Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

1. HA (Religionsvergleich): Ergebnislosigkeit von Religionskolloquien in der Vergangenheit. Beharren auf dem Generalkonzil als hergebrachtem Weg bei Glaubensdifferenzen. Beseitigung der politischen Hindernisse für die Veranstaltung eines Generalkonzils. Nur bedingte Zustimmung zum Kolloquium. Vorgaben für das Kolloquium als Vorbereitung eines späteren Generalkonzils.

Konzipiert von einem Ausschuss der geistlichen Reichsstände. Von diesen gebilligt vom 2.–4. 1. 15571. Dem Kg. übergeben am 5. 1.2

HHStA Wien, MEA RTA 44a/II, fol. 12’–15’ (Kop. Überschr.: Der dreyer gaistlichen churfurssten rhätt, erscheinendn [!] gaisstlichen furssten stend und der abwesenden gesandten pottschafften bedenckhens auf der kgl. Mt. den 24. Decembris uberraicht resolution und muntlich vorhalten, inen ad partem gethon, daß concilium und colloquium betreffenndt. Von Hd. Bagen: Der kgl. Mt. furpracht 5. Januarii 1557. [Nr.] 4. Schlussvermerk Hd. Bagen: Nota: Was die kgl. Mt. hieruff geantwurt, ist zufinden in prothocollo religionis, die 7. Januarii 15573 .) = Textvorlage. StA Augsburg, Hst. Augsburg MüB Lit. 1111, unfol. (Kop.) = B. StA Bamberg, BRTA 37, fol. 489–492’ (Kop. Dorsv.: Der geistlichen churfursten, fursten und stend antwort auff der kgl. Mt. resolution des coloquien [!] halben.) = C. GLA Karlsruhe, Abt. 78 Nr. 2222, fol. 391–394’ (Kop.). StA Würzburg, WRTA 36, fol. 72–75 (Kop.). HStA Stuttgart, A 63 Bü. 20, fol. 25–26’ (Kop.). Referiert bei Bucholtz  VII, 366; Bundschuh, Religionsgespräch, 205; Decot, Religionsgespräch, 231; Decot, Stände, 365 f. (mit Vorverhandlungen); Rössner, Braun, 294; Laubach, Ferdinand I., 178 f.

/12’ f./ Die geistlichen Reichsstände haben die Replik des Kgs. [zum 1. HA (Religionsvergleich)] an alle Reichsstände und den mündlichen Vortrag vom 24. 12. 1556 nur vor ihnen4  vernommen. Sie entnehmen dem den Einsatz des Kgs. für die Ehre Gottes sowie die allgemeine Wohlfahrt und sagen dafür Dank. /13/ Weren auch darauffa ierer Mt. zue underthenigsten ehren gantz beguerig, sich mit derselbigen inn dem zuvergleichen, das dißmals die tractation deß religion articuls durch ain colloquium auff maaß, in gedachter ierer Mt. schrifftlich unnd mundtlichen resolution vermeldet, anngestellt wurde.

Sie erinneren sich aber, das, obwol hievor zue mermallen von der röm. ksl. unnd auch ierer kgl. Mt. etzliche colloquia mit allergnedigstem vleiß furgenommen unnd ins werckh gerücht, das dannoch, wie iere Mt. auchb selbst allergnedigist vermelden laßen, im werckh gespurt und gesehn wordenc, mit denselben colloquiis nit viel nutz /13’/ oder frucht geschafft, sunder allain die zeit vergebenlich verloren und merer verpitterung unnd hassigkhait gemacht worden. Der unnd annderer mervalttigen ursachen halb, d–wie ierer kgl. Mt. ongezweiffelt allergnedigst bewüsst–d, sie bey inen nit ermessen odere finden khunden noch mogen, das durch solchen weg der sachen im grundt abzuhelffen unnd die langwüerig spalttung in unser chrisstenlichen religion, so auch villeicht an anderen mer orten als inn diser loblichen theutschen nation aingerissen f–oder noch ainreissen möchte–f, zue christlicher, ainhelliger vergleichung zuebringen.

Nachdem danng der weg aines general conciliums der ordenlichst, eltisth und furtreglichst, so in gleichen feellen bey der allgemainen i–ainigen catholischen und apostolischen–i cristlichen kürchen herkhommen, dardurch dieselbige haillige kürch durch iere authoritet inn glaubens sachen wider alle eusserliche anfechttung alwegen j–in solcher ierer ainigkhait inn ainem ainigen catholischen glauben unnd ainhelligen verstandt–j erhalten worden, wie dann auch iere kgl. Mt. /14/ unnd menigclich ain solch general concilium, wo dasselbig fruchtbarlichen inns werckh gepracht werden möchte, alß den ordenlichen weg zue hinlegunng unnd vergleichunng der strittigen religion sachen auch bössten und nutzlichesten zuesein erachten unnd erkhennen, so bedennckhen sie nachmals, da fuegclichen von solchem ordenlichen wege (dardurch auch alle absunderung diser loblichen nation vonk anderen vermitten) nit woll zueschreidten, sonder viel mer mit allem mentschlichen moglichen vleiß auff die mittel zuetrachten, wie die ursachen, so diser zeit das general concilium verhinderen und sperren, mochten abgestölt und also mit verleyhung gotlicher gnaden zue solchem ordenlichen weeg deß general concilii furderlichen zuekhommen und dasselbig in sein furgang und würckhung zuepringen. Darauff auch an die röm. kgl. Mt. ier, der gaistlichen churfürssten rhathe, erscheinenden gaistlicher fursten, stend unnd potschafften, aller underthenigst pit, iere kgl. Mt. wollen ier solchen weg nit weniger allergnedist gevallen lassen und in das werckh rüchtenn helffen.

Da aber je unnd uber sollichs iere kgl. Mt. /14’/ nochmals gedachten, das von wegen aingefüertter ursachen unnd verhinderung jetziger zeidt ain generall concilium nit zueerlangen, unnd derhalb ain colloquium fur guet, nutzlich und ratsam erachten wurden5, uff das dan durch nimandts darfur gehalten, alß obe obbemelte die gaistliche churfurssten, furssten und stende durch verwaigerung solchs colloquii iere religion und lehr offentlichen auch fur menigchem zuebekhennen ainichen scheuch truegen, sunder zuespurn, daß sie auch guette, christliche, bestendigel raydtunng daruber zuegeben urpiettig, so sollt inen auf solch der kgl. Mt. guetachten nit entgegen sein, das vonn wegen guetter vorberaydtung zum general concilio ain colloquium ordentlicher undm gepurlicher weiß, auch zue gelegenen zeit unnd malstatt angestelt und inn namen des almechtigen inn wurckhlichaydt bracht werden; doch der gestalt, das dardurch dem ordenlichen wege vilbemelts general consilii, wie unnd zue waß zeit solches furgenommen werdn mochte, inn etwas nichst benommen, sunder alle handlungen darinnen unverpuntlich und unvergreif- /15/ lichen seyen, auch, wie vielbemelt ierer Mt. resolution6 ausfüeret, alle der colloquentenn handlung, freuntlich vertreulich gesprech und collation nachmals den stenden des Reichs furbracht und ain jeder standt nach gelegenhait seines ambts, standts und wesens der gepur unnd notthurfft nach, auch frei und unvergreiffenlich uber alle articul und punct, so inn solchen freundtlichen gesprech furkhommen und beratschlagt, gehort werde. Und dann auch weiter, daß solch werckh also bedacht unnd angerücht, damit inen, den gaistlichen churfurssten, furssten und stenden, dasselbig gegen ierer ordenlichen oberkhait, auch in ieren gewissen und phlüchten verandtwurtlich o–und in allweg onnachthaillig–o.

Schlussformel.

Anmerkungen

1
  Kurmainz A, fol. 104 f. [Nrr. 397399].
2
  Kurmainz A, fol. 105–106 [Nr. 400].
3
 Vgl. Kurmainz A, fol. 106’–107’ [Nr. 401].
4
 Nr. 428 (Replik); Kurmainz A, fol. 100–103 [Nr. 393] (Vortrag).
a
 darauff] Fehlt in B und C.
b
 auch] Fehlt in B und C.
c
 worden] Fehlt in B und C.
d–
 wie … bewüsst] Fehlt in B und C.
e
 oder] In B, C: unnd.
f–
 oder … möchte] Fehlt in B und C.
g
 dann] In B, C: aber.
h
 eltist] Fehlt in B und C.
i–
 ainigen … apostolischen] Fehlt in B und C.
j–
 in … verstandt] In B: inn einer ainhayligen [!] verstannd. In C: in sollicher irer ainigkeitt in einen einigen, ungespaltten glauben und einhelligen verstandt.
k
 von] In B, C: von den.
5
 Die beharrlichen Einwände der geistlichen Stände gegen das Kolloquium veranlassten Kg. Ferdinand dazu, Anfang Januar, also zur Zeit der Vorlage dieser Erklärung, eine Theologenkommission unter der Leitung von Canisius einzurichten. Canisius erwähnt sie erstmals in einem vor Mitte Januar entstandenen Bericht an Generalvikar Laynez, in dem er mitteilte, Ferdinand wolle ihn „quasi per il suo primario Theologo“ berufen und ihm andere Theologen zuordnen. Der Kg. wolle sich damit für die künftigen Verhandlungen ein ständiges Beratungsgremium schaffen. Canisius bat Laynez um die Abordnung eines weiteren Theologen nach Regensburg, da er sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlte und befürchtete, er müsse dabei die Rechte der Kurie präjudizieren (Bericht o. D.:  Braunsberger II, Nr. 230 S. 49–53, hier 51 f., Zitat 51). In die Kommission wurden neben Canisius berufen: Witzel, Staphylus, der Augsburger Prediger Scheibenhardt, Gressenicus, Bf. Michael von Merseburg und Bf. Urban Sagstetter von Gurk (Canisius an die Wiener Jesuiten; Regensburg, 19. 1. 1557: Ebd., Nr. 231 S. 54). Die Konstituierung des Ausschusses in dieser Besetzung vor Mitte Januar bestätigt ein Bericht des Speyerer Gesandten W. Arzt an Bf. Rudolf vom 15. 1., wonach die genannten Theologen an den vergangenen Tagen wiederholt zum Kg. geladen worden seien (GLA Karlsruhe, Abt. 78 Nr. 2222, fol. 367–376’, hier 369’. Or.; präs. Udenheim, 29. 1.). Die Aufgabenstellung teilte Canisius im Bericht vom 22. 1. 1557 an Laynez mit. Demnach sollte die Kommission den Kg. beraten und insbesondere klären, ob eine Vergleichung der kontroversen Punkte möglich sei, ohne die Rechte der Kurie zu verletzen ( Braunsberger II, Nr. 232 S. 54–62, hier 55 f. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 212 mit Anm. 132; Hofmann, Canisius, 118, 121, 128;  Riess, Canisius, 194 f.; Soffner, Staphylus, 60 f.; Decot, Religionsgespräch, 231 f.). Zu den Verhandlungen der Kommission liegen keine Unterlagen vor. Bekannt ist lediglich die Position von Canisius, der sich auch in diesem Gremium gegen das Kolloquium aussprach, da in Glaubensdifferenzen das Urteil allein der Kirche zustehe und erfahrungsgemäß kein Vergleichserfolg, sondern größere Entfremdung zu erwarten sei. Der Kg. könne ein Kolloquium ohne päpstliche Zustimmung nicht gestatten (vgl. Riess, Canisius, 195; Bundschuh, Religionsgespräch, 213, jeweils nach älterer Überlieferung; fehlt bei Braunsberger II. Hinweis ebd., Nr. 232 S. 56, Anm. 1). Canisius konnte sich damit nicht durchsetzen, da die Kommission mehrheitlich wohl die Unverbindlichkeit des Religionsgesprächs als ausreichende Versicherung gegenüber der Kurie erachtete. Jedenfalls ging der Kg. in der Triplik zum 1. HA [Nr. 430] nicht auf die Position von Canisius ein, sondern beließ es bei einem Hinweis auf die Bedingungen der geistlichen Stände für das Kolloquium (vgl. Laubach, Ferdinand I., 181). In den folgenden Berichten von Canisius wird die Kommission nicht mehr erwähnt.
l
 guette, christliche, bestendige] Fehlt in B und C.
m
 ordentlicher und] Fehlt in B. C wie Textvorlage.
6
 Nr. 428.
n
 colloquenten] In B: colloquien. In C: colloquenta.
o–
 und … onnachthaillig] Fehlt in B und C.