Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

A  Wien HHStA, RK RA i. g. 13c/Konv. 3 (Kop.); AS: Unser der augspurgischen confession und religionsverwanten stendt antwurt, röm. ksl. Mt. uff irer Mt. ubergeben buch, darus in dem colloquio alhie zu Regenspurg disputiert, gegeben den 13. Julii anno etc. 41. Zu diser antwort gehörn die nachgemelten drey stück: 1. etliche artickel, so in den verglichnen puncten in margine verzaichent sein; 2. die abüsüs Buceri mit daran gehengter reformation; 3. Philipi abusus latine und teutsch gestellt.

B  koll. Weimar HStA, EGA, Reg. E 138, fol. 114r–119r (Kop.); AV v. a. Hd. fol. 114r: Die religionsverwandten stendte ubergeben uff das buch von der strittigen religion ihr bedencken und erbitten sich, ihrer kirchenlahr ferner grund und ursachen anzuzaigen etc.

C  koll. Dresden HStA, 10024 GA, Loc. 10183/05, Reichstagshandlung zu Regensburg 1541, fol. 166r–171v (Kop.); ÜS fol. 166r:Der protestirenden stende bedencken aufs buch.

D  koll. Berlin GStAPK, I. HA Rep. 13 Nr. 4–5a Fasz. 9, fol. 70r–73r (Kop.); ÜS fol. 70r: Der protestierenden antwort auf das buch und den handel.

Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,2, Nr. 210 , S. 608–613; Corp. Reform. IV, Nr. 2302, Sp. 491–497.

Nachdem euer ksl. Mt. gnedigclich bevolhen, das buch, so den colloquenten furgelegt als ein weg und mittel, dye streittigen religionsachen zu vergleichen oder zu messigen, zu besehen und zu erwegen und ir ksl. Mt. widerumb unser bedenckhen uff die verglichen und unverglichen artickhel sambt den misbreuchen, wiea die in besserunge zu bringen sein solten, antzutzeigen, haben wir von den unsern, so zum coloquio verordtnet gewesen, bericht genommen, was im coloquio gehandlet, verglichen oder streittig plieben, und daneben das buch hören lessen und bewogen. Und haben nit zweifel, euer ksl. Mt. hab gemelt buch gnedigister wolmeinung lassen furlegen, wie zu merckhen, das darin messigung etlicher misbreuch gesucht und, so der jegentheil nicht zu hart sein wolte, das es ein anfang dadurch zur einigkeit sein mecht. Derhalben wir euer ksl. Mt. in underthenigkheit danckh sagen, das sie dise religionsachen, wie sich in der kirchen geburt, durch freuntliche, christliche gesprech zu handlen, furgenohmen, und bitten, Gott wolle solchs furnemen zu ausbreittung der warheit und heilsamer lehr genedigclich leiten.

Das aber die streitigen artickhel nicht alle verglichen, ist one zweifel dise ursach, das seer schwer ist, alte und lang hergeprachte misbreuch abtzuschaffen, wöliche zum theil von wegen der gewonheit und autoritet der alten, zum theil auß andern ursachen erhalten werden. Dann dises ist offentlich und nicht zu verneinen, das viel misbreuch vor etlich hundert jarn in die kirchen eingeschlichen und das christenliche lehr vertunckhlet und vermischt worden, zum theil auß unverstand der lehrerb, wolicher auß unfleyß der regenten oder, das vor zeyten die studia verloschen gewesen von wegen der grossen verwustungen, herkhommen, zum theil auch, das umb des grossen genieß willen unrechte gottesdienst uffgericht. Dise lange hergeprachte und eingewortzelte irthumb werden nuhn fur ein loblich prauch gehalten und also genennt, so doch Gott derwegen sein wort alß ein liecht in dise finsternus geben, das wir nicht von ime durch menschlichen wahnc oder prauch abgefurt werden sollen. Und ist solch liecht seins worts viel hoher und grosser zu achten, dann alle gewonheit. Es ist aber offentlich, das auch, bösse und streffliche gewonheit zu endern und in besserung zu bringen, gantz schwer ist. Nachdem aber euer ksl. Mt. bevolhen, unser bedenckhen antzutzeigen, mogen wir mit warheit sagen, das wir der einigkheit, sofern soliche mit gotlicher warheidt gmacht wurde, zum hochsten begirig seindt, haben auch nit zweivel, euer ksl. Mt. alß ein gotfurchtiger und loblicher kaiser begeren selb, das die warheit, die in der kirchen leuchten soll, allen dingen furgetzogen soll werden.

Und nachdem wir verstehen, das im buch etliche artickel durch die verordenten zum colloquio abgeredt zur vergleichung, etlich aber angefochten, haben wir dieselbigen, so zur vergleichung abgeredt sein sollen, mit vleis bewogen, alßda sindt vom freien willen und erbsunde, von gerechtigkeit vor Got, von guter zucht und etlichen andern. Wiewoll nu etlich puncten lenger erclerung bedurfen, die ernach kurtzlich gemeldet werden, gleichwoll, so man nit gefarlich, sondern nach gutem und erbarm verstand richten will und etlich puncten ercleret werden, wollen wir der collocutorn meynung darin nicht straffen und wunschen, daß die reine leher von der gnadt Christi und gerechtigkeit des glaubens in kirchen allenthalben ausgebreittet werde, welche lahr im buch im artickel von der justification etwas kurtz begriffen ist. Derwegen so man einikeit der kirchen, auch d der seelen–d hail suchen will, were gut, das weitter erclerung gesche, das nicht die engen und zweiffelhaftigen rede neue getzenck erwecketen, dann wir verstehen bemelte articul also, wie die sach an ir selb in unser confession und apologia begriffen und erclert, dann wir uns gern eroffenen, was wir im grundt halten. Achten auch, das nicht loblich oder nutzlich sey, den kirchen zweivelhaftige reden furzugeben, die ide part zu irem vortheil deuten und ziehen mochte. Darumb wir uns befliessen, das unser lehr, welche one zweiffel ist die einhellige meynung und lher der heiligen catholicken [sic!] kirchen Gottes, nach der lenge ercleret worden. Und so man einickeidt machen wurde, bitten wir, das bemelte artickel von solchen wichtigen sachen im ausschreiben nach noitturft gehandelet werden, wie wir vernomen, das solchs auch die hern collocuttores des andern theils, H. Julius Pflug etc. und Gropperus, gebeten und angeregt.

Daruber hangen noch etliche streitige sachen, die unvergliechen, davon die unsern etlich artickel ubergeben, wilche, dweil sie war sind und gantz gelind gestellet, hoffen wir, sie sollen auch dem anderen theil anemlich sein. Dann wir nicht zweiffeln, so sie ans liecht komen, werden verstendige und guthertzige leut allenthalben dieselbigen nicht unbillichen mogen. Dann obgleich das buch, die misbreuch zu messigen, etlich puncten auch in disen unverglichen articuln linder furgibt, so ist doch vonnoten, dieweil die mispreuch so hoch gewachsen, dieselbigen im grunt herter anzufechten. Und wiewoll wir auch an linderung und messigung gefallen haben, wie wir dieses mit warheit vor Got sagen mogen, haben auch vleiß gethan, die streitige sachen zu messigen, so ist doch in der kirchen zu mercken, wie ferne solche messigung gehen soll. Unde dises hat sich viel in der kirchen zugetragen, das nicht allein die gewaltigen regenten und weltweisen, sondern auch die prediger und gelerten haben messigung und linderung gesucht nach menschlicher vernunft, dadurch die kirch von reinickeitf des evangelii und von rechter anruffung abgefurdt worden.

Viel haben von Augustino gehalten, er sey zu hart gwesen in der lahr von wercken vorg der gnad, haben derhalben ein linderunge gesucht, welche, ob sie woll nit gantz pelagianisch, hat sie doch die gnad verdunckelt. Vill haben h vor zeiten–h die rede Pauli, so er spricht ‚Durch glauben werden wir gerecht‘ nicht fur eigentlich und recht, sondern fur ein weitleuftige, frembde rede gehalten und sich doran gestossen und gescheuet, wie noch vill davon richten, haben derhalben nach menschlicher vernunft bequeme deutung gesucht, dadurch die recht stimme des evangeli und der trost der gwissen untertruckt worden. Die schrift sagt oft, es sey nur ein genugthuung fur die sunde: der dot Christi. Daneben haben etlich gleichwoll ein messigung gefunden, menschliche gnugthuung auch zu erhalten. Nichts ist schoner und loblicheri dann gute ordenunge in der regirung, mit diesem schonen schein haben die bepst ihre weltliche hoheheit, die Christus inen verboten, sehr geschmuckt.

Wiewoll nu moß und mittel in allen sachen nach gelegenheit zu loben, wie die gelerten geschriben, das alle kunst und tugenden furnemlich dahin gericht sint, moß und mittel in idem werck zu halten, so soll doch in der kirchen zu solchem mittel oder messigung das wort Gottes die regel sein und nicht menschliche weißheit, wie Paulus spricht, das wir uns huten sollen, das wir nit durch scharpfe und schone gedancken menschlicher weißheit betrogen werden. Die unsern haben selb diese streitige religionsachen gelindert und gemessigt, doch also nach Gottes wort und der ersten apostolischen kirchen gewisse und bewerte zeugnis. Derwegen halten wir di artickel, so von den unsern uberanthwort, fur gelind und recht, lassen es dabei beleiben und bitten, euer ksl. Mt. wolle solichs gnedigclich vernemen. Erstlich derhalben, dieweil diese sachen Gottes ehre und die renigkeit [sic!] des evangelii belanget, geburt uns nit, unrechte gottesdienst und unrechte lehre zu bestettigen. So wir nuhn die lehr im buch vom heiligendienst und etlichen andern, das ohne Gottes wort eingerissen, annehmen, were soliche unser bewilligung ein bestettigung vieler misbreuch.

Zum andern, nachdem unser und unser kirchen gewissen in disen stuckhen nuh also underricht sind laut unser confession, geburt uns nicht, wider gewissen zu antwurten oder zu urtheilen.

Zum dritten, dise sachen belangen die kirchen in andern landen und in khunftig bey den nachkhommen, dann, so wir die misbreuch, weliche zuvor von uns gestrafft, jetzund widerumb lobten, wurde dises unser zeugnus zu bestettigung unrechter lehr und der vervolgung wider fromen leuth auch bei den nachkhumen angetzogen werden. Wie hoch wurde die kirch beschwert, so man den generalconcilien dieses einreumet, das khein feel an inen zu finden oder zu straffen. In concilio zu Wien2 in Franckhreich ist in der clementinaj pastoralis gesetzt, der bapst sey herr des romischen reichs und soliche oberkheit sey ime von Christo gegeben. Was von diser rede zu halten, ist leichtlich zu verstehen. Und ist dabei zu merckhen, nachdem bapst und bischoff mer zu thun gehapt mit ir weltlichen regierung dann mit der lehr und kirchenversorgung, welicher unrath gevolget.

Zum vierdten, so wir unsere kirchen zu bestetigung der misbreuch widerumb zuruckhziehen wellen, wievil fromer hertzen wurden wir in unseren landen, stetten und ein jeder hausvatter bey seinen christlichen weib und kindern betruben und verwirren, wöliche uns mit disen worten Pauli anclagen und straffen wurden: ‚Warumb wolt ir uns von der gnad Christi zu einer andern lehr furren‘. Wurden uns also wie die Galatas achten, so von der renigkheit des evangelii gewichen wahren.

Auß disen groswichtigen ursachen wissen wir nicht, von der meinung der artickhel, durch die unsern ubergeben, abzustehen, und erbietten uns, ursach antzutzeigen und dieselbigen artickhel, darin vil groswichtiger sachen, der kirchen notig, zu erklern. Dieweil diese sachen belangen Gottes ehre, deß evangelii reinickheit, gemeiner kirchen notturft, vieler seelen sorgk, heil in unsern kirchen und unser gewissen, bitten wir euer ksl. Mt. in aller underthenigkheit, sie wölle dise unser einfeltige entschuldigung genedigclich annemen und scheuenl m so viel der–m kirchen, woliche mit dem blut des sons Gottes erlöset und mit dem heiligen geist geheiliget und in christelicher zucht angericht sind, und wolle unsern widesachern [sic!] nit glauben geben, die vil unwarheit wider unsere kirchen zu verunglimpfung und beschwerung ertichten.

Domit aber menigclich wisse, was in allen artickeln in unsern kirchen gehalten, gelert und glaubet wirt, zeigen wir abermahl ahn, das wir die confession, zu Augspurg eurer ksl. Mt. uberanthwort, sambt angehengter apologia, die wir nit anders dann fur erclerung der confession anziehen, halten, zweifln auch nit, dieselbige lehr sey die einhellige meinunge der catholischen kirchen Christi, die in der propheten und apostel schriften gefast und gewisse zeugnus hat der ersten apostolischen kirchen und der gelertisten vetter. Und in disem glauben und erkhantnus Christi wollen wir alle zeit Gott anruffen und mit seiner catholicken [sic!] kirchen preysen. Erbiethen uns auch, wie zuvorn mehrmals beschehen, soliche lehre unser kirchen, wann es noth sein wirdet, ferner zu erclern und derselbigen grundt und ursach antzutzeigen.

Als wir aber die verglichen artickhel bewegen und unsere predicanten, sovil alhie sind, datzu getzogen, haben wir ihnen bevolhen, etlich puncten zu vertzeichnen, wie die hernach volgendten, achten auch verstendige leuth werden daran nicht beschwerung haben. Dann sie bringen nit neue fragen, sonder sind allein n erclerungen, die–n an ihnen selb den kirchen nutzlich. Und forderet unser notturft, dise puncten zu melden, underthenigclich bittend, euer ksl. Mt. wollen dieselben auch gnedig vernehmeno.

Anmerkungen

1
 Zur Datierung der Übergabe an den Kaiser vgl. die Augsburger Reichstagsgesandten an Bgm. und Rat von Augsburg, Regensburg, 1541 Juli 12 Nr. 859]; dies. an Georg Herwart und Mang Seitz, Regensburg, 1541 Juli 13 [Nr. 865] und die kursächsischen Reichstagsgesandten an Kf. Johann Friedrich von Sachsen, Regensburg, 1541 Juli 13 [Nr. 860]. Vgl. auch die Kopie des Aktenstückes Augsburg StadtA, Lit. 1541, unfol.; ÜS: Den 12. Julij anno 1541; DV: Der protestirenden stende bedenckhen uber das buch etc., ksl. Mt. ubergeben, den 13. Julij anno etc. 41und die Kopie Karlsruhe GLA, 50/51, unfol.; AS: Der protestierenden stend bedencken uber das puch etc., ksl. Mt. ubergeben. Actum 13. Julij anno etc. 41.In ihrer Antwort vom 14. Juli 1541 [Nr. 140] auf die ksl. Vorlage vom 12. Juli 1541 datieren die Protestierenden ihre Stellungnahme zum Kolloquiumsergebnis auf ‚vorgestern‘. Eine andere Fassung des obigen Stückes bietet Walch, Bd. 17, Nr. 1383, Sp. 692–697.
a
 Fehlt in D.
b
 In D: lehr.
c
 In D: thann.
d
–d In D: derselben.
e
 In C und D: Dan.
f
 Nach B, C und D korr. aus: einickeit.
g
 In D: und.
h
–h Fehlt in D.
i
 In B, C und D: lieblicher.
2
 Vienne in Frankreich.
j
 Nach B, C und D korr. aus: clementia.
k
 Fehlt in B und D.
l
 In B: schonen.
m
–m In C und D: so vieler.
n
–n In D: je.
o
 In C: annehmen. In D lautet der Schluss: zu melden etlich puncten, so in den verglichnen artikeln im buch in margine verzaichnet oder ubergangen sindt.