Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
2.1 Einberufung des Reichstags im Vollzug des Reichsabschieds 1555
Die Einberufung des Reichstags 1556/57 beruhte reichsrechtlich nicht auf dem allgemein üblichen Verfahren, bei dem das Reichsoberhaupt die Veranstaltung mit Konsens der Kurfürsten beschloss und mittels eines allgemeinen Ausschreibens öffentlich kundtat, sondern die Reichsversammlung bezog ihre Legitimation aus dem Reichsabschied 1555, der mit der Vertagung zweier Hauptartikel die Thematik sowie Ort und Termin vorgab. Damit erübrigte sich ein Ausschreiben, da dessen Funktion – die Bekanntgabe der Verhandlungsinhalte sowie die örtliche und zeitliche Festlegung – der Reichsabschied 1555 übernahm.
Den Ausgangspunkt der Prorogation bildeten die 1555 nicht erledigten Verhandlungen zur Beilegung der Glaubensspaltung. Deshalb haben sich die Gesandten der Kurfürsten und die anderen Reichsstände mit dem König „verainigt und endtschlossen, dises articls erledigung auf khünftige reichßversamblung zu verschieben“1. Zwar musste Ferdinand I. im Reichsabschied eingestehen, dass „edlicher [...] churfursten verordnete räte in ainen khunftigen reichßtag mit bestimbung gewisser zeit und malstatt von iren L. nit abgefertigt und derhalben mangl ireß gwaltß und bevelchs darein nit willigen khonnen“, doch stützte er sich statt dessen auf die Stellungnahmen der Kurfürsten zu seinen im August 1555 an sie abgeordneten Gesandtschaften wegen der Gesamtvertagung des Reichstags, die er so interpretierte, „daß wir uns nit versechen, daß ir ainem die bestimbung und ansetzung gewisser zeitt und malstatt zu solchem reichßtag zuwider sein lassen werde.“ Unter Berufung darauf setzte der König namens des Kaisers und kraft des Reichsabschieds den neuen Reichstag für 1. 3. 1556 in Regensburg verbindlich „on ainich verner ersuechen und außschreiben“ an. Als Themen wurden festgelegt der Religionsvergleich, der Vollzug der Reichsmünzordnung „und was sonst mittlerweil für mehr obligen und sachen fürfallen werden“, die Beratungen des Kaisers und der Reichsstände erforderten2.
Damit war der neue Reichstag ohne Ausschreiben legitimiert, indem er als Fortsetzung der Verhandlungen von 1555 anberaumt und auch verstanden wurde: Der kursächsische Gesandte Lindemann konstatierte in der Versammlung der CA-Stände, dass „dieser reichstag ein appendix unnd execution der vorigen, zu Augspurg gehaltenen versamblung ist“3. Zugleich entband die Einberufung mittels der Vertagung den König von den ansonsten erforderlichen Bemühungen, den Konsens der Kurfürsten für das Ausschreiben zu erlangen. Der Konsens war allerdings ebenso für den Vertagungsbeschluss in Augsburg unumgänglich. Auf die dabei aufgetretenen Probleme deuten der im Abschied erwähnte Widerstand von kurfürstlichen Gesandten und die vage Formulierung bezüglich der Antworten ihrer Herren hin. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Konstituierung des Reichstags 1556/57 sollen diese Verhandlungen kurz dargelegt werden.
Nachdem der König am 21. 9. 1555 die Vertagung der genannten Punkte und die Vereinbarung eines Reichstags gefordert hatte, befasste sich der Kurfürstenrat am 22. 9. mit dem Antrag. Die Deputierten Kurtriers und Kursachsens hatten aufgrund der positiven Antworten ihrer Herren auf die Werbung des Königs im August 1555 keine Einwände; Kurköln schloss sich dem an. Kurbrandenburg sah die Festlegung des Reichstags zwar als Verstoß gegen die Wahlkapitulationen von Kaiser und König, wollte sie unter Vorbehalt der kurfürstlichen Rechte aber nicht behindern. Die Kurpfälzer Gesandten dagegen lehnten die Bewilligung mit dem Argument fehlender Weisung strikt ab. Als Beschluss wurde das vermittelnde Kurmainzer Votum übernommen: Der Reichsabschied sollte eine künftige Reichsversammlung nur als „generalmeldung“ ohne Konkretisierung erwähnen, ansonsten bestand man auf dem hergebrachten Einberufungsverfahren. Da in den offiziellen Verhandlungen keine Einigung möglich war, lud Ferdinand die kurfürstlichen Gesandten zu einer Privatunterredung, in der man sich am 23. 9. 1555 auf oben zitierte Formulierung im Reichsabschied einigte. Indem der König sich darin auf seine Interpretation der vorausgehenden Aussagen der Kurfürsten zu den Werbungen stützte, konnte er deren Gesandte aus der Verantwortung für die Bewilligung des neuen Reichstags nehmen4.
Ein Blick auf die Antworten der Kurfürsten zur Prorogationswerbung Ferdinands im August 1555, die den Abbruch des Reichstags noch vor dem Abschluss des Religionsfriedens und die Vertagung aller Verhandlungen bis 1. 3. 1556 nach Regensburg5 vorsah, zeigt, warum die diesbezügliche Passage im Reichsabschied (§ 141) so vage formuliert wurde: Positiv äußerten sich Kurmainz, Kurtrier und Kurköln, Kurbrandenburg riet indifferent zur Fortsetzung der Augsburger Beratungen6. Kursachsen lehnte den Aufschub vor dem Abschluss des Religions- und Landfriedens und damit den sofortigen Abbruch des Reichstags ganz entschieden ab, räumte im Anschluss an eine Verabschiedung des Religionsfriedens die Vertagung der übrigen Verhandlungspunkte und damit die Ansetzung eines neuen Reichstags aber ein. Kurfürst Friedrich von der Pfalz dagegen wies den Prorogationsplan grundsätzlich zurück. Damit konnte der König lediglich vom mehrheitlichen kurfürstlichen Konsens für die Festlegung des Reichstags im Reichsabschied ausgehen, da zumindest die Ablehnung durch Kurpfalz feststand, die in der erwähnten Schlussdebatte die Gesandten im Hinblick auch auf die Teilvertagung bekräftigten7.
Trotz der angreifbaren reichsrechtlichen Basis blieb es bei der Einberufung des Reichstags 1556/57 im Vollzug des Reichsabschieds 1555. In Regensburg bemängelte lediglich Kurpfalz das Einberufungsverfahren8, ansonsten gab es weder vor noch beim Reichstag Einwände gegen die Festlegung der Themenstellung und die Terminierung für 1. 3. 1556. Den knappen Zeitraum hatte Ferdinand gewählt, um sich neben den vertagten Themen Religionsvergleich und Reichsmünzordnung wegen der für 1556 erwarteten türkischen Offensive in Ungarn die Option für die rechtzeitige Forderung einer Reichshilfe offenzuhalten9. Offiziell gab er die Türkenhilfe den Ständen nur wenig später in der ersten Reichstagswerbung als Hauptartikel der künftigen Reichsversammlung bekannt.
Die im Dezember 1555 geplante erste Reichstagswerbung König Ferdinands verfolgte im Wesentlichen drei Absichten: Die Ankündigung der Türkenfrage als weiteres Kernthema des Reichstags neben den im Reichsabschied 1555 vertagten Artikeln, die Bekanntgabe des Aufschubs der Eröffnung bis 1. 4. 1556 und die Anmahnung der persönlichen Teilnahme, um die ebenfalls im Reichsabschied 1555 vereinbarte Durchführung in Anwesenheit des Kaisers oder des Königs sowie möglichst der Kurfürsten und Fürsten vorzubereiten.
In letzterem Punkt wurde Ferdinand von Kaiser Karl V. unterstützt, der Anfang Januar parallel zur Aktion und veranlasst von der Bitte seines Bruders10 ein Ladungsschreiben an die Kurfürsten und viele Reichsfürsten richtete11, mit dem er sie unter Berufung auf die wichtigen Beratungsgegenstände nachdrücklich zum persönlichen Besuch des Reichstags aufforderte, dem auch König Ferdinand beiwohnen werde. Das Schreiben ging hierbei noch vom Eröffnungstermin 1. 3. 1556 aus.
Die erste Reichstagswerbung König Ferdinands richtete sich ebenfalls an die Kurfürsten und ausgewählte Reichsfürsten. Sie wurde regional aufgeteilt vier Gesandten übertragen12: Johann Ulrich Zasius bei den rheinischen Kurfürsten, Jülich, Württemberg und Baden-Durlach; Erasmus Heidenreich bei Salzburg, Bayern und Pfalz-Neuburg; Damian Pflug bei Kursachsen, den Herzögen von Sachsen, Hessen sowie als Sonderfall bei den Bischöfen von Naumburg und Merseburg13; Paul Briesmann bei Kurbrandenburg, Brandenburg-Küstrin, Magdeburg und Herzog Heinrich II. von Braunschweig. Die Instruktionen für die Gesandten14 und damit die vorgetragenen Werbungen stimmen inhaltlich abgesehen von leichten Modifikationen überein: Der König verwies auf die mehrheitlich positiven Antworten zu seiner Vorsprache bei den Kurfürsten und einigen Fürsten während des Reichstags 1555 auch im Hinblick auf den Besuch einer vertagten Reichsversammlung und forderte unter Berufung darauf die Versicherung der persönlichen Teilnahme. Lediglich bei den Kurfürsten von Trier und von der Pfalz wollte er sich wegen deren schlechten Gesundheitszustands mit Vertretungen zufriedengeben. Im zweiten Punkt nutzte Ferdinand die Werbung, um die Türkenfrage neben den 1555 prorogierten Artikeln als weiteres Hauptthema anzukündigen15: Trotz aller Friedensbemühungen seit 1553 fordere der Sultan die Abtretung des von ihm eroberten und an Johann II. Sigismund Szapolyai als Sancak übergebenen Siebenbürgen innerhalb von sechs Monaten, andernfalls drohe er mit Krieg16. Der König bat deshalb im Hinblick auf den Reichstag, der sich damit zu befassen habe, um Gutachten, ob er der Forderung nachgeben solle, was freilich den türkischen Zugriff auf Österreich erleichtern würde. Zum Dritten gab Ferdinand bekannt, dass aufgrund der Entwicklung in Ungarn und der deshalb erforderlichen Landtage in den Erblanden der festgesetzte Beginn des Reichstags zum 1. 3. 1556 nicht möglich sei, sondern bis 1. 4. aufgeschoben werden müsse. Bei den katholischen Ständen verband der König mit der Werbung die thematische Vorbereitung des Reichstags17.
Damian Pflug brachte seine Werbung bei Kurfürst August von Sachsen am 30. 12. 155518, bei den Herzögen von Sachsen19 Anfang Januar und bei Landgraf Philipp von Hessen20 am 18. 1. 1556 vor. Bezüglich Siebenbürgens erhielt Pflug stets die allgemeine Aussage, man werde dies beraten und sich auf dem Reichstag erklären. Die Reichstagsteilnahme stellte Kurfürst August bedingt in Aussicht, falls die Umstände es zuließen. Pflug interpretierte dies als Absage und empfahl dem König deshalb eine Zusammenkunft mit August vor dem Reichstag auch wegen der Vorgespräche zur Türkenhilfe21. Etwas konkreter versicherten die Herzöge von Sachsen, einer von ihnen werde kommen, falls er nicht durch Krankheit verhindert würde. Landgraf Philipp wollte nur anreisen, falls sich sein körperlicher Zustand besserte und die Söldnerwerbungen im Niedersächsischen Kreis eingestellt würden. Kurfürst Joachim von Brandenburg, Markgraf Johann von Küstrin und Erzbischof Sigismund von Magdeburg sagten den Reichstagsbesuch bedingt zu, falls sie daran nicht durch ‚Gottes Gewalt‘ gehindert würden22. Heinrich II. von Braunschweig machte in seiner Antwort das Kommen nach Regensburg von seiner Gesundheit und der Entwicklung im Niedersächsischen Kreis abhängig. Er versicherte, zur Türkenabwehr nach Kräften beizutragen23. Etwas erfolgreicher verliefen die Werbungen Heidenreichs: Erzbischof Michael von Salzburg wollte anreisen, sobald der König dies tat24. Ottheinrich von Neuburg stellte die Teilnahme aufgrund seiner körperlichen Konstitution nur vage in Aussicht, zudem setzte er die Klärung des Sessionsstreits mit Bayern25 voraus26. Albrecht von Bayern bestätigte seine frühere Zusage, außer er würde erkranken27. Zur Türkenfrage äußerte sich nur Ottheinrich konkreter, indem er den König an die Unterstützung auswärtiger Potentaten verwies.
Die Reise von Johann Ulrich Zasius zog sich bis Ende Februar 1556 hin. Die Reaktionen auf die Bitte um ein Gutachten zur Türkenfrage lauteten auch hier durchgehend wenig konkret, man werde sich auf dem Reichstag erklären. Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz und Herzog Christoph von Württemberg sahen aufgrund der Werbung die Türkenhilfe als eigentliches Hauptthema des Reichstags28, den es seitens der CA-Stände deshalb entsprechend vorzubereiten gelte. Kurfürst Friedrich bestritt daneben die Feststellung, er habe 1555 die Vertagung des Reichstags bewilligt29. Die Zusicherung der persönlichen Teilnahme lehnte er ab30. Erzbischof Daniel von Mainz stellte sein Kommen nur bedingt in Aussicht. Er scheute den Reichstagsbesuch wegen neuerlicher Pressionen der CA-Stände im Hinblick auf die Freistellung und den Religionsfrieden allgemein, mit dem die katholische Seite ohnehin zu viel eingeräumt habe. Daneben befürchtete er eine Ausweitung der Probleme mit dem Papst, wie sie bei seiner verzögerten Konfirmation deutlich geworden waren31. Die Werbung bei Kurtrier brachte Zasius wegen der Erkrankung Kurfürst Johanns V. Koadjutor Johann von der Leyen vor. Da ein Reichstagsbesuch des Kurfürsten, der wenig später am 18. 2. 1556 verstarb, ausgeschlossen war, musste sich Zasius hier mit dem Versprechen begnügen, man werde bevollmächtigte Gesandte abordnen. Hingegen konnte er Adolf von Köln gegen dessen Einwände (Unruhen im und um das Erzstift, Religionsverhältnisse in der Stadt Köln) dazu bewegen, sein Kommen nur von dem anderer Kurfürsten abhängig zu machen32. Wilhelm von Jülich dagegen lehnte seine Teilnahme rundweg ab, da der Weg nach Regensburg zu weit und seine Abwesenheit aufgrund seiner Aufgaben als Kreisoberst nicht möglich sei33. Indessen drängte Christoph von Württemberg auf die Anwesenheit Wilhelms von Jülich, da er bei den Religionsverhandlungen einen „treffenlichen, nutzlichen mediatorem unnd schidman geben wurd.“ Seine eigene Anreise band er an jene anderer Kurfürsten und Fürsten, die der König eindringlich befördern sollte34. Ebenso berief sich Markgraf Karl von Baden auf die Anwesenheit anderer Kurfürsten und Fürsten35.
König Ferdinand komplettierte die erste Werbung, indem er weitere Reichsfürsten, die von den Gesandten nicht aufgesucht wurden, im Schreiben vom 6. 2. 1556 (Wien) in gleicher Weise über den Aufschub der Eröffnung bis 1. 4. 1556 sowie die Türkenfrage als zusätzliches Thema informierte und ihre persönliche Teilnahme am Reichstag forderte. Das Schreiben36 ging an die Bischöfe von Konstanz, Bamberg, Würzburg, Speyer, Eichstätt, Augsburg, Münster und Straßburg, an den Deutschmeister, die Pfalzgrafen Johann von Simmern und Wolfgang von Zweibrücken, Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, die Herzöge von Pommern und von Mecklenburg, Herzog Erich von Braunschweig sowie an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und von Holstein37.
Als Fazit der ersten Werbung bleibt festzuhalten: Die Bekanntgabe der Türkenfrage als zusätzliches Kernthema des Reichstags wurde ebenso zur Kenntnis genommen wie der Aufschub von dessen Eröffnung. In seinem zweiten Anliegen, der Anreise der Reichsfürsten, erhielt der König überwiegend nur unverbindliche Zusagen. Lediglich die Erklärungen der Herzöge von Sachsen und Bayern sowie des Erzbischofs von Salzburg und mit Abstrichen der Mitglieder des Hauses Brandenburg ließen deren Teilnahme erwarten.
2.3 Verzögerung des Reichstags und Einrichtung des Reichstagskommissariats
Den in der ersten Werbung mitgeteilten Aufschub des Reichstags von 1. 3. auf 1. 4. 1556 musste König Ferdinand wenig später revidieren und zunächst bis zu einem nicht näher bestimmten Termin prolongieren: In einem Sammelschreiben vom 8. 3. 1556 (Wien) an die Kurfürsten38 sowie zahlreiche geistliche und weltliche Fürsten39 gab er bekannt, dass sich nach der Ständeversammlung in Ungarn der Ausschusslandtag in Österreich länger als geplant hinzöge und deshalb der böhmische Landtag40 wider Erwarten noch nicht habe zusammentreten können. Außerdem erfordere die Entwicklung in Ungarn die Anordnung unaufschiebbarer Abwehrmaßnahmen gegen die Türken. Da demnach seine geplante Anreise nach Regensburg zum 1. 4. 1556 nicht möglich war, empfahl der König den Kurfürsten und Fürsten, ihren Reichstagsbesuch aus Kostengründen ebenfalls aufzuschieben und erst nach einer weiteren Benachrichtigung aufzubrechen. Einen Eröffnungstermin nannte er nicht.
Wegen des Ausbleibens des Königs wurde bei den seit Anfang März in Regensburg am Vergleichstag im Markgrafenkrieg mitwirkenden Gesandten das Gerücht kolportiert, der Reichstag insgesamt werde längerfristig prorogiert41. Vielleicht auch deshalb wandte sich Ferdinand in einem weiteren Sammelschreiben vom 10. 4. 1556 (Wien) nochmals an Kurfürsten und Fürsten42, in dem er einen längeren Aufschub des Reichstags ausschloss, da die wachsende, auch das Reich betreffende Türkengefahr die baldige Verabschiedung von Gegenmaßnahmen dringend erfordere. Er kündigte nunmehr seine Ankunft und die Verhandlungseröffnung für 1. 6. 1556 an und forderte das pünktliche und persönliche Erscheinen zu diesem Termin, um vorrangig zum Widerstand gegen die Türken zu beraten. Ferdinand wurde in seinem Bemühen wie im Januar 1556 nochmals von Kaiser Karl V. unterstützt, der, veranlasst von der Bitte seines Bruders43, bei den Kurfürsten und Fürsten von Brüssel aus am 28. 4. 1556 ebenfalls explizit unter Verweis auf die Angriffspläne der Türken die persönliche Reichstagsteilnahme ab 1. 6. anmahnte. Das kaiserliche Schreiben ging wie jenes des Königs vom 10. 4. neben den Kurfürsten ebenfalls an die Fürsten, die am 8. 3. 1556 über die Verzögerung des Reichstags informiert worden waren44.
Auf diese gemeinsame Aktion des nominellen und des faktischen Reichsoberhaupts hin kamen zwar keine Kurfürsten und Fürsten persönlich nach Regensburg, doch ordnete eine Reihe von Reichsständen Gesandte zum Termin 1. 6. 1556 ab45. Da die Anreise des Königs sich aber weiter verzögerte, beauftragte er seine Vertreter am Reichstag, den anwesenden Ständedeputierten die Ursachen seines Ausbleibens darzulegen und sein Kommen in Aussicht zu stellen, sobald es ohne Gefahr für die Erblande möglich sei. Einen genaueren Termin nannte Ferdinand nicht. Der Vortrag der königlichen Weisung am 10. 6. 155646 veranlasste neben diversen Gerüchten um religionspolitische Hintergründe des wiederholten Aufschubs47, dass Gesandte wegen des unsicheren Eröffnungstermins um ihre Abberufung baten oder von ihren Herrschaften aus Kostengründen abgezogen wurden48. Daneben wurde über den voraussichtlichen Beginn des Reichstags49 ebenso spekuliert wie über die Frage, ob er überhaupt zusammentreten oder nochmals längerfristig vertagt werden würde50. Der hennebergische Verordnete Kistner berichtete am 6. 7. 1556, es seien nur noch wenige Gesandte anwesend, um die Verhandlungsaufnahme abzuwarten. „Und seyn deßen so gewyß als der stund des todts. Niemand saget oder schreybet etwas davon“51. Der stets gut informierte Zasius glaubte zu wissen, dass wegen des Fortgangs des Reichstags beim König selbst „alles inn ungewüßheit gestanden“ und er deshalb seinen Geheimen Rat um Gutachten gebeten habe, ob „mit dem reichstag ytzo stracks zu procedirn oder aber denselben uf etliche monat zu prorogiern.“ Ferdinand werde zudem verunsichert von der Absicht der CA-Stände, gleich zu Beginn „in etlichen hohen, wichtigen und ghar prejuditial puncten zu moviren und furzubringen.“ Dennoch deute vieles darauf hin, dass er persönlich kommen und den Reichstag wohl nicht vertagen werde52.
Zasius hatte insofern recht, als der König wegen der Türkengefahr zwar noch nicht selbst anreisen konnte, aber die Verhandlungsaufnahme nicht länger hinausschieben wollte, vorrangig um der Abreise von weiteren Gesandten zuvorzukommen und die Geduld der in Regensburg verbliebenen Deputierten nicht weiter zu strapazieren. Er versuchte deshalb, Herzog Albrecht von Bayern als Prinzipalkommissar zu gewinnen, der in seiner Vertretung den Reichstag eröffnen und sodann die Verhandlungen für ihn führen sollte. Es waren allerdings zwei Gesandtschaften nach München erforderlich, um den Herzog von diesem Plan zu überzeugen, da Albrecht die Leitung insbesondere wegen der konfliktträchtigen Religionsfrage mit dem erwarteten Junktim der CA-Stände zur Türkenhilfe nicht übernehmen wollte und Ferdinand daher einen späteren Eröffnungstermin im Herbst nach dem vermutlichen Abzug der Türken empfahl. Er räumte die Übernahme des Kommissariats zunächst nur mündlich ein, falls er Regensburg nach der Eröffnung wieder verlassen dürfe53. Der König wandte sich deswegen nochmals gesandtschaftlich54 und in einem persönlichen Schreiben55 an Albrecht, in dem er die angeregte Prorogation ablehnte, um eine Reichshilfe zumindest gegen den für das Frühjahr 1557 erwarteten Türkenzug zu sichern. Die Problematik der Religionsverhandlungen relativierte Ferdinand, weil man mit dem Augsburger Friedenswerk „des ymerwerennden fridens gegenainannder versichert“ sei und namentlich die CA-Stände „von wegen vergleichung der strittigen religion nit seer anhallten“ würden. Da die Eröffnung „ansehenlich unnd stattlich“ zu gestalten sei, könnten sie die eigenen Verordneten, die dafür „etwas zu wenig sein möchten“, nicht übernehmen. Der Herzog sollte deshalb den Reichstag eröffnen, anschließend noch wenige Tage bleiben, um die Beratungsaufnahme abzuwarten, und den königlichen Kommissaren einige seiner Räte als Substituten zuordnen, jedoch zur Entgegennahme von reichsständischen Resolutionen selbst zurückkehren.
Herzog Albrecht erklärte sich schließlich widerwillig bereit56, den Reichstag am 13. 7. zu eröffnen und noch zwei bis drei Tage abzuwarten. Eine weiter andauernde Übernahme des Kommissariats lehnte er nochmals ab57, er versprach aber, bei der Eröffnung und anschließend im Fürstenrat für die bevorzugte Beratung der Türkenhilfe einzutreten. Das primäre Ziel Ferdinands, die unverzügliche Eröffnung des Reichstags, war mit dem bayerischen Kommissariat gesichert. Indes sagte Albrecht in Regensburg gegenüber den Vertretern des Königs vor seiner Abreise am 15. 7. darüber hinausgehend doch zu, er werde neben der Verordnung seiner substituierten Kommissare auch persönlich zurückkehren, falls die Verhandlungssituation es erfordere58. Damit entsprach er nunmehr gegen seine vorherige Weigerung der ersten Bitte Ferdinands, das Kommissariat längerfristig weiterzuführen.
Ferdinand richtete am 6. 7. 1556 (Wien) neuerlich ein Schreiben an die bedeutenderen Reichsstände, in dem er seine am 10. 4. angekündigte Ankunft zum 1. 6. wegen der Organisation der Abwehrmaßnahmen gegen die türkische Offensive und die Rebellen in Ungarn nochmals widerrief und das bayerische Reichstagskommissariat mit der Eröffnung der Verhandlungen durch Herzog Albrecht in wenigen Tagen und deren Fortführung bis zu seiner Ankunft bekannt gab59. Die bis dahin nicht verglichenen Punkte wollte der König sodann selbst „abhanndlen unnd beschliessen helffen“. Er verband damit die Aufforderung an die Reichsstände, sich entweder unverzüglich persönlich nach Regensburg zu begeben oder Gesandte abzufertigen, die mit umfassender Vollmacht ohne Hintersichbringen die 1555 prorogierten Artikel und besonders die Türkenhilfe förderlich beraten sollten.
Das neuerliche Ladungsschreiben des Königs erging zu spät, um die reichsständische Repräsentation bei der Eröffnung am 13. 7. 1556 zu erhöhen60. Er wollte mit der Erforderung zum Reichstag eher den zügigen Fortgang der Verhandlungen im Anschluss an die Eröffnung sicherstellen, um zur Türkenhilfe bald greifbare Ergebnisse zu erzielen. Die langwierigen Verzögerungen bis Ende November waren in diesem Stadium noch nicht abzusehen.