Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Bedauern der geteilten Resolution beim 1. HA (Religionsvergleich) wegen des Streits um die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts. Auftrag an die Kommissare, die sofortige Fortsetzung der parallelen Beratung des 1. HA im Ausschuss und des 2. HA (Türkenhilfe) in den Kurien anzumahnen. Erklärung des Kgs. zur Freistellung nach seiner persönlichen Ankunft beim RT.

Den Reichsständen vorgebracht, im RR verlesen1 und von diesen kopiert am 26. 10. 1556.

HStA München, KÄA 3177, fol. 85–87’ (Kop. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 26. Octobris anno 56. Dorsv.: Röm. kgl. Mt. missiva und resolution auff der stennd erste schrifften yber die proposition. [Nr.] 8. Den stennden furgebracht den 26. Octobris anno 56.) = Textvorlage. HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 308–310’ (Konz. Hd. Kirchschlager. Dorsv.: Röm. kgl. Mt. resolution schreiben auf der Reichs stennde erste ubergebne anntwort per freistellung.) = B. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 47, fol. 339–344’ (Kop. Überschr.: Röm. kgl. Mt. resolution uff uberschickte der stend zweyerley bedenckenn. Aufschr.: Lectum 26. Octobris anno 56.) = C. HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 57–61’ (Kop.). HStA Dresden, Loc. 10192/5, fol. 110–113’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. C, fol. 29–32 (Kop.). Knapp referiert bei Wolf, Geschichte, 38; Laubach, Ferdinand I., 165.

/85/ An die RT-Kommissare. Kg. Ferdinand hat die Antwort der Reichsstände zur Proposition und ihre, der Kommissare, Replik erhalten2 . Er bedauert, das uber den zu Augspurg aufgerichten, betheurten religionfriden jetzo desselben innhallts unnd verennderung halben strittigkhait furgefallen unnd zwischen den stennden gespalltne, unnderschidliche bedennckhen enntstannden unnd furbracht worden, in betrachtung, das dieselben an beratschlagung unnd erledigung der hoch nottwenndigen haubtpuncten nit wenig verhinderlich seien.

Kg. billigt die Replik der Kommissare und erwartet, die CA-Stände werden inzwischen auf deren Ermahnung hin trotz ihres Bedenkens bewilligt haben, den religion articul vermög des passauischen vertrags in ainer annderna verordnung hanndlen zelassen unnd daneben mit beratschlagung der anndern proponierten /85’/ puncten, sonnderlich der hoch notwenndigen turckhenhilff halber, in den ordinari räthen furzuschreitten unnd dieselben one ainich lennger aufhallten unnd verziehen zu der erledigung zubefurdern, auch damit alberait numer im werckh sein; wie dann in warhait die offenbar eusserist notturfftb nit allain unnser khonigreich unnd lannde, sonnder auch gemainer christenhait, furnemlich aber des Hl. Reichs teutscher nation soliches hochlich erfordert.

Sollte dies nicht der Fall sein und die CA-Stände zunächst auf einer kgl. Erklärung zu ihrer Resolution beharren, sollen die Kommissare den Reichsständen im Auftrag des Kgs. vorbringen: Er, der Kg., bedauert, dass von wegen begerter verennderung in dem zu Augspurg aufgerichten religionfrid, belanngennd die freystellung, ein geteiltes Bedenken übergeben worden ist. Da er ebenso wie die Kff. und viele Ff. am 28. 11. persönlich nach Regensburg kommen wird, /86/ so wollten wir disen erregten puncten der freystellung halben bis auf dieselb unnser, auch der chur- unnd fursten gluckhliche personliche ankhunfft in ain bedennckhen nemen unnd einstellen3.

Damit aber mitler weil die zeit nit vergeblich verzert, sonnder durch sy, die anwesennden stende unnd der abwesenden räthe unnd potschafften, mit beratschlagung unnd vergleichung der proponierten articl ain soliche guete vorberaittung unnd richtigkhait gemacht werde, auf das zu unnserer unnd wolgedachter churfursten unnd fursten personlichen ankhunfft umb sovil dessto ehennder dem allmechtigen zu lob, auch gemainer christenhaitc und sonnderlich dem Hl. Reich teutscher nation zu nutz unnd wolfart fruchtbarlich geschlossen werden moge, so sollet ir gemaine stennde mit ausfuerung allerlay hierzu diennstlichen ursachen unnd persuasionen zum vleissigisten vermanen, das sy mitler weil mit beratschlagung unnd erledigung der in unnserer proposition inen furgetragnen puncten unnd articuln, wo die annderst bis zu ankhunfft diser unnserer resolution nit fur hanndt genomen, unverzogenlich unnd schleinig furgeen unnd khainen tag noch stundt darinnen verrer verfeyrt unnd sonnderlich den religion articul, wie oben vermelldet, durch ain sonndere verordnung nach ausweisung des passauischen vertrags unnd daneben die anndern proponierten articl, furnemlich der turckhenhilff halben, in ordenlichen räthen hanndlen und erledigen. Unnd in dem allen zu gemueth fuern /86’/ und bedenckhen wellen, das an jetz bemellten beeden haubt articuln der religion unnd turckhen hilff nit allain das zeitlich, sonnder zu vorderistd die glori unnd eher des allmechtigen unnd des christlichen volckhs seelen hail unnd seligkhait gelegen, darzue die vorsteennd turckhen not unnd geverlichait nit allain unns unnd unnsere betranngte khunigreich und lannde, sonnder auch gemaine christenhait, bevorab das Hl. Reich teutscher nation, unnser geliebts vatterlanndt, in gemain unnd jeden desselben stannd und glider in sonnderhait mit belanngen thuet. Derwegen inen dann die furderlich fruchtbare erledigung berurter beeder haubtpuncten so wol alls bemellten unnsern khonigreichen, lannden unnd leuthen vermittelst göttlicher genaden zu verhoffenlicher gueter sicherhait unnd ruhe geraichen wirdet. Darumb sy auch an schleiniger, unverlenngter fortsetzung angezaigter verrern beratschlagung billich nichts erwinden lassen sollen.

Daran werden sy dem allmechtigen ain angenembs werckh unnd der röm. ksl. Mt., unnserm lieben bruedern unnd herrn, auch unns sonnders wolgefallen beweisen, darzu des Hl. Reichs teutscher nation nutz und wolfart hochlich befurdern. Welichs wir auch neben irer Lieb unnd ksl. Mt. gegen iren herrn unnd obern, auch inen allen in freundschafft unnd genaden unvergesslich erkhennen und bedenckhen wellen. Wie ir dann soliches mit merern hierzu diennstlichen ursachen unnd persuasionen ermellten stenden und der abwesenden räthen und potschafften furzebringen /87/ unnd auszufuern werdet wissen. Unnd es beschicht daran unnser genediger will unnd mainung.

Wien, 22. 10. 1556. Unterzeichnet von Kg. Ferdinand, Vizekanzler Jonas und Sekretär Kirchschlager.

Adressiert an Gf. Georg von Helfenstein und Georg Illsung als kgl. Kommissare sowie die ihnen zugeordneten Räte Hg. Albrechts von Bayern.

Anmerkungen

1
  Kurmainz, pag. 211 [Nr. 28].
2
 Nrr. 424, 425.
a
 anndern] In B, C: sonndern.
b
 notturfft] In B, C: not.
3
 Dies entsprach einer Empfehlung der kgl. Kommissare im Bericht vom 13. 10. 1556: Kg. möge die Freistellung weder ablehnen noch dagegen argumentieren, sondern lediglich bis zur Ankunft zurückstellen. Daneben baten die Kommissare den Kg., seine Erklärung zwar an sie zu richten, jedoch in einer Form, die zur Vorlage vor den Reichsständen im Or. geeignet war (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 209–216’, hier 212. Or.). Das Vorgehen war zuvor in Geheimgesprächen von Zasius mit dem kursächsischen Gesandten F. Kram (Deckname „Nicodemus“) sondiert worden: Die Frage, wie man trotz der Freistellung eine weitere Verzögerung der Beratung zur Türkenhilfe umgehen könne, beantwortete Kram mit der Aufschubempfehlung: Dass die Freistellung von den katholischen Ständen /139’/ nicht strackhs unnd gantz zu rugkh verwaigert unnd abgeschlagen, sonnder diser gestallt biß auff euer kgl. Mt. hieherkhunfft eingestellt wurd: Dieweil euer kgl. Mt. dise sachen hievor inn aygner person zu Augspurg gehanndelt unnd abgehanndelt, darunndter auch allerlay disponiert, deß nicht mit außdrucklichem consensu deß ainen unnd deß annderen thaills zugangen, sonnder also ex plenitudine potestatis rom. regiae ervolgete, so khünnte auch ausser euer kgl. Mt. khuniglichen person gegenwürtt darundter nichts fürgenomben, vil weniger ettwas beschließlichs gehanndelt werden. In der Zwischenzeit könne man die Hauptverhandlungen aufnehmen. Allerdings erwartete Kram nur bedingte Beratungen ohne verbindliche Beschlussfassung, da die CA-Stände darauf beharren würden, dass der Geistliche Vorbehalt /140’/ ainmal gehanndlt unnd zu ennde abgehanndlt werden mueßt, unnd gleich jetzo auff gegenwürttigem reichsthag, oder ungeschafft wider von ainander gezogen unnd den lieben Gott wallten lassenn (Bericht von Helfenstein und Zasius an Ferdinand I. vom 27. 9. 1556: Ebd., fol. 137–142’, hier 139–140’. Or. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 153; Laubach, Ferdinand I., 161, 164).
c
 auch gemainer christenhait] In B Einfügung am Rand.
d
 vorderist] In B danach gestrichen: auch.