom 8. November 1509 für den 13. Januar 1510 nach Augsburg einberief (Nr. 61). Zwar führten noch vor dessen Beginn einige kaiserliche Abgesandte in Ospedaletto und Feltre mit Vertretern Venedigs Verhandlungen über eine friedliche Beilegung des bestehenden Konflikts, doch scheiterten diese, da der Kaiser wohl von Anfang an wenig kompromißbereit war und deshalb die durchaus weitreichenden Zugeständnisse der Gegenseite nicht akzeptierte (Nr. 1-4, 6, 9).

Welch tiefe Abneigung Maximilian gegen die Adriarepublik hegte und daß sein Bestreben letztlich nur darauf ausgerichtet war, sie doch noch mit militärischen Mitteln niederzuringen, zeigte sich dann auf dem Augsburger Reichstag in aller Deutlichkeit. So nannte er für die Annahme des Angebots der Reichsstände, zwischen ihm und Venedig zu vermitteln (Nr. 93 [3.], 99 [3.], 100, 104 [4.]), ganz bewußt allzu hohe Bedingungen (Nr. 97 [4.], 102) und ließ den Überbringer von Briefen der Signorie an eine Reihe von Reichsständen unter dem Vorwurf des Hochverrats ins Gefängnis werfen (Nr. 480 [7.], 520 [2.], 521 [3.], 522 [1.], 526 [4.]). Auch den durch den Nuntius Achilles de Grassis überbrachten Vorschlag Papst Julius’ II., sich um einen Frieden zwischen den beiden verfeindeten christlichen Mächten zu bemühen (Nr. 5, 11, 12), lehnte er ab, erst recht, als er zu seiner großen Empörung erfuhr, daß der Papst am 24. Februar das Interdikt gegen die Venezianer aufgehoben und sich mit ihnen faktisch verständigt hatte (Nr. 13, 15, 16, 94 [12.]). Diese Entscheidung stellte in seinen Augen einen eklatanten Bruch der Liga von Cambrai dar, die er am 10. Dezember 1508 mit dem Papst sowie den Königen von Frankreich, Aragón, Böhmen-Ungarn und England gegen Venedig geschlossen und die nunmehr durch das Ausscheren des Kirchenoberhaupts viel von ihrer Schlagkraft eingebüßt hatte. Seitdem war Julius II. für Maximilian förmlich ein rotes Tuch.

So konsequent sich der Kaiser in Augsburg allen Ausgleichsversuchen mit Venedig verweigerte, so rastlos betrieb er die Vorbereitungen für einen großen Feldzug im Frühjahr 1510, indem er Hauptleute bestellte (Nr. 49), Kriegsknechte rekrutieren sowie Waffen und sonstigen Kriegsbedarf beschaffen ließ (Nr. 45, 46, 51, 57), alles in der Hoffnung, sie im entscheidenden Augenblick dank ausreichender Truppen- und Finanzhilfe von mehreren Seiten einsetzen zu können. Wie dringend notwendig diese Unterstützung schon im Februar und März 1510 gewesen wäre, zeigen die fortwährenden Klagen des kaiserlichen Hauptmanns der niederösterreichischen Erbländer, Herzog Erich von Braunschweig-Calenberg, der ohne ausreichende Hilfeleistung seitens des Kaisers einen schweren Stand gegen die venezianischen Truppen hatte (Nr. 28, 30, 33, 35-44).

Angesichts der überragenden Bedeutung des Venezianerkrieges spielten für den Kaiser andere auswärtige Themen wie etwa sein seit langem gespanntes Verhältnis zu Herzog Karl von Geldern eine deutlich untergeordnete Rolle. Zwar tolerierte er anfänglich Verhandlungen seiner um Ausgleich bemühten Tochter Margarethe über eine Heirat seiner Enkelin Isabella mit Herzog Karl, verweigerte dem Projekt dann aber aus altem Mißtrauen doch seine Zustimmung (Nr. 58, 59).