Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Seine besondere Obsorge für die Nöte treu dienender Reichsglieder; [2.] Aufrichtung einer Ordnung für Konstanz durch Kg. Sigmund, deren Modifzierung durch Kg. Maximilian; [3.] Notwendige Aktualisierung der Ordnung durch den Ks. und die versammelten Reichsstände; [4.] Zusammensetzung des Kleinen und des Großen Konstanzer Rates; [5.] Jährlicher Wechsel bei der Berufung des Vogts aus den Reihen der Geschlechter bzw. der Gemeinde; [6.] Paritätische Besetzung von Gesandtschaften; [7.] Ratswahlen unter Eid; [8.] Fortbestehende Begrenzung der Anzahl der Zünfte auf zehn; [9.] Verbot eines gesonderten Rats der Zünfte; [10.] Handhabung der Sturmglocke; [11.] Verbot eines eigenen Paniers der Zünfte; [12.] Regelungen für familiäre Beziehungen zwischen Zunft- bzw. Gemeindemitgliedern und Angehörigen der alten Geschlechter; [13.] Recht zum freien Abzug von Bürgern aus der Stadt; [14.] Jährliche Beeidigung der Ordnung, Strafen für Verstöße.

[Konstanz], 13. Oktober 1510

Karlsruhe, GLA, Abt. D Nr. 1135, Orig. Perg. m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Finsterwalder).

Teildruck: Beyerle, Ratslisten, S. 31f.

[1.] Ks. Maximilian bekundet öffentlich: Wiewol die sunn der gerechtigkait, der Almechtig, die röm. ksl. Mt. in unser person gephlanzt hat mit solichen genaden und gaben, daz wir genaigt sein, das hl. röm. Reiche bey seinen altherbrachten würden, glidern und stenden, wie im die der Almechtig eingeleibt hat, zu behalten, zu aufnemen und zu meren, yedoch so ist unser ksl. gemuet mer begirig und schuldig, die gelider und stende unser und des hl. Reichs, dero notturften, beswerungen und gebrechen offenlich erscheinen und die sich gegen uns und dem hl. Reiche alzeit in getreuer dinstperkait erzaigen, fur ander zu bedenken, sy mit unseren ksl. gnaden zu fürsehen und under dem schatten unserer flüg[el] zu handhaben.

[2.] Bereits zur Regierungszeit Kg. Sigmunds gab es in Konstanz Differenzen zwischen dem Rat und der Gemeinde. Diese hat der Kg. beigelegt und der Stadt am 13. Dezember 1430 ( St. Lucientag) in Überlingen eine neue Ordnung gegeben.1 Verschiedene darin enthaltene Artikel hat er (Ks. Maximilian) am 24. April 1495 in Worms aufgehebt, declariert und erclert. 2

[3.] Beide Verfügungen waren sicherlich zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Entstehung angemessen, doch haben sich die Verhältnisse in Konstanz seitdem soweit verändert, daß besagte Ordnung Kg. Sigmunds ohne entsprechende Anpassungen nicht länger Bestand haben kann. Hat sich deshalb in Anerkennung der bisherigen und wohl auch künftigen treuen Dienste der Rst. für frühere Kss. und Kgg., ihn selbst und das Reich sowie angesichts ihrer gegenwärtigen Beschwernisse und Obliegenheiten persönlich hierher begeben und mit Rat der in stattlicher Anzahl versammelten Reichsstände, seiner Hofräte und etlicher wichtiger kgl. Gesandtschaften sowie mit dem guten Willen von Bm., Rat und Gemeinde deren Nöte und Beschwernisse erörtert und schließlich die Ordnung Kg. Sigmunds sowie seine eigene darauf bezügliche Deklaration folgendermaßen reformiert und neu aufgerichtet:

[4.] Zum ersten, das hinfür in ewig zeit der rat zu Costenz soll besetzt und erwelt werden, in massen, wie hernach steet: Nemlich sollen jerlich die von den alten, erberen geslechten zehen man aus inen kiesen und setzen. So sollen die zehen zünft, yegeliche in sonderhait, ain zunftmaister und zu demselben noch ain ratsman erwelen. Mit disen dreyssig mannen zusambt dem Bm., vogt und amman, doch des ammans halb nach seiner ordnung und herkomen und nit anderst, bedünkt uns, den teglichen rat wol bestellt sein, doch das under disen dreyunddreissig namen nit gebrueder seyen. Ferrer in den grossen rat sollen und mögen die von den geslechten noch zehen man aus inen kiesen und darnach yegliche der zehen zünften noch vier aus irn zünftigern erwelen. Dise fünfzig personen zusambt dem teglichn rat, das dann zusamen dreyundachtzig man sein, den grossen rat bestellen, machen und bedeuten sollen. Dieselben fünfzig man sollen auch alwegen, so der teglich rat ir bedörfte, berueft werden, und was mit dem mererm tail des clainen oder des grossen rats gericht, gesetzt, geordnet und beslossen wirdet, dabey sol es beleiben, doch mögen in den grossen rat wol gebrueder gekieset und gesetzt werden.

[5.] Item wir ordnen, setzen und wellen auch, das von den geslechten, auch die gemain aintwederer tail on den anderen dhainen sondern rat noch underreden haben sollen. Item wir gönnen und erlauben, das ye ain jar ain vogt von den geslechten und das andere jar von der gemaind sein sol und setzen das auch, desgleich mit ainem Bm., daz der ain jar von den geslechten und das ander von der gemaind sein sol, doch das daran alle jar ain wechsel sey, also wann ain Bm. von den geslechten ist, das dann der vogt von der gemaind sey und desgleich mit dem vogt hinwider. Die baid sollen auch durch gros und clain rate, wie bisher beschehen ist, getreulich dem hl. Reiche und der stat Costenz nützlich und eerlich bey iren treuen und ayden erwelt werden.

[6.] Item wir setzn und ordnen, ob man ainich potschaft tun würde, wohin das were, so sol man von den geslechten und von der gemain gleiche zal nemen.

[7.] Item wir setzen und ordnen auch, wann hinfür die rete, gros und clain, in obgeschribner maß erkiest werden, so sollen die von den geslechten und die zünft oder gemain getreulich den rat setzen und kiesen nach iren treuen und bey den ayden, die sy zu den heyligen darumb swern sollen, das dem Reiche, der stat, arm und reichen eerlich, nütz und gut sey on alle arglist und geverde.

[8.] Item nachdem aus vermögen weilend obgedachts unsers oheim und vorfordern Kg. Sigmunds ordnung und bericht nit mer dann zehen zünft bisher zu Costenz gewesen sein, also setzen wir, das es bey denselben zehen zünften fürohin auch beleiben sol. Dieselben zehen zünft und alle gemain sollen zu den heiligen swern, ainem Bm. und rat gehorsam zu sein, in massen von alter herkomen ist. Ob aber ainicher pündnus, verainigung oder verendrung halben der stat fürgenomen würde, das sol durch gros und clain rete an die zünft und gemain gelangen und on ir aller oder des merern tayls wissen und willen nit beslossen werden. Doch sol solicher pündnus, verainigung oder verendrung der stat dhainen, so wider uns, das hl. Reiche und die gehorsam, damit ain stat Costenz uns und dem Reiche verwandt weren, fürgenomen, gehandelt noch beslossen werden.

[9.] Item so setzen und ordnen wir, das sonst dieselben zünft dhainen besondern rat ausser dem rechten rat haben sollen, sonder waz sy zu schaffen haben, das sollen sy an den Bm. und rat bringen und daselbst vertigen lassen und austragen.

[10.] Item wir setzen und ordnen weiter, das die sturmglogk bestelt werden sol mit zwayen ratsmannen, ainem von den geslechten und ainem von der gemain, zu dem Bm. Die sollen alle jar, wann man ainen rat setzt, durch den rat darzu geordnet werden.

[11.] Item wir setzen und ordnen, daz die zünft kaine besonder panyer haben, sonder under der stat panier sein und beleiben sollen, wann das not wirdet.

[12.] Item wir setzen und ordnen auch, were sach, daz die von den alten geslechten, weyb oder mann, sich zu der gemain befreunden oder desgleich die von der gemain zu den von den alten geslechten, dieselben, es sey weyb oder man, mög wol zu den alten geslechten geen und bey irem schimpf sein, doch unschedlich den zünften, darinnen sy weren, an iren zunftrechten. Und sollen auch die alten geslecht hinfüro bey irem schimph beleiben, wie von alter herkomen ist. Wo auch ain oder mer person von der gemain zu Costenz sich daselbst durch das sacrament der heyligen ee zu den von den alten geslechten verheyrate und alsdann von denselben der alten geslechten zu irem mitgsellen in ir gesellschaft angenomen werden, wann dann der oder dieselben den zünften, darin sy gewesen oder noch weren, zwainzig fl. rh. geben und sich fürterhin als ander von den geslechten daselbst halten, daz sy damit für sy und ir eeliche kinder derselben zünften ganz frey und ledig sein und darnach von den alten geslechten haissen und sein sollen.

[13.] Item wir setzen und ordnen auch, das yederman zu Costenz, reich und arm, sein bürgerrecht aufsagen und geben und darnach ainen freyen zug, so im des nottürftig ist, haben sol und mag, ungeverlich.

[14.] Auch setzen und ordnen wir, nemlich, daz der rat und die gemain alle jar dise unser reformation, ordnung und satzung offenlich lesen lassen und darauf zu den heiligen sweren sollen, die vestiglich zu halten und darwider nit zu tun, in kain weyse, doch uns und dem hl. Reiche, ainem Bf. und dem stift zu Costenz in allen obgenanten stücken, puncten und artikeln an unsern und iren obrikaiten, rechten und gewonhaiten, als das herkomen ist, unschedlich, on geverde. Und wer sach, das yemands, wer der oder die wern, dise unser reformation, ordnung und statuten in ainem oder mer artikeln überfueren und darwider teten in ainichem wege, das sich mit warhait erfünde, der oder dieselben sollen eerlos, treulos und ma[i]naydig gehalten werden und uns und unsern nachkomen und dem hl. Reiche, als oft das geschehe, leyb und gut verfallen sein, on alle gnad zu nemen.3

Anmerkungen

1
 Druck: Ruppert, Das alte Konstanz, S. 361-368.
2
 Regest: Angermeier, Reichstagsakten, Nr. 1444.
3
 Zur Bewertung der Konstanzer Ratsordnung vgl. Oelze, Gemeinde, S. 218-235; Rublack, Einführung, S. 9f.; Maurer, Konstanz, S. 269f.