Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Stellungnahme zum Bericht der Visitationskommission 1556. Neubesetzung des RKG-Richteramtes. Besetzung vakanter Assessorenstellen. Prorogation der an den RT verwiesenen Gravamina, Berichte und Memorialia bezüglich RKG und RKGO an einen Reichsjustiztag als außerordentlicher DT ab 30. 5. 1557 in Speyer.

Im RR verlesen und gebilligt am 13. 3. 1557. Vizekanzler Jonas anstelle des Kgs. übergeben am 14. 3.1 Von den Reichsständen kopiert am 15. 3.

StA Würzburg, WRTA 36, fol. 372–374’ (Kop. Überschr.: Der Reichs stennd bedencken uber die acta jungst gehaltener camergerichts visitation. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 15. Marcii anno 57.) = Textvorlage. HStA München, K. blau 107/2b, unfol. (Kop. Überschr.: Gemeiner reichsstende bedencken uber die jungst gehalttne camergerichts visitation. Aufschr.: Lectum 15. Martii 1557.) = B. HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 321–323’ (Kop.) = C. HStA Weimar, Reg. E Nr. 233, fol. 43–46’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. C, fol. 1–3a’ (Kop.). HStA Stuttgart, A 262 Bü. 49, unfol. (Kop.).

/373 f./ Die Reichsstände haben die Akten der letzten RKG-Visitation, soweit sie dem RT vorgelegt worden sind, beraten.

Sie entnehmen dem Visitationsbericht an den Ks. 2 , dass der derzeitige RKG-Richter auf eigenen Wunsch hin von seinem Amt entbunden wird3 . Deshalb bitten die Reichsstände den Kg., er möge gemäß RKGO für sich und namens des Ks. einen neuen RKG-Richter berufen4 , um die Funktion des RKG zu gewährleisten.

Daneben zeigt der Visitationsbericht, dass Assessorenstellen vakant sind, da die abordnenden Stände dem nicht rechtzeitig nachkommen oder unqualifizierte Personen schicken. Auch wenn das Besetzungsrecht aufgrund ausbleibender Abordnungen an RKG-Richter und Assessoren übergeht, können diese vakante Stellen nicht besetzen5 . Deshalb befürworten die Reichsstände, dass /373’/ von dato ditzs Reichs tags abschieds die jhenigen stennde, deren stell yetzundt nit besetzt, inn zeit der ordnung6 vonn neuem zugelassen werde unnd macht haben sollen, als ob eß an cammerrichter unnd beisitzer noch nit devolvirt, zu presentiren. Unnd da abermals etliche stennde wie vor seumig sein wurden, daß widerumb innhalts der ordnung cammerrichter unnd beysitzer die erledigte unnd uff sie devolvierte stell7 besetzen sollen. Da aber solches auch nit beschehe unnd inn dem cammerrichter unnd beisitzer seumig weren unnd zu zeit der ordenlichen visitation alsa erledigte unnd devolvierte beysitzer stennde befunden wurden, so sollen die ksl. oder kgl. commissarien und der stennde visitatores macht haben, zu solcher beisitzer stennde anndere zu presentiren8. Inn welcher annemung cammerrichter unnd die beysitzer sich der letzten revidierten ordnung gemeß unnd wie herkommen zuverhalten9, also das durch solche wege die erledigte stelle mit tauglichen, qualificirten personnen ersetzt unnd bestelt werden mogen.

/373’ f./ Außerdem führt der Visitationsbericht aus, dass von Reichsständen und Privatpersonen Gravamina bezüglich des RKG übergeben worden sind, zu denen das RKG eine Stellungnahme an den RT gerichtet haben soll10 . Da Kurmainz diese Akten dem RT noch nicht überschickt hat11  und sie vor dessen Abschluss nicht mehr zu erwarten sind, kann das RKG die Stellungnahme der nachfolgend genannten Ständedeputation vorlegen.

Daneben erwähnt der Visitationsbericht ein Memoriale des RT 155512 . Da dessen Beratung ebenso wie jene der Gravamina und der Stellungnahme viel Zeit erfordert, die während des RT wegen der umfänglichen Verhandlungen zum Religionsvergleich (1. HA) und zur Türkenhilfe (2. HA) nicht zur Verfügung steht, und da die Visitationsakten den Reichsständen nicht vollständig vorliegen, /374/ aber dieses werck sich dermassen ansehen lasst, da nit zeitlich dartzu gethann unnd wollmeinennde /374’/ versehung geschehe, das der justicien dardurch ein grosser abbruch begegnen mocht, derwegen sich die ding inn die lenng unnd biß uff ein anndere Reichs versamlung nit einstellen lassen wollen, so bedencken die erscheinenden stennde, der abwesenden potschafftenn unnd gesannthen, daß auß den gemeinen stennden deß Reichs ein verordnung furtzunemen, dartzu auch die kgl. Mt. an stat der ksl. Mt. oder fur sich selbst ire commissarien geben wolt, die auff sontag Exaudi, den 30. Maii, schiersten zu Speier eintzukommenb und volgents berurtsc visitations hanndlung zuberathschlagen furnemen, auch darinn vonn wegen irer unnd annderer stennde mit der kgl. Mt. commissarien uber vilbemelte articul unnd puncten dieser visitation sich vergleichen; unnd waß durch sie also verglichen unnd verabschiedt, daß solte im Reich gehalten werden13.

Deputierte der Reichsstände für diese Verordnung: Gesandte der sechs Kff.; für die geistliche Bank des FR die Bff. von Speyer, Straßburg und Augsburg, für die weltliche Bank die Hgg. von Bayern, Jülich und Württemberg, für die Prälaten Weingarten, ein Verordneter der schwäbischen Gff. und Hh.; für die Reichsstädte Speyer und Nürnberg.

Schlussformel.

Anmerkungen

1
  Kurmainz, pag. 829 [Nrr. 104, 105] (Billigung und Übergabe).
2
 Bericht der Visitationskommission vom 21. 5. 1556 [Nr. 496].
3
 Der Bericht der Visitationskommission [Nr. 496, hier Punkt 7] besagt dies nicht, er erwartet jedoch den baldigen Rücktritt Bf. Johanns von Hoya zu Osnabrück vom Richteramt. Vorgänger des Bf. als ordentlicher Richter war von 1538 bis 1554 Gf. Wilhelm Werner von Zimmern ( ADB  XLV, 302–306). Anschließend versahen zunächst Frh. Johann Jakob von Königsegg, sodann seit Dezember 1555 Gf. Friedrich von Löwenstein das Amt als Verwalter ( Harpprecht VI, 94). Als neuer Richter wurde in Kooperation von Ks. und Kg. (vgl. Anm.10 bei Nr. 496) im April 1556 Bf. Johann von Osnabrück berufen (ebd., 99; Denaisius, Ius, 707). Er versah das Amt vom 30. 4. 1556 bis Juli 1557 ( Schröer, Kirche I, 78; zur Biografie des Bf. vgl. ebd., 74–102; Gatz, Bischöfe, 320 f.; dort irrtümlich als Präsident des RKG). Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die in der Ständeresolution konstatierte Aufgabe der Amtsgeschäfte bald nach der Visitation bereits im Sommer 1556 erfolgte, da der nachfolgende Amtsverwalter, neuerlich Gf. Friedrich von Löwenstein, in seiner Supplikation vom Januar 1557 feststellt, er versehe das Richteramt seit 7 Monaten für den abwesenden Bf. (Nr. 550; vgl. auch Harpprecht VI, 99). Als Nachfolger berief Kg. Ferdinand im Mai 1558 Bf. Michael Helding von Merseburg. Anschließend übernahm Gf. Friedrich von Löwenstein das Richteramt dauerhaft (29. 5. 1561. Vgl.  Denaisius, Ius, 707). Zur Abfolge der Richter vgl. auch Smend, Reichskammergericht, 245, Anm. 3.
4
  RKGO, 1. Teil, Tit. I, § 1; Tit. III, § 1; Tit. IV, § 1 ( Laufs, RKGO, 73, 75, 77).
5
 Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 9.
6
 = Frist von 6 Monaten: RKGO, 1. Teil, Tit. IV, § 3 ( Laufs, RKGO, 77 f.).
7
  RKGO, 1. Teil, Tit. IV, § 5 ( Laufs, RKGO, 78 f.).
a
 als] In B korr. zu: also. C wie Textvorlage.
8
 Dies entsprach der Empfehlung der Visitationskommission (vgl. deren Bericht [Nr. 496], Punkt 9).
9
  RKGO, 1. Teil, Tit. IV, § 4 ( Laufs, RKGO, 78).
10
 Vgl. Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 19.
11
 Vgl. dazu Schreiben der Reichsstände auf dem RT an das RKG (Regensburg, 16. 3. 1557): Die im Visitationsbericht 1556 erwähnte Stellungnahme des RKG zu den gegen das Gericht übergebenen Gravamina liegt bisher nicht vor. Da der RT die Erörterung der Reichsjustiz an einen Justiztag ab 30. 5. 1557 in Speyer prorogiert, wird das RKG angewiesen, die Stellungnahme dort einzureichen (HStA München, K. blau 107/2b, unfol. Kop. Im RR verlesen und gebilligt am 15. 3. 1557: Württemberg, unfol. [Nr. 212]).
12
 Vgl. Bericht der Visitationskommission [Nr. 496], Punkt 14.
b
 eintzukommen] In B, C: einkhomen.
c
 berurts] In B korr. zu: beruert. C wie Textvorlage.
13
 Zur Prorogation der Justizfrage an den außerordentlichen DT vgl. Schwartz, Jahre, 106 f.; Smend, Reichskammergericht, 184; Mencke, Visitationen, 97.