Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Bitte um rechtzeitige Hilfeleistung der Reichsstände.

Im RR übergeben am 15. 2. 15571. Von den Reichsständen kopiert am 16. 2.

HStA München, KÄA 3177, fol. 408–410’ (Kop. Überschr.: Der nider osterreichischen lande gesandten abermals den stenden des Reichs ubergebne schrifft der thurckhenhilff halber. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 16. Februarii 1557.) = Textvorlage. HHStA Wien, RK RTA 40, unfol. (Kop. Aufschr.: Lectum Ratisponae, den 16. Februarii anno 57.) = [B]. HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 396–397’ (Kop.) = [C]. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 50, fol. 390–392’ (Kop.). HStA Dresden, Loc. 10193/2, fol. 21–22’ (Kop.). HStA Düsseldorf, JB II 2297, fol. 82–84’ (Kop.).

/409–410’/ Sie, die Gesandten, wollen die Reichsstände nicht nochmals behelligen, sie können aber wegen des vor Augen stehenden Untergangs nicht nur Ungarns und der anderen kgl. Lande, sondern auch des Reichs, ja der gesamten Christenheit nicht unterlassen, den rechtzeitigen Einsatz der Hilfe anzumahnen. Der Erbfeind strebt ohne Unterlass danach, die christlichen Königreiche in seine tyrannische Knechtschaft zu zwingen, um anschließend das Reich und die Christenheit angreifen zu können. Er lässt sich weder von Frost noch Hitze abhalten: Hat in der vergangenen Weihnachtszeit in Kroatien trotz der größten Kälte und sehr tiefen Schnees viele Christen gefangen genommen, Vieh geraubt und gebrandschatzt. Hat in Fünfkirchen zahlreiche Schlitten ausgerüstet, um damit in die Steiermark einzufallen. Lediglich einsetzendes Tauwetter und davon herrührende Überschwemmungen haben dies sowie geplante Überfälle auf die Schütt-Insel verhindert. Diese Umtriebe im Winter lassen für das Frühjahr und den Sommer das Schlimmste befürchten, besonders wenn der Sultan persönlich einen Kriegszug anführt.
Ein weiterer Verzug der Hilfe seitens der Reichsstände ist deshalb nicht tragbar. Sie, die Gesandten, erwarten, dass die Reichsstände die inneren Konflikte im Reich beilegen, alle ihre Kräfte in christlicher Eintracht allein gegen den Feind der gesamten Christenheit einsetzen und den bedrängten christlichen Landen rechtzeitig mit einer beharrlichen Hilfe beistehen. Gott wird dies hundertfach belohnen.

Unterzeichnet von den Gesandten der fünf niederösterreichischen Lande.

Anmerkungen

1
  Kurmainz, pag. 759 [Nr. 87]. Die neuerliche Anmahnung wurde am 14. 2. 1557 von Ferdinand I. bei den niederösterreichischen Gesandten initiiert, die sie daraufhin entwarfen und dem Kg. am 15. 2. zur Billigung vorlegten. In Verbindung damit baten sie ihn nochmals (vgl. auch Anm.1 bei Nr. 486) schriftlich darum, den Religionsvergleich intensiv anzustreben. Ferdinand versicherte, er habe bisher diesen Artikel und alles, was /201’/ zu gueter vergleichung, frid, rue und ainigkhait dienstlich, treulich befurderet, gleichesfals den articl der turggen hilf. Wellen auch nach alles daran setzen. Was aber die freistellung anlangt: Sey ier Mt. glaublich erinderet, dz wier gesandten dahin ad partem handlen sollen, dz sy, die stend, mit bewilligung der turggen hilf inen halten und ier Mt. zu der freistellung dringen sollen. Dem ier Mt. doch nicht glauben geben. Wo im aber daruber also, wär es nicht wol gehandlet und der sachen mer hindersam dan furdersam, dan was an ainem orte guet gemacht, an dem andern wider verderbt wurde. Begeren derhalben gnädig und ernstlich, dz wier uns des hinfuran gäntzlichen enthalten sollen. Er habe sich gegenüber den CA-Ständen zur Freistellung bereits erklärt und getan, was er /202/ thuen haben mugen, und anderst zuthuen nicht geburen wölt. Die Gesandten wiesen das Gerücht strikt zurück und erklärten, dz solches nicht beschechen, und wo der religion zured worden, haben wier nit mer getan, /202’/ dan hertzlichen gewunschet, dz Got die zu gotseliger vergleichung wolte khumen laßen; mit dem anhang und pit, dz sie [kgl. Mt.] uns als iere mitglider ain weg als den andern nit verlaßen wellen, dan der turgg seche khain religion an. Sol man daruber die hilf verziechen, wurde ainer mit dem andern hingeen. Wier wolten auch nichts gern handlen, dz ier Mt. misfellig und den landen schedlich wär; solt auch nach nicht beschechen. Bitten, die Urheber des Gerüchts namhaft zu machen, um sich rechtfertigen zu können. Der Kg. erklärte daraufhin persönlich, dz ir Mt. des glaublichen und von mer orten erindert sein, dz es beschechen sein sol, wo nicht samentlich, doch ad partem. Und wellen uns nicht verhalten, dz ier Mt. als der ksl. Mt. stathalter und röm. khunig /203/ nun in die 36 jar in regierung und bei den handlungen seien, derwegen ier Mt. mer um die sachen wißen als wier alle. Und haben ier Mt. die sachen aufs vleißigist und treulichist gehandlt. Derwegen ier Mt. wol so billich und mer zuvertrauen als andern. Man mues im nicht dz hallmel [Hälmchen] durch den mund ziechen laßen [= schmeicheln, lobhudeln: Grimm X, 241], dan man mues mit ainem handlen, dz man den andern nit fur den kopf schlag etc. In den reden hat der vice cantzler vermeldet: „Gnst. khunig, die hern haben sich entschuldiget.“ Ier Mt. weiter vermeldet, die land und wier sollen wißen und uns des entlich versechen, dz ier Mt. alles, so zue cristlicher gueter vergleichung in der religion, auch zu frid, rue und ainigkhait und zu erlangung der türggen hilf imer dienstlich, mit dem getreuisten befurderen und an aller mue und vleis nichts hinderen laßen wellen (Protokoll der niederösterreichischen Gesandten: SBB PK Berlin, Ms. germ. quart. 1196, hier fol. 201–203). Im Anschluss an den Auftritt im RR übergaben die Gesandten dem Kg. noch am 15. 2. die Anmahnung zusammen mit einer schriftlichen Eingabe, in der sie die Bemühungen des Kgs. um den Erhalt der unabdingbaren Reichshilfe gegen die Türken bestätigten, aber die Befürchtung äußerten, es sei /209’/ wenig fruchtparlicher und furderlicher ausrichtung behäriger hilff zuverhoffen, alle weill die haillig religion und di freistellung steckhen. Da die türkische Bedrohung jedoch den Einsatz aller Kräfte erfordere, baten sie Ferdinand nochmals, er möge es /210/ an den der augspurgischen confession anhengigen chur- und fursten und stände underthänig gepettnen punctten allergnst. nit erwinden oder derwegen di handlungen aufftziehen /210’/ und euer kgl. Mt. sambt deren geliebten hochloblichen kgl. khindern und cristlichen khungreich und lande in sollich eusserste nott und verderben khomen lassen, sonder aller gnedigist und vätterlich christenlich weg bedenckhen und furnemen, dz die hochschedlich spaltung der religion zu gottselliger vergleichung Gottes wortt gemäß cristlichen gepracht werde (ebd., hier fol. 208’–209’. Eine Reaktion des Kgs. ist nicht protokolliert).