Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Bemühungen des Ks. um Beilegung der großen ständischen Konflikte im Reich; [2.] Vorschlag des Ks. zur Einsetzung einer Schiedskommision im Streit zwischen dem EB von Mainz und dem Kf. von Sachsen um Erfurt; [3.] Ksl. Schiedsvorschlag zum Konflikt zwischen der Landgf.in von Hessen und den hessischen Landständen; [4.] Vorschlag des Ks. zur Einsetzung einer Schiedskommision in der Auseinandersetzung des Bf. von Bamberg mit dem Mgf. von Ansbach-Kulmbach; [5.] Ersuchen des Ks. an die Stände, ihre Meinung zum Konflikt zwischen dem Kg. von Dänemark und Lüneburg (Lübeck) zu äußern; [6.] Mißstimmung unter den Ständen wegen der langen Dauer des Reichstags, Wunsch nach Verschiebung aller ungelösten Probleme auf einen neuen Reichstag in Straßburg; [7.] Verzögerung der Einungsverhandlungen zwischen den fränkischen Bff. und Nürnberg durch den Bf. von Eichstätt, Vorbereitungen Nützels für seine Abreise aus Augsburg.

Augsburg, 30. April 1510

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 118a-119b, Konz. (Vermerk am Ende des Stücks: Pey dem Schpensitzer, poten, in eyl; soll am freitag [2.5.10] fru zu Nurmberg am tor sein oder ein stund auf das lengst darnach.).

Geht davon aus, daß sein durch den Augsburger Boten Walch übermitteltes Schreiben vom 29. April (Nr. 558) in Nürnberg eingetroffen ist.

[1.] Nachfolgend und nemlich auf gestern, eritag [29.4.10], nach mitag ist die röm. ksl. Mt. perschonlich vor den stenden des Reichs erschinen. Hat alda durch den von Zorn vier stuck lassen furtragen und zuforderst lassen anzeigen, nachdem der stend unterdenig wegern und pit zu mer mal an ir Mt. sey gewest, das ir Mt. sich woll untersteen, die gebrechen und irung, so sich zwischen etlichen stenden des Reichs halten, genediglich zu vertragen und hinzulegen, mit anzeigung, das on das ir Mt. nit fruchtparlich und austreglich in ytzigem und andern nachfolgenden des Reichs anligen geholfen müg werden, das hab ir Mt. als der, so un das geneigt zu frid und einikeit, zu herzen genomen, und deshalb mer dann einen tag sich wemüt.

[2.] Und erstlich von wegen der beder Kff. Meinz und Sachsen, gedeucht ir Mt. gut, das bede die schpennigen Kff. ir yder 4 perschon heten ernent. Nachfolgend solten die andern zwen stend der Kff. als nemlich die geistlichen einen und die weltlichen einen ernennen. Dieselben zehen perschon solten mitsambt etlichen treffenlichen ksl. reten die parteien von wegen der stat Ertfurt vernemen und allen muglichen fleis furwenden, sie in der guet zu vertragen. Und wa sie aber dasselbig mit wissen uber irn ankerten fleis nit mochten oder wurden vinden, so solten sie macht haben, entlich und rechtlich bekantnus zu tun; dapey es also weleiben solt.

[3.] Zum andern der irrungen halb, die sich halten zwischen der lantschaft und der Landgf.in zu Hessen, het ir Mt. für gut angesehen, das sie, die Landgf.in, mit 4[000] pis in 5000 fl. jerlicher nutzung versehen und verwisen solt werden. Darzu solt sie den jungen F. [Landgf. Philipp von Hessen] unter irem gewalt haben, pis er in das zehend jar seines alters reichet, und nachfolgend solt im sein ftl. stand gehalten und verordent werden. Es solt auch die frau ein mitregirerin neben andern, so man darzu verordnen mocht, des lands sein und macht haben, perschonlich in reten zu sitzen oder ymand, an ir stat dareinzugeen, verordnen. Und dan von wegen der session pey den reichsstenden, die [die] frau als regirente F.in hat wegert zu haben, sollen die verordenten regenten mitsambt ir, der F.in, macht haben, einen sambtlich zu wenennen, der also die hessisch session soll inhalten, pis der jung F. zu sein jarn kumbt. Es ist auch gerett, wie es mit den kleinoten und anderm gehalten soll werden etc. [Nr. 185].

[4.] Zum dritten der irrung halb, so sich helt zwischen Bamberg und Brandenburg,1 gedeucht ir Mt. gut, das comissarien, dieselbig sach zu verhorn, ernent wurden, die auch allen muglichen fleis solten furwenden, sie gutlich miteinander zu vertragen. Und wa sie dasselbig also gutlich pey den parteien nit wurden vinden, so solten sie alsdann auch macht haben, sie rechtlichen und entlich zu entscheiden.

[5.] Zum vierten so hielt sich ein widerwill zwischen kgl. wird zu Tenmark und der stat Linenwurg,2 also das gedachter Kg. wolt vermeinen, etlich gerechtikeit und oberkeit uber solche stat zu haben. Nachdem aber ir Mt. ein gruntlich wissen hett, das gemelte stat Linenburg pey irer Mt. vorvarn und auch pey irer Mt. ye und allweg zum Reich wer gehorig gewest, so geducht ir Mt. gut sein, das nochmals darob zu halten wer, damit die nit also wenotigt und von dem Reich gedrungen würd. Wie und welcher gestalt aber dasselbig furzunemen, darin wegert ir Mt. der stend gutgedunken zu vernemen. Und solchs alles hette ir Mt. disen sachen zu gut pey etlichen irn reten in rat gefunden und selbs auch fur guet angesehen. Doch wolt ir Mt. das alles dahin gestelt haben, das sie, die stend, dasselbig mochten mern, mindern oder, ob sie auf ander geschikter und austreglicher mitel und weg westen zu handeln; darin wolt ir Mt. genediglich verfolgen etc.

[6.] Auf solchs haben die stend ein wedacht genomen, und wirdet auf morgen [1.5.10] geratschlagt, was ksl. Mt. fur antwort in disen vellen zu geben sey. Ich vermerk aber nimand, der vast lustig [= sehr geneigt] sey ob disen sachen als einem neuen furpringen, dardurch allein verlengerung dises tags erwechst. Dann man ist sunst aller ding gefast mit der malstat des reichstags. Der wirdet zu Straspurg meines vermutens gehalten, und die hilf wirdet pey dem colnischen anschlag weleiben. Und ist yderman dises langen verzugs müd. Deshalb nit zu gelauben ist, das sich die Ff. lenger werden aufhalten lassen, sunder alle anhengich sachen auf den kunftigen reichstag verschieben. Damit erpeut ich mich zu euer weisheit diensten, den ich mich alzeit gehorschamlich wefelhen tu, ganz willig. Datum zu Augschpurg am mitwoch abents St. Vilips- und Jakobstag Ao. etc. decimo.

[7.] Zedula an mein Hh., die eltern: Gunstigen, lb. Hh., aus diser schrift, so ich an ein erbern rat gestelt, haben euer weisheit zu vernemen, das sich die sachen hie noch etlich tag mochten verlengen. [...] So pin ich ye noch guter hoffnung, in zweien tagen ein abschid von dem sal[a]mander [= Deckname für Bf. Lorenz von Würzburg3] und haselhun [= Deckname für Bf. Gabriel von Eichstätt] zu erlangen, und vind pey dem salmander ganz kein mangel, das er gern gen Nurmberg zu verner handlung wolt schiken. Aber das haselhun zeucht die sachen fur und fur auf, also das sich geleich der salmander verdrießlich darob lest horn. Sagt, mocht das haselhun wol im schpil leiden, wenn er aber ye nit woll, so woll er fur sich selbs etwas mit euer weisheit machen.4 Und aus disen und andern ursachen mocht ich leiden, das ich pey euer weisheit wer. Und so sich diser tag lenger hie solt verzihen, so kunt ich lang nit anheims kumen, dann nach dem tag zu Ulm wirdet von stund an die handlung zu Schwebischen Hall furgenomen werden. So hab ich mit dem haubtman [Dr. Matthäus Neithart] so vil gehandelt, ob schun etzwas not wurd sein, das der mein wefelch will annemen. Vermeint auch, das unnot sey, das ich lenger hie verzich. Deshalb hab ich mich entschlossen, sunderlich obgemeltem eur weisheit wegern nach, das ich auf den nachsten sambstag [4.5.10] zu nacht zu Tunawerd [= Donauwörth] will sein. Darumb mein pitt an eur weisheit, darob zu sein, das mir etlich reuter daselbsthin auf gemelten abent zugeschikt werden, die suntags fru darnach [5.5.10] verner meiner noturft nach haben zu gebrauchen, dann diser zeit eben vil ab- und zureiten ist, des versehens, eur weisheit werden ine solch mein furnemen gefallen lassen. Datum ut in litera.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist wohl der Konflikt um die Burg Streitberg. Vgl. Nr. 230.
2
 Über einen Konflikt zwischen der Stadt Lüneburg und dem Kg. von Dänemark im Jahr 1510 liegen keine Nachweise vor. Möglicherweise ist jedoch die Auseinandersetzung des Dänenkönigs mit der Rst. Lübeck gemeint. Vgl. dazu Abschnitt I.4.7.13.
3
 Siehe Nr. 527 Anm. 1.
4
 Unter der Überschrift Hernach volgt die abred, so ich mit dem salmander und dem haselhun welangend die einigung getan verzeichnet Kaspar Nützel folgendes Ergebnis seiner Verhandlungen mit Bf. Lorenz von Würzburg und Bf. Gabriel von Eichstätt über eine Einung mit Nürnberg: Item das unser keiner gegen dem andern in sein selbs sachen zu aufrur oder krieg komen soll. So sich aber irrung zwischen unser wegeb, sollen solche auf dem austrag, in der copey zu Haßfurt wegriffen, westeen und derselb hierin ausgedruckt werden. – Das kein teil dem pfaben [= Deckname für Mgf. Friedrich von Ansbach-Kulmbach, siehe Nr. 527 Anm. 1] und seinen erben in zeit diser abred in keinerley weg wider den andern hilf oder mit der tat beistand tu. – Das kein teil des andern ausgedreten in sein schloß, stett, merkt und dorfer einnemen noch die wissenlich an des andern teils, dem die zugehorig sind, willen enthalten lassen soll. – Das kein teil des andern veind oder weschediger wissentlich enthalt, die furschieb oder an verwilligung vergleit. – Das yglicher teil sich gegen des andern veinden und weschedigern halt und erweis nach vermogen des hl. Reichs aufgerichten ordenungen, landfriden und derselben declaration. – Wie ein yeder den andern warnen und gesellendienst tun, das soll gestelt werden, wie derohalben vor zu Haßfurt wegriffen ist, nemlich die warnung zu tun und das es der gesellen dienst zu yedes gefallen nach seiner gelegenheyt stee. – Geleits halben solt es wie pisher geschehen und wan man ander leut geleitet, nochmals gehalten werden, ganz ungeverlich. Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 123.