Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Seine Bemühungen um Aufhebung der bei den Westfälischen heimlichen Gerichten anhängigen Klage gegen die Stadt Landshut; [2.] Gemeinsame Bestrebungen der Reichsstände zur Neudefinition der Kompetenzen der Westfälischen Gerichte; [3.] Ausarbeitung des Entwurfs einer neuen Reichsordnung durch die Stände, seine Übergabe an den Ks., Hoffnung auf Rückkehr des Ks. und ein baldiges Ende des Reichstags; [4.] Werbung des päpstlichen Gesandten bei den Reichsständen für die Teilnahme am Konzil in Rom, Warten auf die Antwort der Reichsstände; [5.] Rückkehr verschiedener Ff. auf den Reichstag, neuerliche Sessionsstreitigkeiten; [6.] Berufung des Reichskammergerichtspersonals auf den Reichstag, Prüfung von Korruptionsvorwürfen; [7.] Klagen verschiedener Reichsstände gegeneinander; [8.] Anbahnung eines Bündnisses europäischer Mächte gegen den Kg. von Frankreich; [9.] Inaussichtstellung eines Gebots des EB von Köln an die Gff. von Waldeck zur Aufhebung des Verfahrens gegen die Stadt Landshut; [10.] Unfähigkeit des EB von Köln zur Rückzahlung seiner Schulden; [11.] Empfang der Schreiben an den Ks. und Peter von Altenhaus; [12.] Konsekration des EB von Trier, Zeigung der aufgefundenen Heiltümer, unerklärlicher Affront des Trierer EB gegenüber den Reichsständen, bevorstehende Zeigung des Heiligen Rockes.

[Trier], 29./30. Mai 1512

München, HStA, KÄA 3138, fol. 122-127, Orig. Pap. m. S. (Vermerk: Zu aigner hand; Kanzleivermerk fol. 128b: Dr. Dietrich von Pleningen schickt uns den vorgrif des Reichs handlung, itz zu Trier furgenomen, und dabei casus mundi Ao. 1512).

[1.] Gruß. Gn. H., ich hab uf heut, dato [29.5.12], von der post potschaft den handel zwischen Balthasar Reinprechten zu Pudigen etc. und einem ersamen Bm. und rat der stat Landshut in abwesen H. Peters vom Altenhaus empfangen [Schreiben liegt nicht vor], mit bevelch, das wir dise frembde und onretliche ubung an die röm. ksl. Mt., auch die stende des hl. Reichs wollend gelangen lassen, darauf pitten und begern, das [bei] den Gff. zu Waldegk und sonderlichen iren freygraven zu Sassenhausen, auch allen andern westfalischen richtern, freygraven und schopfen pey den penen, in des hl. Reichs recht, reformacion und ordnung gesetz[t], durch die ksl. Mt. und versamlung des Reichs verschafft und bey inen verfuegt [werde], domit die von Landshut also wider recht auf ir uberflissig rechtpot und euer Gn. erpieten mit den frembden gerichten nit mer bekomert, sonder genzlichen aufgehöbt und abgestölt und weiter nit procediert werde. Nun versich ich mich, euer Gn. sey numals durch H. Petern von Altenhaus bericht, das ksl. Mt. in arbait sey und ir Mt. noch in zechen tagen erst gewä[r]tig und aber die tagsatzung, uf montag nach Viti [21.6.12] vom freygraven bestimpt, solichen verzug nit wol erleiden mag. Will ich dannocht wege suchen bey dem Bf. von Cöln, auch bey den stenden mit hilf der ksl. Mt. raten, das den Gff. von Waldegk, auch irn freygraven und andern die nottorft gepoten werden.

[2.] Und damit euer Gn. dannocht bericht werden, wie alle stende des hl. Reichs sich in disen acht tagen solicher beschwerden in einer gemain auch beclagt und umb ain clarer und tu[t]scher declaracion, dann zu Worms ausgangen,1 von der Mt. zu begern sey, so hat doch der Bf. von Cöln als ain oberer desselben gerichts sich darinnen gewägert und merken lassen, er dorf ksl. Mt. in ansechung seiner undertan in Westfaln umb solich declaracion nit wol anruefen, er muesz aber geschechen lassen, wo es ksl. Mt. selbs tu; alsdann hab ers gegen den seinen wol zu verantworten. Doch doneben den stenden gesagt, so etwas im Reich unpillichen mit disem gericht umbgetriben wurde, wolt er wol dovor sein. Ist nit mynder, man hat seinen Gn. geantwort, es sey nit in eins yeden gelegenhait, seinen Gn. allzeit potschaften, die on grossen costen und mue nit zugeen mögen, zuzeschicken und solichs zu clagen. Also ist beschlossen, das man ksl. Mt. pite, das sy aus aigner bewegnus und volkomner macht ain declaracion tu, in was sachen doch und in wölichen fallen diese gericht und in kainem andern zu richten haben sollen, auch in welche cirkel, mit angehenkter peen, das nyemants solich proceß, so wider dieselb declaracion furgenomen, pinden, wölicher richter, auch wölich partey darüber es übe, das sy in die aucht des hl. Reichs seyend zusampt andern penen gefallen und sy nyemants hausen, herbergen etc. und gegen dem richter, der partey und furschieber als fridprechern handeln mogen, auch der fiscal wider die am camergericht procediern soll etc., ongefarlich. Ein solichen passen wirt man erlangen, also das sich euer Gn. dannocht in diser zuversicht nit hart besorgen dörfen, dann dise sach fur die richter nit gehört wirt ain nullitet. Nichtsdestermynder will ich dannocht vom Bf. von Cöln, auch von den ksl. räten und den stenden euer Gn. begern nach schreiben erlangen und die mit einem ksl. poten uberschicken.

[3.] Ferer, gn. F., in des Reichs handlung, dieweil yederman fur die letzst nottorft ermysst und bewegt, das dem hl. Reich muß geholfen werden und on ordnung das nit zu geschechen, so seyend Kff. und Ff., auch ander stende in irn kamern zu arm, das aus irem seckel zu tun. Habent all stende darauf von misericordias domini [25.4.12] pishere mit hochem vleis und ernst geratschlagt und ein ordnung ksl. Mt. (die ich euer ftl. Gn. hiemit zuschicke) ongefarlicher mainung fur ein possen begriffen und heut, dato [29.5.12], den ksl. räten und anwelden ubergeben [Nr. 989/I], in guter zuversicht, die ksl. Mt. werde ain gn. gefallen darab entpfachen, auch darob furohin halten, das solichs dermassen gehalten, und ob man etlich ongehorsam finden würde, das die mit den gehorsamen gestrouft, dann sonst recht und frid nit zu handhaben, auch das hl. Reich und tutsch nacion bey irn ern und würden nit möglichen zu behalten. Und ist man diser ordnung ainhelliglichen berätig worden, wiewol etlich gern den spieß am hag ab hetten gezogen; es ist aber durch den grossen haufen gewendt.2 So werden euer Gn. sechen, es ist auch ksl. Mt. selbs begern, das man nur leut zum krieg underhalt. Er woll kain gelt begern, auch kains mere nemen, dann vormals hab man sein Mt. gesalbt und geschmiert mit gelt, in und das Reich nur verfurt. Wo ksl. Mt. hie were, als ich verhoff, in zechen tagen komen werden, wolten wir disen reichstag alsdann in vierzechen tagen, als ich hoffe, enden.

[4.] Auch, gn. F., so ist vergangens tags ain päpstliche potschaft [Lorenzo Campeggi] her gen Trier von der Päpstlichen Hlkt. komen mit ainer instruction und credenz an die stende des hl. Reichs [liegen nicht vor], alhie versamelt. Ermant sy all, das man zu dem co[n]silium, von seiner Hlkt. ausgeschriben, furderlichen gen Rome schicken solle, und das ein yeder den, so das suchen, durch der stende land glaiten wollend. Ist im ersten tag des monats Decembris nechstvergangen das datum des breves oder credenz. Man hat in gehört und bedoucht genomen zur antwort. Acht wol, vor zukunft ksl. Mt. kain antwort gefallen werde.3

[5.] Mein gnst. H. Pfalzgf. Ludwig ist widerkomen. So wirt mein gn. H. von Wirtenberg auch pald komen. Mgf. Fridrichs von Brandenburgs potschaft [Hans von Seckendorff] understeet sich, in der session mit den Ff. von Bairn auch zu irren. So Pairn ain vorsytz hob, soll darnach Sachsen auch ain haben, und alsdann soll der Mgff. potschaft folgen, also fur und fur gemischelt werden. Ich hab mich des noch erweret, ist wider alt herkomen, wil noch es wern, sovil an mir ist. Wils ksl. Mt., sopald sy kompt, klagen und pitten, das zu furkommen.

[6.] Es sind alle camerrichter und beysytzer, auch advocaten und procurator herberueft, und ist vil seltsamer clag corruptiones und poßhait geübt worden. Ist beschlossen, das man das garn auf den grund geen woll lassen und den schuldigen stroufen.

[7.] Sonst ist die Landgf.in von Hessen hie, die beclagt sich ab den vormundern. So ist Menz und Sachsen gefordert, auch Bf. von Speir gegen der stat Landau, Bf. von Worms gegen der stat Worms, vil hendel doneben etc.

[8.] Neu zeitung gloub ich euer ftl. Gn. wissend, wie die Aidgnossen durch der ksl. Mt. land irn durchzug der Bapstlichen Hlkt. zu rettung gezogen seyend, und man acht, es sey durch heymlich verwilligung. Man versicht sich auch, der Kg. von Frankreich werde es auch dofur halten und der ksl. Mt. nit dester freuntlicher sein. Es sicht auch die leut an, man mog leyden, das die stende des hl. Reichs dem Papst anhangen und ir ksl. Mt. tringend (also zu röden), auch das zu tun als ein vogt der hl. kyrchen. Ist es ware, als man glaubt, so ligent yetzt ob Frankreich in Gallia ob 80 000 streytparer mann. So ryst sich unser Hl. Vater, der Bapst, auch der Kg. von Neapolis und Sicilia widerumb uf das sterkist, das man sich versicht, das ir Hlkt. mit Neapolis, den Schweizern und den Venedigern haben werden ob 60[000] oder 70 000 mann. So ist versechenlich, wo die Lamparter [= Lombarden] solichen rugken ersechen, dann sy das francosisch regiment wyderstehen, sy werden all umbfallen und der Hlkt. und irm anhang auch zufallen und zuziehen. Verhoffen, sy wollend ine aus Italia pald verjagen und in Frankreich auch mued und arm machen. Das sind casus mundi. Gn. H., wölicher frembds guts begert, dem laidt das sein, wölicher mit trutz und tiranischem wesen regiert, der erlangt soliche libe von den undertanen, wölicher all sein nachpaurn veracht und trutzt, dem steet entgegen, das sy sich all wider den verpunden und verainigen und Pilatus und Herodes zuletzst ob dem tirannen ains werden etc. Domit will ich mich euer ftl. Gn. als meinem gn. H. befolchen haben. Datum auf dem hl. pfingstabend etc. im 12. jare zu Trier.

[9.] 1. Zettel: Gn. F., auf des EB von Koln erpieten, er woll disen westfalischn handel abschaffen und inen pey irn ayden gepieten, dise proceß abzutun, hab ich ain supplication auf seiner Gn. begern begriffen. Von dem will ich an die Gff. von Waldeck, auch iren freygrafen ain mandat nemen und pey aigner potschaft ubersenden. Wil des Bf. poten nemen, dann on zwifel so werden die stende des Reichs kunftiglichen ain ksl. weytere declaration vor endung dises reychstags auspringen, domit ain yeder hernach onumbgetryben pleyb. Zu disem handel ist diser brief gnug vom Bf. Acht auch, er werd mit vliß gepieten, erpietig, mir auch ain copy zu geben. Die will ich euer Gn. zuschicken pey nachster post.

[10.] Seiner schuld halben kan ich in der warheyt kein andere antwort erlangen, dann er habs nit. Der gelrisch krieg schad im ob 10 000 fl. Und ee er abschaid hye, wol er mir antwort geben; do ich mecht aufhalten. Was euer ftl. Gn. weyter befelchen wollend, des pin ich gewartig. Besorgen, noch auf 4 wochen oder 5 nit abgefertigt werden mög. Datum auf den pfingstabend 1512.

[11.] 2. Zettel: Auch, gn. F., hab ich in abwesen auf hut, dato diß zedels [30.5.12], enpfangen von euer Gn. poten ain brief, an H. Petern von Altenhaus und mich stend [liegt nicht vor], darinnen euer ftl. Gn. uns baiden zuschreybt, wie sye unserm rat nach ksl. Mt. mit aygner hand schreybt etc. Und dieweyl aber H. Peter pey euer ftl. Gn. ist, auch ksl. Mt. kom in 8 oder 10 tagen noch herkompt [sic!], so will ich pis auf H. Peters zukunft euer Gn. brief, an ksl. Mt. lautend [liegt nicht vor], behalten und H. Petern den mitsampt dem andern brief, von euer Gn. ausgangen, an in stend [liegt nicht vor], auch behendigen. Datum auf pentecosten 1512.

[12.] 3. Zettel: Auf heut [30.5.12] hat sich mein H. von Trier consecriern lassen [durch] mein gnst. H. von Menz, Straßburg und Bamberg und der suffragani.4 So hat man heut und gestern [29.5.12] das hayltum in allen kirchen gezaigt, ob 15 000 menschen hye gewesen. Hat mein H. von Trier der Papstlichen Hlkt. kein eer getan, [ihren Gesandten] nit geladen, auch die stend nit geladen zum tusch. Vyl selzemer rede seiner grobkeyt oder hoffart das zugemessen. Auf morgen, montag [31.5.12], wirt man unsers Hergots rock, der nulichen gefunden ist, zaigen. Datum pentecosten 1512.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist wohl das am 10. September 1495 in Worms ergangene kgl. Mandat zur Neuordnung der Westfälischen Gerichte. Druck: Angermeier, Reichstagsakten, Nr. 457.
2
 Mit Schreiben aus Trier vom 18. Mai 1512 (erichtags nach vocem jocunditatis) teilte Pfalzgf. Friedrich Hg. Heinrich von Mecklenburg mit, die hier versammelten Reichsstände berieten über die Aufrichtung einer Ordnung für das Reich. Wie aber das sein entschaft erreichen, konnden wir noch zur zeit nit wissen. Schwerin, LHA, Auswärtige Beziehungen (Acta extera) Nr. 4766, fol. 5, Orig. Pap. m. S.
3
 Campeggi war schon am 21./22. Februar 1512 zusammen mit Ks. Maximilian nach Würzburg gekommen, hatte 14 Tage im Kloster St. Stephan geweilt und war dem Ks. anschließend nach Trier gefolgt. Trithemius, Annales, S. 674.; Wendehorst, Bistum Würzburg, S. 56. Zur Person Campeggis vgl. Skalweit, Campeggi, hier S. 454 auch einige Angaben zu seiner Entsendung zum Ks. durch Papst Julius II.
4
 Die Konsekration erfolgte im Beisein EB Philipps von Köln, Kurfürst Ludwigs von der Pfalz, Pfalzgf. Friedrichs, Bf. Georgs von Bamberg und zahlreicher Prälaten, Gff., Hh. und Ritter, die anschließend alle mit Ausnahme des EB von Köln bei EB Richard im Palast speisten. Am 4. Juli zelebrierte dieser seine erste hl. Messe im Dom. Vgl. Stramberg, Bericht, S. 341. Zur Bischofsweihe EB Richards vgl. auch A. Schmidt, Erhebung, S. 734-736.