Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Aufnahme des Geistlichen Vorbehalts in den Religionsfrieden mit Vorwissen und Bewilligung der Stände beider Religionsparteien. Konfirmation des RAb 1555 mit dem inserierten Religionsfrieden in allen Artikeln durch die CA-Stände. Beharren auf der Freistellung stellt den gesamten Religionsfrieden infrage.

Den CA-Ständen übergeben am 5. 2. 15571. Kopiert am 6. 2.2

HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 387–389’, 394–394’ (Kop. Dorsv.: Der kgl. Mt. uf der stenndt, der augspurgischen confession verwant, underthenigst suplicieren resolution, belanngendt der gaistlichen freistellung unnd vorbehallt, so dem religion friden zugesetzt etc. Praesentata denn 5. Februarii anno 57.) = Textvorlage. HStA München, K. blau 107/2b, unfol. (Kop. Dorsv.: Röm. kgl. Mt. anntwurt uff der augspurgischen confession verwannten stennd unnderthenigs ersuechen, von wegen der gaistlichen freystellung gegebenn. Den augspurgischen confessionns verwanndten stennden freitags, den 5. Februarii anno 57, von irer Mt. ubergeben.) = B. HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 88–91’ (Kop.) = C. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 50, fol. 300–305’ (Kop.). HStA Weimar, Reg. E Nr. 181, fol. 18–22 (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. C, fol. 98–101 (Kop.). Druck: Erstenberger, Autonomia, 23’–25’; Lünig, Reichsarchiv, Partis generalis continuatio [1], [2. Teil], [1. Fortsetzung], 6 f.; Goldast, Reichssatzung I, 289 f.; Moser, Staatsrecht XII, 195–198. Teildruck: Lampadius, Deduction, 89–91. Referiert bei Häberlin  III, 155 f.; Wolf, Geschichte, 50; Janssen, Zustände, 65 f.; Westphal, Kampf, 63; Laubach, Ferdinand I., 191 f. Auszüge: Gotthard, Religionsfrieden, 358.

/387/ Kg. hat die Supplikation der CA-Stände von wegen deß punctens der gaistlichen vorbehallt oder freistellung, dem uf jungstem zu Augspurg gehalltnem reichstag beschlossnen, ufgerichten unnd verabschiedten religion frid einverleibt, vernommen.

/387 f./ Er erinnert dazu an seine Erklärung an die Stände auf dem derzeitigen RT, er wolle diesen Punkt bis zu seiner eigenen sowie der Ankunft der Kff. und weiterer Ff. in Regensburg /387’/ in bedenncken nemen unnd einstellen3. Unnd demnach die stennd unnd der abwesennden räth unnd potschafften gnediglich vermanen lassen, mit berattschlagung unnd vergleichung der proponierten puncten ein solche gutte vorberaittung zumachen, damit ir kgl. Mt., auch churfursten unnd fursten zu irer personlichen ankunfft umb sovil desto eher schliessen möchten.

Solchem irem erbietten hetten auch ir kgl. Mt. etc. gnediglich gern nachgesetzt unnd ir bedenncken vielberuerts puncten halben eröffnet, wa die churfursten unnd fursten aigner personen erschinen weren. Wie dann ir kgl. Mt. bißheer allweg sonnderlich wolgenaigt gewesen, allen mißverstanndt uffheben unnd rechtes, wares vertrauen, frid, rhue unnd ainigkait zupflanntzen unnd zuerhalten, unnd sollchs gnediglichen, vätterlichen willen unnd gemuets noch sein etc.

Da die CA-Stände jetzt aber dennoch bitten, die Supplikation bevorzugt und ihrer Forderung entsprechend zu beantworten, erklärt der Kg.: /388/ Das sich ir kgl. Mt. gnediglich wol zuberichten haben, was lanngwiriger stritt sich mergedachts vorbehallts halben hievor uf jungstem reichstag zu Augspurg zwischen denn stennden unnser allten christlichen religion unnd den stennden der augspurgischen confession zugetragen, unnd alls sie sich deß in denn räthen mit ainannder nit vergleichen mögen, das sie solches puncten halb ir kgl. Mt. gespalltne mainung furbracht4. Daruf auch ir kgl. Mt. in irer schrifftlichen anntworta erklert5, das solcher der gaistlichen vorbehallt inen mit fueg nit künden verwidert werden, sonnder soll inen dem rechten unnd deß Hailigen Reichs ordnungen, constitutionen unnd sonnderlich dem passauischen abschiedt unnd aller billichait nach guttwillig zugelassen unnd dem religion friden einverleibt werden; mit anregung ettlicher stattlichen ursachen unnd gnediger vermanung, das der augspurgischen confession verwanndte stennde mit irer verwiderung die sachen nit lenger streitten noch auffhallten wollten. Unnd wiewol dargegen von inen auch ettliche ursachen angezogen, derhalb sie vermaint, das solcher vorbehallt dem religionfriden nit inseriert, sonnder unnderlassen solte werden6, so ist doch die sach letstlich dahin gelanngt, das ir kgl. Mt. etc. mit guttem vorwissen unnd willen beederthail religion stenndt unnd der abwesennden retthen unnd pottschafften sollchs vorbehallts oder freistellung halb der gaistlichen /388’/ denn obberuerten, dem religion friden einverleibten articul, anfahenndt: „Nachdem bei vergleichung dises fridts stritt furgefallen etc.“7, wie derselb merers inhalltz außweisst, begreiffen, stellen unnd dem abschiedt wie anndere verglichne unnd beschlossne articul einleiben haben laßenn.

Welches alles der augspurgischen confession verwanndten stennde unnd ire räth unnd pottschafften damaln nit allein fernner nit widerfochten, sonnder irer kgl. Mt. irer gehabten vätterlichen treuwen bemuehung unnd arbait halb unnderthenigen unnd vil merern unnd vleißigen dannckh gesagt, weder von wegen der stennde unnserer allten religion geschehenn8. Unnd zu dem allem haben sie so wol alls die stendt der allten religion unnd derselben räthe unnd pottschafften zu ende deß bemelten augspurgischen jungsten reichstags abschiedt bekennet, das alle unnd jede in demselben abschiedt obbeschribner puncten unnd articuln, allso wie obsteet, mit irem guttenn willen, wissen unnd rath furgenommen unnd beschlossen seien unnd das sie dieselben auch alle sambt unnd sonnderlich bewilligen, gereden unnd versprechen, auch in gutten, waren treuwen die, sovil einen jeden, sein herrschafft oder freunden, von denen er geschickt oder gewallt habenndt ist, betrifft /389/ oder betreffen mag, war, stett, vest, auffrichtig unnd unverbrüchlich zuhallten, zuvolntziehen unnd dem nach allem irem vermögen nachzukommen unnd zugeleben, sonnder geverde9.

Dieweil nun dem allem allso, unnd sich auch wol gezimmen unnd geburen will, das der zu Augspurg uf jungstem reichstag nach sovil unnd lanngwirigen strittigkaiten unnd gepflegnen muehsamen hanndlungen beschlossen unnd verabschidet religion frid lautt gedachts abschiedts in allen seinen puncten unnd articuln sambt unnd sonnderlich vest und unverbruchlich gehallten werde, sovil der einen jeden betrifft oder betreffen mag, so gesinnen unnd vermanen ir kgl. Mt. etc. der dreier welttlichen churfursten, auch der fursten unnd stenndt, der augspurgischen confession anhengig, reth unnd pottschafften, das sie von irer hernb unnd obern wegen ires suchens unnd bittens deß merberuerten vorbehallts oder freistellung der gaistlichen guttwillig abstehn unnd die sachen so wol solches vorbehallts alls aller annderer damaln beschlossner unnd verabschidter articul halben bei dem abschiedt unnd damaln gethoner unnd dem abschiedt einverleibter, hochberuerterc zusag pleiben lassen wellenn. Daran werden sie nit allein gegen Gott unnd der weltt /389’/ die billichait hanndlen, sonnder auch irn herrnn unnd obern annemigs gefallen thun, welche uf gnugsame erinnerung verloffner sachen unnd hanndlungen one zweifel daran ganntz wol zufriden sein werden. So wellen es ir kgl. Mt. etc. auch gegen ir kfl. unnd f. Gn. unnd Gnaden in aller freundtschafft unnd gnaden zuerkennen wolgenaigt sein.

Sollten sie aber uber diß irer kgl. Mt. etc. treues, vätterlichs unnd gnedigs vermanen solcher irer suchung nit absteen wellen, so haben sie unnd irer kfl. unnd f. Gnn., Gnaden unnd Gunsten verordnette reth unnd abgesanndten vernunfftiglich wol zuermessen, obd nit dardurch denne anndern thail ursach gegeben wurde, zugedennckhen, alls ob ir kfl. unnd f. Gnn., Gnaden unnd Gunsten durch solchen weg denn ganntzen religion friden widerumb in zerruettung unnd die sachen in vorige weittleuffigkait zurichten und zubringen vorhabenns weren; nochmaln ganntz gnediglich gesinnen unnd begertenf, die reth unnd gesannten wellen dise sach der notturfft nach behertzigen unnd derhalben die zeit ferner nit vergebennlich verzeren, sonnder die nottwenndigen proponierten articul zu furderlicher erledigung unnd vergleichung /394/ bringen unnd furdern helffen.

Schlussformel.

Anmerkungen

1
  Kurpfalz C, fol. 184’ f. [Nr. 374]. Vgl. zur verzögerten Beantwortung der am 22. 12. 1556 übergebenen Supplikation die Anmahnung der CA-Stände vom 23. 1. 1557 [Nr. 372]. Laut Schreiben Ferdinands I. an Kg. Maximilian von Böhmen vom 31. 12. 1556 lag obige Antwort bereits zu diesem Datum konzipiert vor: Überschickt die Supplikation der CA-Stände um Freistellung [Nr. 503] in Abschrift zur Information des Kgs.  Darauf wir inen widerumb geantwort, wie die abschrifft hieneben mit B außweist (HHStA Wien, RK RTA 38, fol. 192–193’, hier 192. Or.). Die Übergabe der Antwort an die CA-Stände erfolgte demnach gezielt verspätet.
2
 So Vermerke und Aufschrr. der Kopp. u.a. in HStA München, KÄA 3178, fol. 1–4’; HASt Köln, K+R 122, fol. 78–81’; StadtA Augsburg, RTA 15, unfol.
3
 Erklärung des Kgs. an seine RT-Kommissare vom 22. 10. 1556 zur Antwort der Reichsstände auf die Proposition und zur Verhandlungsaufnahme [Nr. 448, hier fol. 85’ f.].
4
 Geteiltes Bedenken zum Geistlichen Vorbehalt in der Ständeresolution vom 21. 6. 1555 (Entwurf des Religionsfriedens: Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 195, hier S. 1939–1941, Art. [3]) sowie Eingabe der CA-Stände an den Kg. mit den Änderungswünschen zum Entwurf des Religionsfriedens (ebd., Nr. 196 S. 1946–1952).
a
 anntwort] In B, C: wider anntwurt.
5
 Erste Resolution des Kgs. vom 30. 8. 1555 zum Entwurf des Religionsfriedens: Ebd., Nr. 213, hier S. 2030–2033, Art. [E].
6
 Bedenken der CA-Stände zum Geistlichen Vorbehalt in der Ständeresolution vom 6. 9. 1555 als Replik zum Entwurf des Religionsfriedens: Ebd., Nr. 221, hier S. 2073–2076.
7
 Eigenmächtige Setzung des Geistlichen Vorbehalts aufgrund ksl. Vollmacht und kgl. Amtsbefugnis, da keine Einigung mit den CA-Ständen möglich war, zunächst in der kgl. Resolution vom 8./9. 9. 1555 (ebd., Nr. 223, hier S. 2106 f., Art. [6]); ergänzt in der Schlussrelation des Kgs. vom 21. 9. 1555 über den Religionsfrieden (ebd., Nr. 229, hier S. 2125 f., Art. [6]). Übernahme dieser Regelung in den Religionsfrieden (Art. 6) im RAb 1555, § 18 (ebd., Nr. 390, hier S. 3109 f.). Gute Zusammenfassung der entscheidenden Schlussverhandlungen des Kgs. mit den CA-Ständen bis 21. 9. 1555 im Brandenburg-Küstriner Protokoll (ebd., Nr. 222 S. 2080–2104) sowie im Hornung-Protokoll: Lutz/Kohler, Reichstagsprotokoll, 118–131, 142–149. Vgl. auch Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Einleitung, 84–87; Wolf, Religionsfriede, 153–168; Lutz, Christianitas, 427–432; Laubach, Ferdinand I., 118- 133; Gotthard, Religionsfrieden, 60–62, 143–155.
8
 Vgl. bes. die Schlussverhandlungen der CA-Stände mit dem Kg. am 20. 9. 1555: Bestätigung der Feststellung im Geistlichen Vorbehalt, dass dazu keine Vergleichung der CA-Stände mit den geistlichen Ständen möglich war [als Beleg für den Dissens der CA-Stände]. Zusage der Declaratio Ferdinandea durch den Kg. Die CA-Stände erreichen keine weiteren Zugeständnisse und belassen es bei diesen Regelungen, da andernfalls der gesamte Religionsfrieden scheitern würde. Haben irer Mt. fur gehabte gnedigste vleis und muhe gedanckt (Brandenburg-Küstriner Protokoll:  Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 222, hier S. 2103 f. [fol. 25’–26’, Zitat 26’]). Schlussverhandlungen (20. 9.) im Hornung-Protokoll: Lutz/Kohler, Reichstagsprotokoll, 143–149 (Danksagung: 143, 149).
9
 Konfirmationsklausel des RAb 1555 (§ 144): Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3149 f.
b
 hern] In B, C: herrschafften.
c
 hochberuerter] In B, C: hochbeteuerter.
d
 ob] Korr. nach B und C. In der Textvorlage verschrieben: unnd.
e
 denn] In B, C: dem.
f
 gesinnen unnd begerten] In B, C: gesinnend unnd begerennde.