Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Ksl. Forderung nach Besteuerung der Pfahlbürger; [2.] Bitte der Straßburger Gesandten um Beachtung der entsprechenden Freiheiten Straßburgs; [3.] Schwerwiegende Nachteile der geplanten Regelung für Straßburg; [4.] Negative Folgen auch für den Ks.; [5.] Die elsässischen Städte als alleinige Betroffene des Vorhabens; [6.] Gefahr von Konflikten zwischen den Untertanen im Elsaß; [7.] Hinweis auf die Privilegienbestätigung Kg. Rudolfs für Straßburg und die vielfältigen Dienste der Stadt für frühere röm. Kss. und Kgg.; [8.] Verzicht Straßburgs auf die Besteuerung von Pfahlbürgern anderer Herrschaften; [9.] Geltende Vorschriften für nach Straßburg gezogene Neubürger; [10.] Bestätigung der Straßburger Freiheiten auch durch Päpste und das Konzil, nochmalige nachdrückliche Bitte um Berücksichtigung dieser Privilegien.

Köln, 13. August 1512

Kop.: A) Straßburg, AM, AA 337 Fasz. 1, fol. 2a-5b (Vermerk auf dem Deckblatt fol. 1a: Dise supplication von wegen eins rats der stat Straßburg hab in gegenwurt H. Ott Sturm, H. Ludwig Böcklin, rittern, H. Cunrat von Duntzenheim und H. Gotfrid von Homburg, altmeistern, ich, Sebastian Brant, geton zu Cöln vor röm. ksl. Mt. Maximiliano etc., der in standem fußstapfen, unverwandtem houbt und ougen gnädeklich zuhort, als ir Mt. ein edeler geerfalk [= Gier-, Jagdfalke] mit franzosischen schellen durch die verordenten Hh. geschenkt wart Ao. 1512 sexta ante assumptionis Virginis Gloriose [13.8.12]. Begert ir Mt. abschrift, welche ir gegeben und an die stende des Richs broht. Darzu dann ein sonderer ußschutz von steenden gemaht und der angesetzt abbruchlich artikel des fryen zogs hinderhalten wart. Got hab lob. Kanzleivermerk fol. 6a: Supplication an ksl. Mt. des fryen gezocks halb. Praesentatum cesaree maiestati Colonie sexta ante assumptionis Virginis Ao. 12 [13.8.12]).

Konz.: B) Ebd., AA 336, fol. 88a-90b.

[1.] Großmechtigster Ks., allergnst. H., als jungstmals in einer euwer ksl. Mt. den stenden des hl. Richsa ubergebnen geschrift under andrem ein punct oder artikel ingelybt [Nr. 990 [24.]], betreffend die fryheiten etlicher stette in annemung irer burger, der gestalt, das, welche stett burger angenommen hetten oder in künftigem annemen wurden, das dieselben burgere nichtdestmynder von allen iren gütern, die sy demnach behalten und durch ir dienstlute buwen, den Hftt., darunder die gelegen sind, sture und gewerf [= Abgabe] geben und alle dienstbarkeit bewysen sollent, wie vor zu der zyt, ee und derselb an andern orten burger worden, beschehen und von altem harkommen ist, und ob yemants dawider einiche fryheit hette, das die als dann und dann als yetzt widerruft und abgeton und by namlicher peen dawider nit geton werden solle etc.

[2.] Daruf dann [an] euwer ksl. Mt. von wegen irer Mt. undertenigen und gehorsamen meister und rats der statt Straßburg suppliciert worden [Nr. 1496] mit flehlicher, demütiger bitt und beger, euwer ksl. Mt. wolte in ansehung der langwirigen, harbrochten privilegien und fryheiten, von hochloblicher gedechtnussen röm. Kss. und Kgg., euwer ksl. Mt. vorfaren am Rich, gnediglich verluhen und durch euwer ksl. Mt. us rechtem wissen, volkommender macht und eygner bewegnus innoviert und confirmiert, ein statt Straßburg by solichen iren harbrochten fryheiten und gnaden gnediglich blyben und gehandhabt zu werden geruchen.

[3.] Danebent langet ein rat der statt Straßburg an, wie euwer ksl. Mt. solich anligen und demütiglich bitte den steenden des Richs zu bedenken bevolhen, und aber des berürten artikels halb durch dieselben in ansehung und betracht der statt Straßburg fryheiten dhein sonder enderung beschehen noch ze ziten. Des sich ein rat, burger und ganze gemeynde der statt Straßburg hohlich und großlich beschwerent, dann wo solicher artikel also dermossen gegen und wider ein statt Straßburg sinen furgang haben, geübt und gebrucht werden solt, würde die arme burgerschaft daselbs durch ein solichs in die harre also gemyndert und an iren gütern und haben geschwechert und in ein so schwere verderplicheit gefürt, das sy zum grössern teyl, sich von und us der statt Straßburg zu iren ligenden gütern ze tund, genotdrenget und die überigen noch blibenden burger der statt notwendige reysen, hüten, sturen und andre gewonlich und ufgelegte beschwerde nit mer ertragen. Dardurch dann mit der zyt die statt satzlos und eröset, ouch euwer ksl. Mt. und dem hl. röm. Rich nit als brachtlich, nützlich und fruchtbarlich (als bisher beschehen und sy zu tun allzit willig befunden) gedienen möcht. Dardurch dann ouch die bemelte statt Straßburg ir loblich und erlich lange jar und zyt by und neben dem hl. röm. Rich harbrochte wäslicheit, geruch und guten namen verlieren, ir regiment und burgerschaft nit mer behalten, sonder zu nit cleynem nochteyl des hl. röm. Richs in zerrüttung und abfall kommen möcht.

[4.] Es wollent auch bemelte euwer ksl. Mt. demütige undertanen, die burger der statt Straßburg, nit verhoffen, das euwer ksl. Mt. dulden oder gestatten werd, das andere stend des Richs, denen villicht der statt Straßburg loblich harkommen by dem hl. Riche und getruwe dienstbarkeit unkund und unwissend oder villicht irer eeren, frommen und wolfart mißgündig oder denen sunst an solichen sachen fur sich selbs nit sonders gelegen, einer statt Straßburg soliche lange harbrochte, wolverdienten und mit schwerem blut- und schweyßvergiessen eroberten fryheiten, so nit von steenden des Richs, sonder von röm. ksl. volmächtiger oberkeit und gnadrichen begabungen us wolgegründten ursachen [und] us rechtem wissen hargeflossen, widerruft, verurteilt, abgekürzet oder durch so schlechtlich bewilligungen unverhörter sachen, ouch unverschuldter ding abgeton werden sollten. Were auch ein kläglicher, uberburdlicher und im hl. Rich eemals unerhörter handel, welcher nit allein den burgern und der gemeynde der statt Straßburg und anderer erberkeit erschrecklich, unlidlich und verderplich, sonder reichte und diente auch vil mer zu schmelerung, verkleynung und abbruch röm. ksl. Mt. als des hl. Richs houpt, furwesern und regierern, ouch irer Mt. habende gewaltsamy, begnadigunge und röm. oberkeiten. Wer wolt furter (wo solichs furnemen erhört werden solt) eim röm. Ks. oder Kg. durch sin gewillige, getruwe und ersprießliche dienst mit solichem ernst, vlyß und unverdrossener dapferkeit anhangen oder uf gebürliche belonungen der eren, tugenden und woltaten herzlichen dienen oder sich mit so willigem gemüt bereyt fynden lassen, wo er sich dermossen vermuten oder versehen müßt, das sin eemals schwere und sure erholte belonung siner dienstbarkeit und besonders des röm. hochfürsten begnadigung und privilegien on gegründte ursachen und rechtmesigen bewegnussen abgestrickt, vernichtet und zu unwürden brocht werden sollten? Es ist auch wol zu vermuten, wo den stenden des Richs, die solche der statt Straßburg fryheit so lichtlich abzustricken und nochzulossen bewilliget, ir fryheiten und privilegien, so sy von röm. Kss. und Kgg. usbracht und erlangt haben, dermossen one ursach und unverschuldt zu unwürden brocht und abgestelt werden sollten, sy würden darab nit sonders gefallens enpfahen.

[5.] Euwer ksl. Mt. wolle auch betrachten und ermessen, das nit zu verwundern, ob andere Kff., Ff. und steende, je auch die stett des Richs, uswendig dem land Elsaß gelegen, in solichen artikel lichtlichen bewilligen, denselben nit widerfechten, sunder inen wol gefallen lossen, dann by inen im lande zu Schwaben und anderswo, uswendig dem land Elsaß, die leut mit lybeigentschaft vast behaft und by inen solicher gebruch und übung des fryen gezogs nit ist, sonder berurt allein die stett in Elsaß und zum fordersten ein statt Straßburg, by welchen solicher fryer gezog ye und ye und unverdechtliche zyt har geübet und gehalten worden. Erstreckt sich auch solicher gebruch und fryheit usserthalb dem land Elsaß in dhein ander Ft. oder Hft., deshalb es dieselben dheinswegs berürt.

[6.] Nun ist das land Elsaß zu merern teyl eim Bf. und der stift Straßburg sambt der Landgft. Elsaß mit siner zuverwandtschaften angehörig. Do dann sondere beträgde und besigelte rachtungen und sprüch, ouch gesonderte und geschworne verschrybungen (welche durch uwer ksl. Mt. und ir vorfaren am Rich ouch zu zyten bestätiget) zwischen eim Bf. und der stift Straßburg als Landgf. in Elsaß uf ein und einer statt Straßburg ander syt vorhanden bund in wesen–b sind, solten dieselben, so auch zu merern mol in contradictorio judicio gegen den gezirksverwandten des lands Elsaß erlangt und bevestiget worden, durch so lichtliche bewilligung anderer stende des Richs und villicht us angebung cund ufwegung–c etlicher, die solichs berüren möcht, unverhörter und unverrechtigter sachen also usgelöschen, abgetilkt, zu unwürden erkannt und vernichtet werden, zu was ufrur, unwillen und widerwertigkeit solichs zwüschen den landsessen des stifts Straßburg und des lands Elsaß reichen möcht, hat euwer ksl. Mt. us hohe der vernunft wol zu ermessen. Es möcht auch ein gemeynde der statt Straßburg, wo solichs sinen furgang haben sollt, einen rat dafür achten, als ob sy ein solichs mit untaten verwürket. Dadurch dann zu forchten und zu besorgen, das zwüschen eim rat und der gemeynde zwytracht und uneinigkeit sich erheben und begeben möcht.

[7.] Und ist daruf abermals an euwer ksl. Mt. eins rats der statt Straßburg undertenig, demütig bitte und begere, rufen auch dieselbe euwer ksl. Mt. als irem allergnst. H. und Ks. mit aller undertenigkeit demütiglichend an, euwer ksl. Mt. woll us ftl., ksl. gemüte zu herzen fassen, welcher gestalt ein statt Straßburg und ir burger wylund hochloblicher gedechtnussen Kg. Rudolf selig von Habspurg als Landgf. in Elsaß und panerher der statt Straßburg angehangen und derselb by und mit der ritterschaft und burgern der statt Straßburg hoch eere und namen erlangt, ouch sy beidersyt by- und miteinander eerlich, wol und tapferlich gehandelt, welcher ouch noch der hand, als er röm. Kg. wart, der statt Straßburg erliche woltaten und diensten ingedenke, solich der statt Straßburg fryheiten Ao. XIIcLXX bestätiget und confirmiert hat.1 Euwer ksl. Mt. wolle auch betrachten, welcher gestalt wylend der loblich F. Hg. Ernst, Ehg. zu Osterreich etc., des jares, als man zalt 1424, durch sin ftl., besigelte brief die inwoner der statt Straßburg als irer ftl. Gn. und des löblichen huses Osterrich liebhaber, [die sie] allzit gewesen sin, bekant hat, als auch ein statt Straßburg sich hinwider gegen dem loblichen hus Osterrich yeweltens redlich, fruntlich und nochbarlich gehalten und noch zu tun geneigt ist, derglichen, welcher gestalt die burger der statt Straßburg hochloblicher gedechtnus euwer ksl. Mt. anherren und vordern am Rich, besunders Ks. Sigmonden, Ks. Fryderichen, ouch euwer ksl. Mt. und dem hl. röm. Rich von anbegynn und zu allen zyten getruwlich, nützlich, tröstlich und unverdrossenlich angehangen, nochgereyst und darby und darunder lieb und leid, schaden, verlust, nochteil an lybe und gut erlytten und empfangen und solichs mit gutem willen noch ze tund egeneigt und–e bereyt sind.

[8.] fEuwer ksl. Mt. wolle auch ermessen, das, wiewol andere Hftt., stett und flecken, uswendig oder in dem land Elsaß gelegen, villicht dermassen fryheiten nit haben, das destmynder nit ein statt Straßburg ye und ye sich gegen denselben allen und yeden, geistlichen und weltlichen, dermossen so fruntlich und gutwilliglich gehalten, wo derselben undertonen und hindersassen ligende oder varende güter in der statt Straßburg, iren gebieten und oberkeiten, es sigen heuser, höf, acker, matten, ganz nichts usgenommen, habend oder besitzend, das sy von denselben glicherwyse nye kein steur, bet, abzug, u[f]sleg ufgeleyt genommen oder einiche dienstbarkeit darvon empfangen haben und noch nit tugen, sonder wie ein statt Straßburg in disem fall gefryet sye, es auch hinwider der gestalt gegen allen andren allzyt gehalten und geübt haben.

[9.] Es woll auch euwer ksl. Mt. erinnert sin, das ein statt Straßburg noch usgang der guldin bullen2 dheinen pfolburger empfangen, der sin huswonung hinder einer andern Hft. weslichen haltet, sonder muß ein yeder, der von nuwem zu burger angenommen wurt, schwören lyplich zu Gott und den heiligen, sin beste [= Aufenthalt], hus, ere und wonung in der statt Straßburg zu haben und daselbst geboten und verboten gehorsam zu sin; item ist er dheins H. eigen, besetzt in der in jaresfrist, das man in demselben volgen lassen wöll; item bringt er einichen vorgonden krieg mit im, das man im darzu weder beraten noch beholfen sin wolle; item welcher also vom land in die stat zühet, das der an keym gericht uswendig sitzen soll; item das auch ir dheiner dhein gültgut entlehnen soll, davon der gült geben muß.–f

[10.] Es wolle auch euwer ksl. Mt. betrachten, das gdie angezogne der statt Straßburg–g fryheiten und gut gewonheiten nit allein durch röm. Kss. und Kgg. verlühen und bestätiget und durch euwer ksl. Mt. us rechter wissen und volkomeneh ksl. macht darüber conservatores und handhaber gesetzt, sonder auch von etlichen Hl. Vätern, den Bäpsten, und dem hl. concilio zu Basel mit ustruckten worten icum clausula decretali–i bestätiget, confirmiert und daruber geistliche conservatores gegeben, verordnet und gesetzt worden, und dardurch us ksl. gemüt, ftl. gemüt, auch angeborner güte und und miltigkeit gnediglich geruchen, ein statt Straßburg by solichen oberürten iren mit blut und schweyß teur erkauften und über aller menschen gedechtnissen harbrochten freyheyten, gnaden, privilegien, rechten und gewonheiten als röm. Ks. und us ksl. gewaltsamy und oberkeit, ouch irem ksl. und gn. zusagen noch gnädiglich handhaben, schützen und schirmen und sy daran durch nyemants betrübt oder verhindert zu werden gestatten, als zu euwer ksl. Mt. als irem allergnst. H. ein rat bürgere und gemeynde der stat Straßburg als euwer ksl. demütige und gehorsame undertanen eyn sonder hoch vertruwen und ungezwifelte hoffnung tragen und umb dieselbe euwer ksl. Mt. mit iren undertenigen und gehorsamen, willigen diensten zu allen zyten demütiglichen zu verdienen geneigt und bereyt sin wollen.

Anmerkungen

a
 B folgt: zu Trier.
b
–b B am Rand hinzugefügt.
c
–c B am Rand hinzugefügt.
d
 B am Rand hinzugefügt.
1
 Die Jahresangabe 1270 ist unzutreffend. Gemeint ist sicherlich die Urkunde Kg. Rudolfs vom 8. Dezember 1275. Regest: Redlich, Regesten, Nr. 457.
e
–e B am Rand hinzugefügt.
f
–f B am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
2
 Die Goldene Bulle wurde am 10. Januar 1356 auf dem Nürnberger Hoftag verkündet.
g
–g B korrigiert aus: solche ksl.
h
 B am Rand hinzugefügt.
i
–i B am Rand hinzugefügt.