Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Hoffnung auf Fortgeltung der ksl. Freiheiten für die Städte der Landvogtei Hagenau; [2.] Gravierende negative Auswirkungen des Pfahlbürger-Artikels für Colmar; [3.] Befehl Ks. Friedrichs III. an Gf. Ludwig von Württemberg-Urach zur Beachtung der Steuerfreiheit Colmars; [4.] Beschluß einer Versammlung elsässischer Stände im Jahr 1331 zu den Rechten ausgezogener Untertanen; [5.] Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs Colmars mit allen Gefällen, andersartige ökonomische Grundlage der elsässischen Städte im Vergleich zu den schwäbischen; [6.] Bitte an den Ks., Colmar bei seinen Freiheiten und Rechten bleiben zu lassen.

Colmar, [Ende Juli/Anfang August 1512]1

Colmar, AM, AA 58, Nr. 13, Kop. (Kanzleivermerk auf der Rückseite: Handlung dern, so ir güter usserthalb der statt Colmar an andern enden ligen habent, die nit zu [be]schweren noch bewerfen, sonder bey alten harkomen pliben lossen Ao. 1512).

Uf den artikel berüren den frigen gezog und die beswerd, so vermutet, understanden ze werden, uf die gütere, in andern Hftt. gelegen, ze legen [Nr. 990 [24.]], deshalb H. Conrat Wickram, sampt eines ersamen rats botschaft zu Hagnowe zu ksl. Mt. ze ryten, verordnet etc., 2 ist dis die instruction.

[1.] Zu dem ersten, so ist wissentlich, kundlich und offembar, das die landvogty Hagnow in gemeyn und darnoch yede statt in sonderheit von hochloblicher gedechtnussen röm. Kss. und Kgg. genediglich fürsehen und gefrigt, von einem an den andern confirmiert und zu jungst von gegenwirtiger ksl. Mt., derzeit in kgl. wurden, och bestatigt worden,3 und insonder, als ir Mt. die stett in pfalzgravischer recht ingenomen, sonder gnaden mit inen geeilt und verschriben, by iren gnaden, fryheiten, gewonheiten, rechten und alten herkomen beliben ze lossen etc. Dwyl dem also, stot ein ersamer rat ungezwivelter hoffnung, ksl. Mt. werd sich, hiewider ze tund, nit bewegen, sonder die stett, wie von alter harkomen, bliben lossen.

[2.] Zu dem andern, so ist der statt Colmar, solichs zu gedulden oder ze liden, nit moglich. Und so das sin fürgang gwinnet, mochte die stat in keinen weg gehalten noch röm. ksl. Mt. und dem hl. Rich ire dienstbarkeiten tun usser der ursach, das die bürger und inwoner der statt Colmar umb des geringen banns willen fruchtbarer gutere ungefarlich ire acker und rebbuw, daruf allein ir narung stet, in 16 oder 17 bennen anderer Hftt. buwen. Und so der furgenomen artikel sin furgang haben, ist zu bedenken, dwyl yederman sin frygen gezog hat, das fyl der bürger usser der statt Colmar zu iren gütern under die Hftt. ziehen, dann sich an allen orten dienstbar ze machen oder gewerf [= Steuer, Abgabe] ze geben, ist dem armen diser landsart nit moglich. Darab zu versten, das dodurch die statt ode, zu abgang und dem hl. Reich die statt nit gehalten noch auch die pflichtigen dienstbarkeiten reichen oder geben mochte.

[3.] Zu dem dritten, so ist wor, vormals ist derglichen von einem Gf. zu Wurtenberg, namlich Gf. Ludwigen [I. von Württemberg-Urach] etc., durch einen amptman zu Richenwiler fürgenomen und understanden worden, uf die guter, den bürgern zu Colmar zu [folgt eine freigelassene Lücke], in sinen gebieten und bennen gelegen, beswerung der gewerf und andere dienstbarkeiten ze legen. Des sich ein rot von Colmar vor hochloblicher gedachtnus Ks. Fridrichen [III.], derselben zeit in kgl. würden, beclagt. Do sin Mt. uf empfangenen bericht der manigfaltigen fryheiten, von hochloblicher gedachtnis röm. Kss. und Kgg. gegeben und von ir Mt. confirmiert, desglichen der lang harbrochten bruch und loblichen harkomen, och das es zu liden nit moglich, hat ir Mt. ein bevelch lossen usgen an gemelten von Würtemberg, die statt Colmar lossen blyben etc. noch besag ir fryheit und lang hargebrochten loblichen bruches, als das die schrift[t], doruber usgangen, clarlich uswyst.4 Das och bitz uf den tag von meniglich unangefochten gebliben.

[4.] Zu dem vierden, so ist wyssentlich und offenbar, das vor 181 jaren deshalb von wegen des huß Osterrich, des bystumbs Straßburg, der aptye Murbach etc. und vil andern Hftt. ein versamlung zu Rufach gewesen und von yeder Hft. botschaft verordnet, die in bysin eins Bf. zu Straßburg, namlich Bf. Bechtolds [= Berthold von Buchegg] loblicher gedachtnus, uf ir eyde erkannt, das hievor vor 60 joren also gehalten. Und lutet der artikel also: „Und wart erkennt uf den eyd, das die gezoge in dem lande by 60 joren und me alsus gestanden sind: Welches H. lute under ein andern H. ziehen wollent und einer under dem H. burger würt, dem sol der H., von dem er zuhet, sin lip und gut leiten, ist, das er sin bedarf, also ferre sin gebiete get, one alles geverde. Er sol auch sitzen under demselben H., under den er zuhet mit sinre husrochin [= Ehefrau], mit dem, so er hat. Er mag ouch zu sinem gut reiten oder gon, under welchem H. er das hat, und das buwen und diewil doligen in gastenwyse und zu herbest und zu ernten mit wibe und mit kinden dosin einen monet, ob er wil. Er mag ouch uf sinem buwhofe, ob er deheinen hat oder on das einen knecht do sitzende han, der ime sins guts pfliget und das buwet. Derselbe knecht sol ouch wunne [= Wiese] und weyde nutzen als ander sine umbsessen, do das ist, dienen in der massen, als er tete, als er mit sein knecht were.“5

[5.] Zu dem fünften, so ist die statt Colmar eins witen begriffs und hat dhein andere gefelle in keinen wege, dann die, so sy uf sich selber legend, so in gewerf und zollen des wins und korn, und das sy mit herter, grosser arbeit und swerem costen erbuwen. Von solchen gefellen geben wir ksl. Mt. jerlichen 500 fl. So ist das ungelt zum halben teil ir Mt. Dorab ze nemen, daß mit guter ordnung und ernstlichen vleyß ob den gefellen gehalten werden müß, oder es were nit moglich, das ein solche wyte zarg [= Einfassung, hier: Landfläche] von einer so geringen burgerschaft, die sich allein des buwes der erden herneret und mit dem usgeben so trefenlich uberladen, und so fyl der closter, deren lib und gutere merenteyls fryg in der zargen ligen, in wesenlichem buw gehalten werden mochte, als bitzhar beschehen. Es kan noch mag och in diser landsart den stetten nit moglich sin als den stetten, in Swoben und andern enden gelegen, dwyl ir narung allein uf win und korn stot und kein andern zufall oder narung habent, in disen artikel zo gen noch den ze herliden, dwyl der Hftt. und der bennen von menge wegen der flecken sofyl aneinander stossent und underainander vermischet gelegen sind. Das den swebischen und andern stetten, wie obstat, nit beswerlich, die usserhalb irer zarg eygen Hft. haben. Do ein statt Colmar nichtz eigens, sonder ir bannen wol uf sechs Hftt. stosset, do mancher bürger under den allen güter ligen hat.

[6.] Doruf röm. ksl. Mt. zy bytten, ein statt Colmar mit gnoden noch gelegenheit der landsart ze bedenken, by iren fryheiten, rechten, alten gewonheiten und harkomen gnediglich lossen bliben, in mossen sy von hochloblicher gedachtnus röm. Kss. und Kgg. gehandhabt und by regierung gegenwurtiger ksl. Mt. gebliben und gehandhabt syend etc.

Anmerkungen

1
 Die Datierung ergibt sich aus der Zusage Ks. Maximilians vom 11. August 1512 für Colmar und die übrigen Städte der Landvogtei Hagenau, daß ihre Freiheiten durch die von ihm geforderte Besteuerung der Pfahlbürger nicht beinträchtigt werden sollen. Nr. 1499.
2
 Zu den Kosten der Reise Wickrams zum Ks. nach Köln vgl. Nr. 1841.
3
 Bestätigung der Freiheiten der elsässischen Zehn Städte durch Kg. Maximilian, Aachen, 4. Juli 1494. Druck: Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 192.
4
 Steuerbefreiung Kg. Friedrichs III. für alle in fremden Hftt. gelegenen Güter Colmarer Bürger, Bacharach, 21. Juni 1442. Druck: Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 181. Zum Gebot Kg. Friedrichs an Gf. Ludwig I. von Württemberg-Urach, diese Freiheit zu respektieren, vgl. Hunkler, Geschichte, S. 52f.
5
 Abkommen über den freien Zug im Land, Rufach, 20. Februar 1331. Druck: Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 67 (vom Zitat in der Colmarer Instruktion leicht abweichender Wortlaut).