Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Zwiespältige Einstellung des Ks. gegenüber dem Zug der Eidgenosssen nach Italien; [2.] Nachrichten über Bestrebungen des Kg. von Frankreich zu dessen Verhinderung; [3.] Vergebliche Versuche, das den Eidgenossen gewährte Durchzugsrecht zu widerrufen; [4.] Unklarheit über die Meinung des Ks. in zentralen Angelegenheiten.

Trier, 15. Mai 1512

Wien, HHStA, RK, Maximiliana 27 (alt 21a) 1512 Mai, fol. 64-65, Orig. Pap. m. S. ( p.m.p.; von der Hand M. Langs).

[1.] Haben dem Ks. das Schreiben des Regiments mit dem Ersuchen der Eidgenossen, ihnen den Durchzug durch die Gft. Tirol zu gestatten,1 zur Kenntnis gebracht und fuegen euch darauf zu vernemen:

Nit mynder ist, ksl. Mt. hat aus beweglichen ursachen beschlossen, irer Mt. ret gen Zurich zu schicken und mit den Aydgnossen zu handeln, damit sy mit irem volk auf ir Mt. und des Reichs stend warten. Das aber die Aidgnossen villeicht nit tun wellen, sonder in irem furnemen bleiben und beslossen, wider den Kg. von Frankreich zu ziehen, Bapstlicher Hlkt. zu gut und hilf. Sein Mt. hat auch darauf in gegenwirtigkeit des Gf. von Zollern, auch unser baider ein maynung, was dieselben irer Mt. ret weiter mit den Aydgnossen handlen sollen, beslossen. Welche maynung sich dahin gegrund hat, das sein Mt. denselben iren reten nit befolhen hat, den Aydgnossen von ir Mt. wegen oder durch sich selbst einichen pass durch irer Mt. land zu geben oder zuzusagen. Und nach solchem besluss ist der brief an die gedachten ret geschriben und durch den Gf. von Zollr und uns auch gehort worden und nach unserm versteen, wie vorsteet, dermassen gestellt, das derselb weder irer Mt. noch derselben land und leuten kain nachteil het bracht. Als aber der secretari, so solchen brief geschriben, den ksl.Mt. zu verzaichnen zubracht, hat ir Mt. unden an denselben brief dise wort gestellt, was irer Mt. ret den Aydgnossen des pass halben sagen sollen und wie Johann Storch in seinem schreiben anzeigt. Das uns nit fur retlich angesehen, aber ee und wir zu irer Mt. komen sein, ist der brief ausgangen. Doch so haben wir nichtdestmynder ksl. Mt. unser fursorg darinnen anzeigt. Aber ir Mt. begegnet uns mit antwurt, ir Mt. hielt nit vil von der Eydgnossen zug. Das ander, wo sy ye ziehen und iren zug mit einem solchen grossen haufen volks, als anzeigt ist, durch irer Mt. land nemen, so wurden sy den pass wol mit gewalt nemen, ob ir Mt. inen den gleich weren wellt, und sagen, ir Mt. hielt inen die erbainigung nit, und villeicht ursach nemen, die erbainigung aufzuschreiben, auch sich fur den Kg. von Frankreich zu declarieren. Ir Mt. verseh sich auch, das sich irer Mt. ret und Johann Storch gegen inen, solchen pass zu geben, nit so liederlich, als beschehen ist, erbieten wurden. Bey diser irer Mt. antwurt mussen wirs bleiben lassen.

[2.] Es ward auch ferrer bewegen, dieweil die Eydgnossen auf irer Mt. begern ir treffenlich botschaft der und ander sachen halben zu irer Mt. schicken und den pass erst begern wollten, sy wurden sich villeicht an irer Mt. ret und des Storchen red nit keren, sonder warten auf die antwurt irer botschaft und irer Mt. entsluss. Wir hetten auch selbst nit glaubt, das sy sollten ausziehen, dann wir alwegen sovil versteen gehebt, das der Kg. von Frankreich ein grosse praktika in Sweitz wider solchen auszug gehebt, den zu verhindern, als sich dann in der handlung zu Zurich wol erscheint hat und ir on zweifl aus Johann Storchen schreiben vernommen, das etlich lender disen zug gern gewend hetten.

[3.] Und demnach, dieweil wir solchs fur kain bestendige handlung gehebt, haben wir kain grund darauf gestellt oder euch nichts ungewiss zuschreiben wellen, dann wir haben allwegen der Eydgnossen botschaft zuvor erwarten wellen. Und als dieselben zu irer Mt. komen, ist ir erst und hochst begern gewest, das ksl. Mt. den pass bewilligen sollt, wie dann ir Mt. getan hat, und nemlichen aus ursachen, wie ir von ksl. Mt. etc. rat Dr. Ulrich von Schellenberg zum tail vernomen, auch durch mich, den von Gurk, zu meiner zukunft aigentlichen berichtet werdet. Sein Mt. hat euch auch solch irer Mt. bewilligung verkund und auf das schreiben, so ir seiner Mt. gleich auf denselben tag gemelts pass halben getan [liegt nicht vor], antwurt geben [liegt nicht vor], auch ich, Ziprian von Serntein, euch dabey geschriben [Schreiben liegt nicht vor], das aber [nicht] moglichen gewest, solch ksl. Mt. zusagen zu wenden oder abzustellen. Das haben wir nit tun kunden, dann sein Mt. hat sich mit irem zusagen so ver [= weit] vertieft, das solchs nit wider zu wenden gewest. Aber nichtdestminder hat ir Mt. denselben Dr. Ulrich von Schellenberg zu dem von Sachs und der Aydgnossen hauptleuten in geheim abgefertigt und inen ein andern weg, damit sy irer Mt. land nit berurten, anzeigt, und ist ir Mt. noch der hofnung, das die Eydgnossen iren zug auf ander weg, dann durch die Gft. Tyrol nemen werden. Und wes der Aydgnossen botschaft bey ksl. Mt. deshalben gehandelt haben oder wie ir abfertigung steet, wellen wir euch von stund an berichten.

[4.] Und als ir in besluss eurs schreiben an uns begert, euch beschaid auf eur schreiben von ksl. Mt. zu erlangen oder fur uns selbst unser gutbedunken anzuzaigen, wie ir euch mitsampt den andern Hh. vom regiment in solchen sweren hendeln und sachen halten sollen, dann ir kain wissen habt, wie es des friden oder anstands oder irer Mt. sachen halben stee, daraus ir einen grund nemen und das nutzist fur ir Mt., auch land und leut handeln mochten etc., mogt ir glauben, das wir kain gegrund wissen bisher gehabt, wes ksl. Mt. will oder maynung hierinnen endlich gewest sey des bestands oder ander sachen halben, dann allein, wes sich ir Mt. gestern [14.5.12] und heut [15.5.12] der und ander sachen etlicher massen entslossen, wie ir dann von Johann Cola, der in kurz zu euch komen, auch zum teil vernemen und darnach durch mich, den von Gurk, berichtet werdet und darumb mich ksl. Mt. eylends abfertigen wird. Aber nichtdestminder, so ich mein abfertigung genzlich hab, als ich mich in zwayen tagen versehen soll, und wir irer Mt. gemuet des bestands und ander sachen halben, wabey es endlichen bestee, wissen, wellen wir euch baid dannacht zuvor schreiben und denselben entsluss anzaigen. Und ir sollt uns nit verargen, das wir euch in den hendeln nit geschriben haben. Unser fursatz ist, euch alwegen gueten grund und warauf es bleibt anzuzaigen, dann die wesen zu hof verkeren sich zu zeiten der zufallenden hendel halben. Wollten wir euch im besten unangezaigt nit lassen und tun uns euch hiemit freundlichen und gutwilliglich befelhen. Datum Trier am 15. tag Mai Ao. etc. duodecimo.

Anmerkungen

1
 Dieses Schreiben liegt nicht vor, jedoch eine am 7. Mai 1512 in Innsbruck ausgestellte Instruktion des dortigen Regiments für Fh. Hans von Königsegg und Jos Humpis, Vogt zu Nellenburg und Neuburg. Diese wurden darin angewiesen, dem Fh. Ulrich von Hohensax und anderen in Chur versammelten eidgenössischen Hauptleuten und Räten darzulegen, das Innsbrucker Regiment habe gehört, daz sich gemain Aydgnossen entslossen haben, das sy der Bäbstlichen Hlkt. zu hilf zuziehen und der maynung sein sollen, zwischen Seiner Hlkt. und dem Kg. zu Frankreich ainen frid zu machen, daz auch gemelten gemainen Aydgnossen durch Johann Storchen vertrostung beschehen, daz sy durch der ksl. Mt. erbliche land unser verwaltung ziehen mugen, angesehen, daz solhs die erbainigung zwischen ksl. Mt. und der Aydgnossen, yetz zu jüngst aufgericht, vermugen sol. Nu wern wir wol genaigt und willig, alles dasjen, so zu fruntlichen, gutem, nachparlichem willen dient, zu handlen. Diewyl wir aber solhs ires durchzugs halben von der gemelten ksl. Mt. kain bevelch haben, sy auch, als wir vernemen, den nechsten auf der Venediger land ziehen wellen und doch wir zwischen irer ksl. Mt. und der Venediger umb kainen anstand oder frid nochmals wissen, so will uns in kainen weg gepürn, gemelt Aydgnossen also durchziehen zu lassen. Wir achten auch, daz solhs die erbainigung dergestalt nit vermuge. Nachdem uns aber vor etlichen tagen auch angelangt, daz gemelt Aydgnossen des willens sein solten, durch ditz land zu ziehen, haben wir solhs dazumal der ksl. Mt. auf der post verkündt und versehen uns, sein Mt. werde uns darauf auf das peldest beschaid tun; daz wir inen alsdann von stund an anzaigen und nit verhalten wellen. Ob aber der beschaid oder bevelh von der ksl. Mt. käme dergestalt, das die Aydgnossen durch diz land der ftl. Gft. Tyrol ziehen solten, so mugen doch sy, die haubtleut, selbs ermessen, daz die nodturft erfordert, damit daryn gut ordnung furgenomen und geratschlagt werd, wie solher durchzug beschehen sol, dann daz Etschland ist der sweren und herten jar, auch die langen kriegs halben etwas an lyferung erschöpft, sonderlichen an getraid, das inen teglichen zu irer notturft zugefürt mus werden. So ist daz land eng und hat nit malstat oder herbergen, das sich vil volks wol enthalten müge, deshalben über 5[00] oder 600 man under ainmal nit kunden durchgelassen werden. Und das alweg ain yeder haufen dem andern drey tag nachzug, so möcht in derselben zeit in den herbergen und auf den strassen sich die undertanen wider mit lyfrung versorgen. Solhs sullen die gedachten ret mit der Aydgnossen haubtleut mitler zeit disputiern und uns desselben berichten. Ob dann uns mitler zeit von ksl. Mt. beschaid kome, den wollen wir inen auch zuschriben, wie sy dann mit pestem fug zu tun wol wissen. Innsbruck, TLA, Maximiliana XIV/1512, fol. 95a u. b, Kop.