Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Komplizierter Stand der Affäre um die jüdischen Bücher; [2.] Angelegenheit der verpfändeten Kleinodien Hg. Erichs von Braunschweig-Calenberg; [3.] Angebliche Reise des Ks. zu seiner Schwester nach München; [4.] Hilfeersuchen des Ks. an Ff. und Rstt.; [5.] Rüstungen der Venezianer; [6.] Ritterspiel unter Beteiligung des Ks.; [7.] Verärgerung der Stände über den Stillstand in vielen Angelegenheiten, u. a. in der Münzsache; [8.] Unklarheit über die Rückkehr des Ks.

[Augsburg], 22. April 1510

Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 25, fol. 91-92, Orig. Pap. m. S.

Teilregest: Andernacht, Regesten, Nr. 3665.

[1.] Gruß. Hat das durch den Boten Jost überbrachte Schreiben Frankfurts (Nr. 490) erhalten und wäre auch gerne bereit gewesen, ihm Folge zu leisten, konnte jedoch auch schon zuvor nichts erreichen. Ich habe auch mit rat des juden allehie [wohl: Jonas von Kostheim] zo Augschporg gehandelt, aber mit fugen nit mogen handelen us orsachen, daß der handel so feregremet ist. So hab ich auch kein befele, gelt uszugeben von euer wißheit, sonder von den juden, wo ich den handel ganz kont henlegen, das ganz abegeschafft mocht werden, daß man sie bie erem alten herkomehen bliben liß uf die 200 fl. und sost nit. So ist es mir nit moglich mitsampt den juden, sonder wo mir den handel anregen, helt man uns wole fore, wo man etlich tusent fl. geben wolt, alsbalde so wolte man fliß ankeren. Aber umb der 200 fl. ein F. in unwillen brengen, wolten sie nit dune in kein wege. Auch so ist der handel also veregremt, daß uns der handel zu schwer ist. Man hat auch den drock, der zu Frankfurt dieß meß gewest ist, allehie.1 Besorg ich, es wer schpotlichen, daß der ksl. Mt. darvon falle[n] solt, dan die swester [Ehg.in Kunigunde], Hg. Albertz verlaßen husfraue, hanget hart daran. So vermeint[en] auch die juden alle hie, nit dermaßen gelt uszugeben. Der handel der bucher halber drifft auch die juden nit allein zu Frankfurt an. Solten sie dan das usfechten uf eren kosten, sint sie nit gemeint in kein wegen. Es mocht auch mit der zit komehen, daß die fremeden juden ir bucher also verloren wolten haben. Geben ich euer wißheit im besten zu versthen, habe ich von den juden versthanden.2

[2.] Auch der juden halber Hg. Jeregen [= Erich] von Brunenswiges halber konden auch in kein weg verhort werden und ligen schwerlich hie und verzeren hie, weß sie haben. Klagen sie mir dergelich, aber wolten es die zit haben. Wo ich mit fugen handelen mocht, wolt ich allen fliß ankeren euer wißheit zu gut.

[3.] Der Ks. rit auch etwan us, man saget, er wer jetz nach messerecurde [14.4.10] zu siner swester gen Monchen geriten. Biet, euer wißheit wolle dieß min schriben zu gut von mir haben.

[4.] Item vor metwochen [17.4.10] hat die ksl. Mt. sthet zu allen Ff. gescheckt und sonderlich icklichen in sonderhett befraget, weß sie der ksl. Mt. sthet zu hilf komehen wolten. Weß sie aber zu antwort geben haben, ist mer verborgen. Und uf denselben tag, da hat der ksl. Mt. sthet zu den sthenden von stheten gescheckt Dr. Butenger [= Peutinger], sthatschriber zu Augschporg, und hat uns vor lasen tragen, wie die ksl. Mt. sthet dem Rich zu gut bracht hat das lande Borgonden und ander lan[d]schaft, und darmit sie bie dem Rich bliben mogen und nit so hoch beschwert werden mogen, daß sie uf diese male em zu holf comen, und auch kein antwort begert. Haben die von stheten sich underriten, sie wolle[n] horen, weß sich die Ff. underriden aber [= oder] eins werden, sich witer daruf bedenken. Item es ist auch kein ander anschlag, dan wie man das Rich umb gelt mogen brengen. Weß sost vor ein anschlag hat, wille ich euer wißheit nit verhalten lang, dan es ist umbe gelt zu dune und umb kein folk, das mer schicken dorfen. Biet doch, in geheim zu halten.

[5.] Item nuher mer weiß ich euer weißheit sonderliches zu schreiben, dan die Fenedeger rusten sich fast [= sehr] und forchten sich hogelich vor dem Kg. von Frankrich. [...] Ich weiß euer wißheit sonderliches nich[ts] nuhes zu schriben, das warhaftiges ist.

[6.] Dan uf montag dar vor datum [15.4.10] hat der Ks. usgeben zu ren[nen] 14 elen sidentuch. Hat der von Wirtenberg mit zweihen perden gewonen. Sint der laufen perten gewest 22 perten. Ist der Ks. auch darbie gewest und umb 8000 im felde gehalten zu fuß und perten.

[7.] Lb. Hh., es wirt auch nit sonderlich hie beschlossen. Man let ander hendel ligen, da etwas fel angelegen ist. Sonderlich der monz halber hat man necht angefangen zu handelen, und ligen etwas felle hie mit schweren kosten und großem unwille. [...]

[8.] Lb. Hh., ich habe den boten lassen laufen, diewile auch der Ks. nit hie zu Augschporg ist. Man weiß auch nit, wan er kompt. Kan ich doch etwas usbrengen, wan der Ks. kompt, so wille ich das euer wißheit mit vergeben botschaft wole schicken. Ich weiß euer wißheit necht sonderliches zu schriben uf diesmale. Dan der almechtig Got schpar euch friß und gesont in einem guten regement. Datum geben uf montag nach dem sontag nach jubelate Ao. domini 1510.

Anmerkungen

1
Nach Andernacht, Regesten, S. 961 Anm. zu Nr. 3665 ist damit die Ks. Maximilian gewidmete undatierte, jedoch wohl im März 1510 verfaßte Schrift Johann Pfefferkorns Zu lob und Ere des allerdurchleichtigsten und großmechtigisten Fürsten und Herren, Herr Maximilian, von gottes gnaden Römischen kaiser […] hat durch Joannes Pfefferkorn etwan ein jud […] dys büchlin gemacht gemeint, in der der Verfasser detailliert die Notwendigkeit der Beschlagnahme der jüdischen Bücher in Frankfurt erörtert. München, BSB, Res./4 Polem. 3340,8 (gedruckt bei Erhard Öglin in Augsburg). Beschreibung dieser und anderer gleichfalls 1510 erschienener Druckausgaben der Schrift bei Böcking, Hutteni operum supplementum, S. 69-72 und Köhler, Bibliographie 3, Nr. 3710, 3711, 3719. Ausführliche Inhaltsangabe und Erläuterung des Textes bei Martin, Die deutschen Schriften, S. 207-237. – Darüber hinaus verfaßte Pfefferkorn auch noch ein undatiertes, jedoch wohl gleichfalls im März 1510 entstandenes Sendschreiben an Geistliche und Weltliche (gerichtet war es zweifellos in erster Linie an die auf dem Augsburger Reichstag versammelten Reichsstände) mit der Aufforderung, die vom Ks. gebilligte Konfiszierung der jüdischen Bücher nicht zu verhindern. Druck: Böcking, Hutteni operum supplementum, S. 73f. Einzelheiten dazu mit wichtigen Textergänzungen bei Spanier, Pfefferkorns Sendschreiben.
2
 Der Fortgang der Affäre um die konfiszierten Bücher der Frankfurter Juden in den folgenden Wochen stellt sich folgendermaßen dar: Mit Schreiben aus Augsburg vom 23. Mai 1510 teilte der Ks. Frankfurt mit, er habe aus wichtigen Beweggründen die Kommission, die er EB Uriel von Mainz in Sachen der beim Frankfurter Rat hinterlegten jüdischen Bücher erteilt habe, aufgehoben und dem EB befohlen, in dieser Angelegenheit bis auf weitere Weisung nichts zu unternehmen. Darüber hinaus habe er der Frankfurter Judenschaft gestattet, ihre eingezogenen Bücher wieder zu übernehmen und zu gebrauchen, dergestalt, daz dieselben puecher, alle und yedes besonder, was die innenhalten, aufgezaichent und daruber gelübd von juden genomen werde, solich puecher in irn sinagogen, schuelen und heusern unverendert zu prauchen und sonst niender zu fueren oder ze tun unz [= bis] zu vollendung unsers furnemens und beschau derselben puecher. Demgemäß befehle er, den Juden die hinterlegten Bücher zurückzugeben und sie geloben zu lassen, sie nur in ihren Synagogen, Schulen und Häusern zu gebrauchen und nirgendwo anders hinzubringen. Bei einem Vorstoß würden sie wieder eingezogen. Frankfurt, IfStG, Juden Akten 779, fol. 71, Orig. Pap. m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Präs.vermerk: Praesentatum 6a post Bonifacii Ao. 1510 quid fuit 6. Junii). Teildruck: Graetz, Aktenstücke, S. 401. Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 3675. – Am 26. Juni 1510 erklärte der Ks. in Augsburg, das wir gütlich angesehen die erberkeit und schicklichkait unsers und des Reichs getruwen Johannsen Pfefferkorns, auch sunderlich sein kunst und gegrundt erfarn der hebreyschen zungen und glaubens, dardurch wir unserm hl. cristenglauben merung und guts zu schaffen verhoffen. Er habe deshalb und aus anderen Beweggründen Pfefferkorn als Diener in seinen besonderen Verspruch, Schutz und Schirm aufgenommen und ihm sein und des Reiches freies Geleit erteilt. Pfefferkorn solle dieselben Vorteile, Rechte und Gerechtigkeiten wie andere ksl. Diener im ksl. Schutz und Schirm genießen und sich, von jedermann unbeeinträchtigt, überall frei und sicher bewegen können. Allerdings sei er verpflichtet, jedermann um etwaige Ansprüche und Forderungen vor Bm. und Rat von Köln zu Recht zu stehen. Allen Reichsuntertanen werde unter Androhung schwerer Strafe befohlen, diese Verleihung zu achten und Pfefferkorn in keiner Weise zu beeinträchtigen. Frankfurt, IfStG, Juden Akten 779, fol. 72a-73a, Kop. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein; Beilage zu Nr. 492 Anm. 2); Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 3681. – Mit Schreiben aus Füssen vom 23. Juli 1510 teilte der Ks. Frankfurt mit, er habe die handlung der judenpucher halben, daryn ir euch vormals auf unser schreiben gehorsam gehalten, dem EB von Mainz schriftlich übermittelt, außerdem Johann Pfefferkorn zum Sollizitator verordnet und ihn mit Geleit, Schutz und Schirm versehen. Er befehle, Pfefferkorn auf sein Ersuchen hin gegen jedermann, insbesondere gegen die Juden, so in haimlich oder offenlich zu smehen oder zu belaidigen understeen wurden und bisher belaidigt hetten, zu schützen und zu schirmen und nicht zu gestatten, daß er beschwert werde. Ebd., fol. 74, Orig. Pap. m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein; Präs.vermerk: Praesentatum tertia post Bartholomei Ao. 1510 [27.8.10]; Kanzleivermerk auf der Rückseite: Der röm. Ks. schreibt Pfefferkorn halber, das er wider befelh hat, der judenbucher halber zu handeln); Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 3683.