Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Konstituierung des Religionsausschusses. Allgemeine Bereitschaft zur Aufnahme der Verhandlungen.

/64/ Rekapitulierung der Vereinbarung in den Kurien, den 1. HA (Religionsvergleich) gemäß Passauer Vertrag und RAb 1555 in einem interkurialen Ausschuss zu beraten. Daraufhin haben die katholischen Stände als Ausschussmitglieder benannt: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Salzburg, Österreich, Augsburg, Bayern, die Prälaten und die Stadt Schwäbisch Gmünd. Für die CA-Stände nehmen am Ausschuss teil: Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Pfalz-Zweibrücken1 , Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Hessen, Wetterauer Gff. und die Stadt Straßburg 2.

Dezember 9, Rathausa . Die Delegierten des Religionsausschusses erscheinen zur ersten Sitzung. Religionsausschuss. ([63’]3  Katholische Stände: Kurmainz: Kanzler Lic. Christoph Matthias; Kurtrier: Nikolaus von Enschringen4 ; Kurköln: Lic. Michael Glaser; Österreich: Dr. Johann Ulrich Zasius; Salzburg: Domherr Wilhelm von Trauttmansdorff; Augsburg: Dr. Konrad Braun5 ; Bayern: Dr. Wiguleus Hundt; Prälaten: Dr. Christoph von Hausen; [später:] Stadt Schwäbisch Gmünd6. CA-Stände: Kurpfalz: Großhofmeister Eberhard von der Tann; Kursachsen: Dr. Laurentius Lindemann; Kurbrandenburg: Dr. Kaspar Witterstadt; Pfalz-Zweibrücken: Dr. Augustin Eck; Brandenburg-Ansbach: Dr. Werner Eisen; Württemberg: Lic. Balthasar Eislinger7; Hessen: Dr. Jakob Lersner; [Wetterauer] Gff.: Johann Lieberich von Kröffelbach; Stadt Straßburg: Jakob Hermann. Beisitzer8 der katholischen Stände: Kurmainz: Domherr Philipp von Koppenstein, Peter Echter von Mespelbrunn, Simon Bagen; Kurtrier: Philipp von Reifenberg; Kurköln: Dr. Franz Burkhard; Österreich: Erbtruchsess Wilhelm von Waldburg; Salzburg: Propst Wolfgang von Berchtesgaden, Kanzler Dr. Sebastian Höflinger, Dr. Johann Chrysostomus Höchstetter; Bayern: Frh. [Ottheinrich] von Schwarzenberg. Beisitzer der CA-Stände: Kurpfalz: Dr. Johann Faber, Hektor Hegner; Kursachsen: Erasmus von Könneritz auf Lobschwitz, Dr. Franz Kram; Kurbrandenburg: Dr. Christoph von der Strass; Hessen: [Friedrich] von der Tann).

/64 f./ Einnahme der Sessionb. /64’/ Mainzer Kanzler proponiert9 : Im Anschluss an den RAb 1555 und die Proposition des Kgs. bei diesem RT hat man beschlossen, den Religionsausschuss einzurichten und dort die Verhandlungen heute aufzunehmen. Zunächst ist zu erwegen, wes und wie die sachen weiter furzunemen.

Umfrage. Kurtrier: Erwarten zwar noch weitere Verordnetec  des Kf. für die Religionsberatungen, sind aber dennoch zur Aufnahme der Verhandlungen bereit.

/65/ Kurköln: Wie Kurtrier.

Kurpfalz: Sind ebenfalls zur Verhandlungsaufnahme bereit.

Kursachsen: Ebenso. Da dan andere vor inen von den sachen reden wolten, weren sie auch gefast.

Kurbrandenburg: Ir her hette den articul der religion bewogen /65’/ und vor ein unmoglich ding geacht, das der articul haubtseglich10 alhie abzuhandlen. Derwegen sein kfl. Gn. kein theologen geschickt, auß ursachen, d–das der punct groß, und dan der turck nit wellen anstandt mit konig machen, also das nit lang zu reichstagen sein wöll. Derhalb wolten sie mit helffen reden de modo der vergleichung und nit haubtsachlichen–d.

Kurmainz: /65’ f./ Erwarten speziell zur Religionsfrage noch weitere Gesandte11 , deren Abordnung bisher aus Kostengründen unterblieben ist, nachdem Mainz auf dem RT 1555 seine Theologen lange Zeit vergebens mit hohen Kosten unterhalten hat. Sind dennoch zur Verhandlungsaufnahme bereit.

/66/ Österreich: [...] Wolten nichst liebers, dan des yetzo alsobaldt mochte furgangen und die sachen gefurdert werden. Darin sie sich der gepur irer befelch wellen vernemen lassen.

Bayern: Wie Ostereich.

Salzburg: Bereitschaft zur Aufnahme der Verhandlungen12.

Pfalz-Zweibrücken: Ebenso.

/66’/ Augsburg: Ebenso. Kann sein Votum sofort abgeben.

Brandenburg-Ansbach: Wird votieren, wenn andere dies tun.

Württemberg: Ir her hette nit gewist, das er verordnet werden solle. Derwegen sie mit anderen personene nit versehen; versehen sich aber in kurtzem auf ir schreiben nachordnung und wellen in mittelst den sachen beiwonen.

Hessen: Hetten die verordnung irem hern zu wissen gethan, das sein f. Gn. benampt. Wen aber ir her schicken werden, wurde die zeit geben. Sie hetten aber hievor /67/ one das befelch, wofer man theologen bedurfftig, darumb zuschreiben. Aber in mittelst wellen sich einlassen, wes sie in befelch.

Prälaten: Seine hern hetten ein theologen alhero verordnet, aber were aus ehhafften verhindert und zeruck mussen ziehen13. Hette aber für sein person14 befelch. Erpeut sich zur handlung.

Wetterauer Gff.: Verhandlungsbereitschaft.

Kurmainz: Haben die Erklärungen vernommen. Da es schon spät ist, wird der Ausschuss bis Freitag vertagtf . Bis dahin Fortsetzung der Verhandlungen in den Kurieng.

/67’/ Vermerk: Der anwesende Gesandte der Stadt Straßburg votiert gemäß vorausgehender Vereinbarung nicht, da noch keine katholische Stadt am RT und damit im Ausschuss vertreten ist.

Fazit: In heutiger beratschlagung und zum anfang der sachen ist man weiter nit komen, dan das zu allen thailen die rethe und gesandten sich erclert haben, zur beratschlagung gefast zu sein mit befelchen, und sich darzu erpotten etc.

Anmerkungen

1
  Kurmainz A spricht hier und im gesamten Protokoll von Pfgf. Wolfgang von Veldentz.
2
 Vgl. zur Ausschussbesetzung die Kurienprotokolle [Nrr. 3336, 38, 39 (KR); Nrr. 138, 140145 (FR); Nrr. 240243, 246, 247 (SR)], wo neben der Anzahl der Deputieren des FR insbesondere die problematische Vertretung des SR im Vordergrund stand, da noch keine katholische Stadt am RT präsent war. Vgl. auch unten, Anm. 6, sowie die diesbezügliche Regelung in Nr. 452 (Verordnung des Religionsausschusses). Die konkrete Ausschussbesetzung für FR wurde in den Religionsräten festgelegt [Nr. 362, Nr. 392].
a
 Dezember 9, Rathaus] Kursachsen A (fol. 384) differenzierter: Vormittag, 8 Uhr. Österreich C (fol. 301): Zusammenkunft in der kfl. Ratsstube.
3
 Die folgenden Angaben zur personellen Besetzung beruhen auf einer Liste (Hd. Bagen; auch bei Bundschuh, Religionsgespräch, 174; Decot, Reichstage, 134, Anm. 86), die Kurmainz A auf fol. 63’ vorangestellt ist. Sie beachtet aufgrund der Unterteilung in katholische und protestantische Stände die Sessionsfolge nicht. Entsprechende Liste auch in Kursachsen A, fol. 384’ (danach bei Pollet, Correspondance V/2, 225 f.), dort gemäß der Sessionsfolge: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Österreich, Bayern, Salzburg, Pfalz-Zweibrücken, Augsburg, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Hessen, Prälaten, Gff., Städte Straßburg und Schwäbisch Gmünd. Vgl. zur Besetzung auch Slenczka, Schisma, 46.
4
 Bei Wolf, Geschichte, 43, Anm. 3, falsch als „Johannes Entzschingen“.
5
 Kardinal Otto von Augsburg nahm nicht persönlich am Ausschuss teil. Vgl. dagegen Riess, Canisius, 191 f.; Siebert, Kaiser, 163 f.
6
 Der Gesandte Schwäbisch Gmünds nahm erst ab 16. 12. am Ausschuss teil (Kurmainz A, fol. 85 f. [Nr. 322]). Da bis dahin keine katholische Reichsstadt am RT präsent war, wirkte Straßburg für die CA-Stände vorerst ohne Stimmrecht mit, um die Parität zu gewährleisten. Zur Regelung vgl. auch Nr. 452, fol. 135f.
7
 Die Teilnahme Eislingers entsprach einer verspäteten Weisung Hg. Christophs (Kirchheim, 10. 12. 1556; präs. 15. 12.), in der er eben dies anordnete, während Severin von Massenbach am FR mitwirken sollte ( Ernst IV, Nr. 185 S. 221, Anm. 2). Allerdings gingen beide Verordnete im Bericht vom 5. 12. davon aus, der Hg. werde für den Religionsausschuss einen weiteren Deputierten schicken (ebd., Nr. 188 S. 223 f.). Zuvor hatte der hgl. Oberrat empfohlen, Frh. Albrecht Arbogast von Hewen für den Religionsausschuss abzuordnen. Der Hg. verwarf dies: Hewen habe keine Erfahrung und werde /143/ der ding zu ungemuet sein; dann unsers erachtens so wurdt man ainander waidlich durch die roll laufen lassen. Stattdessen dachte der Hg. an Ludwig von Frauenberg (an den Oberrat; Urach, 17. 9. 1556: HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 143, 144’. Or.; präs. 17.9.).
8
 Die Mainzer Liste (Anm. 3) nennt für Augsburg, die Prälaten, Pfalz-Zweibrücken, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Wetterauer Gff. und die Stadt Straßburg jeweils nur den Hauptdelegierten.
b
 Einnahme der Session] Österreich C (fol. 301) zusätzlich vor dem Folgenden: Noch zuvor ist difficultet furgefallen unnd frag gehallten worden: Nemlich weill dises ain sonndere form aineß gmainen ausschuß, vom passauischen vertrag herruerenndt, unnd den anndern gewondlichen, deß Hailligen Reichs ausschussen nicht gemeß, sonnder allain von beeder seitts religionen unnd nit von den penckhen, wie sonnst im furstenrath sonderlich preuchig, genommen unnd ver- /301’/ ordnet worden wer, ob die vom furstenrath hierauff sich nach den religionen von ainander sonndern unnd zusamen thuen, auch allso alternatim gefragt sein, oder aber ain jeder sein session und stimung, wie sonnsten inn gemainen Reichß räthen unnd versamblungen etc. herkhomen, [halten] wollte. Auff wellicheß nach gehalltnen underreden verglichen worden, dz die session unnd anfrag [!], wie sonnst inn räthen preuchig, zuhallten sein sollte, unangesehen dz von ainem thaill religion ettwa mer gleich auffainander volgen würden etc. Württemberg (unfol.) zusätzlich: Die geistlichen FR-Stände beantragen, das man ein lanngen tüsch, wie in andern usschüssen gepreuchig, inn den rath deß usschuß verordnen woltte, damit man die sachen mit einander desto vertreulicher, neher und von beßers uffzeichnens wegen verfaßen möcht. Die kfl. Gesandten lehnen dies ab, weil diser usschuß denn andern ungleich unnd die sachenn wichtig, also das die sessiones der deputierten nit zuverlaßen. Derhalben dieselbigen der gepür nach gehalten werden soltten. Mit dem anhang, da etwan einer uß denn deputierten was zuverzeichnen oder uffzumercken, demselbigen frey sein soltte, von seiner session uffzustehn unnd an dem tüsch daßelbige uffzuschreiben etc.
9
 Zur Geschäftsordnung vgl. einen Vermerk in Kursachsen A, fol. 384’: Im Ausschuss trägt wie auch sonsten der Mainzer Kanzler stets die Proposition vor. In der ersten Sitzung leitet er danach die Umfrage bis zum Votum Kursachsens, welches sodann die folgenden Voten kolligiert. In der zweiten Sitzung dagegen leitet nach der Proposition Kursachsen die Umfrage, jedoch nur bis zum eigenen Votum, das ebenso wie die folgenden Stimmen Kurmainz einnimmt.
c
 weitere Verordnete] Kurpfalz B (fol. 2), Österreich C (fol. 302) differenzierter: Theologen des Kf.
10
 = die Einzelheiten der Religionsvergleichung mit den theologischen Streitpunkten.
d–
 das ... haubtsachlichen] Österreich C (fol. 303 f.) differenzierter: dass dieser wichtige Punkt nicht übereilt werden darf. Zum anderen ist auch nach Aussage des Kgs. für das nächste Jahr ein Kriegszug des Sultans nach Ungarn zu erwarten, /303’/ allso dz nichts gewüssers, allß dz man laider mit im wurde vil zuthun gewinnen. Darumben wurde es sich nit lang reichßtagen lassen, sonnder deßmallen allain de via et modo von dem weeg der vergleichung der religion gehanndlt werden müessen.
11
 Matthias und Bagen hatten die Abordnung von Theologen bereits im Bericht vom 26. 9. 1556 angemahnt (HHStA Wien, MEA RTA 44a/I, fol. 147–149’, hier 148’ f. Konz. Hd. Bagen). Hatte sich deren Anreise wegen der Verhandlungsverzögerungen zunächst erübrigt, so wiederholten sie im Bericht vom 22. 11. 1556 ihre Bitte (ebd., MEA RTA 43/II, fol. 7–10’, hier 8 f. Or.; präs. Mainz, 29. 11.). Drängender gestaltete sich die Abordnung im Bericht vom 23. 11. (ebd., fol. 11–15’, hier 12 f. Or.; präs. Mainz, 29. 11.) wegen der Einrichtung des Religionsausschusses. Sie baten den Kf., er möge die Theologen /12/ one einichen verzugk weg fertig machen, zu dem eillendisten alhie zuerscheinen, auch mit befelch nottwenndig zum handell versehen. Kf. Daniel sagte daraufhin am 29. 11. 1556 (Mainz) zu, die Theologen unverzüglich zu schicken. Bis dahin sollten die Gesandten am Ausschuss teilnehmen und sich dort an Trier und Köln orientieren, keinesfalls aber für ein Kolloquium votieren (ebd., MEA RTA 44a/I, fol. 244–249’, hier 244’–245’, 248. Or.; präs. 7. 12. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 173; 302, Anm. 100). Zum Fortgang der Debatte vgl. Anm.11 bei Nr. 329.
12
  Ebf. Michael von Salzburg hatte am 8. 12. 1556 die Gesandten seiner Suffraganbff. einberufen, um ihre Stellungnahme zu einem auf der Provinzialsynode im Januar 1556 vorgelegten Konzept bezüglich der Wege zum Religionsvergleich anzuhören. Die Gesandten Freisings, Regensburgs und Passaus reagierten ausweichend oder aufschiebend (Bericht P. Probst an Bf. Wolfgang von Passau vom 9. 12. 1556: HStA München, Passauer Blechkastenarchiv 4 Nr. 43 [neu 20], unfol. Or.; präs. o. O., 12. 12.). Am 20. 12. berichteten die Passauer Delegierten, der Ebf. habe die Gesandten der Suffraganbff. erneut um Stellungnahme zur Frage gebeten, mit welchen Bedingungen man ein Kolloquium bewilligen könne. Die Passauer Gesandten kamen mit Freising und Regensburg überein, sich ohne Empfehlung vorerst Salzburg anzuschließen (ebd., unfol. Or.; präs. o. O., 22. 12.).
e
 anderen personen] Kurpfalz B (fol. 4) eindeutig: mit Theologen.
13
 Weder die sehr dünne RT-Korrespondenz für 1556/57 in HStA Stuttgart, B 515 Bd. 85, noch die bei Günter, Blarer, edierten Briefe geben zu erkennen, welcher Theologe anreisen sollte.
14
  Dr. Christoph von Hausen, der erst am Vortag in Regensburg angekommen war (Bericht Hausen vom 9. 12. 1556: HStA Stuttgart, B 515 Bd. 85, fol. 149. Or.).
f
 vertagt] Österreich C (fol. 304) zusätzlich: Gleichwol haben die österreichischen auch erregt, dz guett wer, die stund der zusamenkhunfften ettwz fruer anzustellen bey diser /304’/ khurtzen taglenng etc., mit ausfuerung der ursachen. Es hatt aber solcheß bei den churfurstischen auff dz mal nicht hafften wellen.
g
 Kurien] Kurpfalz B (fol. 4’ f.) und Kursachsen A (fol. 387’ f.) zusätzlich: 2. Umfrage. Billigung der Vertagung bis Freitag, 8 Uhr. Nur Kursachsen und Österreich wünschen die Fortsetzung der Verhandlungen im Ausschuss noch am Nachmittag dieses Tages.