Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Vorlage einer Abschrift der Straßburger Pfahlbürgerfreiheit, Bitte um Kenntnisnahme der darauf bezogenen Erläuterungen; [2.] Häufige Bestätigung und ungestörte Verwendung dieser Freiheit; [3.] Ursachen ihres für andere unnachteiligen Gebrauchs; [4.] Damit verbundene ständige Orientierung Straßburgs an anderen Inhabern entsprechender Freiheiten; [5.] Gravierende negative Folgen der vom Ks. geplanten Besteuerung der Pfahlbürger; [6.] Bitte, Straßburg weiter im ungestörten Besitz seiner Pfahlbürgerfreiheit bleiben zu lassen.

[Köln, Ende Juli/Anfang August 1512]1

Kop.: A) Straßburg, AM, AA 336, fol. 75a-76b (Kanzleiüberschrift: Supplication an die steend des Richs, zu Cöln Ao. 12 des fryen gezogs halb der stat Straßburg beschehen).

Konz.: B) Ebd., AA 337 Fasz. 1, fol. 20a u. b, 22a u. b; C) Ebd., fol. 19a u. b, 23a u. b.

[1.] Hochwürdigsten, würdigsten, gnst. und gn. Kff., Ff. und Hh., mit zuvor demütiger erbietung euer kftl. und ftl. Gn. und gunsten unserer williger dienst bringent wir, die gesandten eins erbaren rats der statt Straßburg, euern kftl. und ftl. Gn. und gmeynen stenden des hl. Richs, ouch unsern gn. und gunstigen Hh., für dise gegenwürtige collationierte abgeschrift von den gloupwürdigen, vidimierten freyheyten einer statt Straßburg, mit underteniger, vlyßiger bitt, unser hienoch begriffne, anligende beschwerd a, auch handhabliche ursachen derselben fryheiten–a in gnaden und gunsten zu bedenken und zu erwegen.

[2.] Zum ersten, das ein statt Straßburg und ire bürger soliche fryheit ob und vor 400 jaren durch ire getruwe dienst, dem hl. Reich gehorsamlich geton, ir lyb, gut und vermögen furgesetzt und ir blut vergossen, sich auch zu keynen zyten sumig gestellt, als sy noch zur zyt mit geneigtem gemüt und herzen unverdrossen ze tun willig sind, erlangt haben, die inen nit allein durch wylund hochloblicher gedechtnus Kg. Lotharium ernuwert und confirmiert [vgl. Nr. 1496 Anm. 1], sonder von ye einem Ks. und Kg. nocheinander bis an yetzt regierende großmechtigste ksl. Mt., unsern allergnst. H., confirmiert, declariert und mit irer Mt. kgl. ingesigel gnediglichen verwart, desglichen von Bäbsten, auch concilien bestetiget worden.

Item das hieruf ein statt Straßburg, ire bürger und inwoner soliche fryheit die gnante zeyt har ungehyndert menglichs in guter, gewonlicher, wolharbrochter übung in statt und in land gebrucht und gehalten haben.

[3.] Es mag noch kan kein person, was stands oder wesens die sey, zu erkennen geben, das soliche fryheit, die ein statt Straßburg so lange zyt und jar frydlichen harbrocht, yemants zu widerdryeß oder zu beleydigen usbrocht oder erlangt sey, us nochvolgenden artikeln:

Wann ein person in die statt Straßburg vom land oder sunst kompt und begert, bürger zu werden, sobald er zu bürger ufgenommen würt, uf stunt würt im furgehalten, wo er gült oder lehengüter hett usserthalp dem burgbann, under andern Hftt. gelegen, das er die nit haben b, sonder sich deren absunderen–b soll. Damit würt von solichen gütern nyemants ychts entnommen, sonder blibt wie vor in der Hft. handen.

Item zum andern, so ein bürger, der also ufgenommen würt, danoch über kurz oder lang zu sinen gelegnen zeyten kompt, sin burgrecht ufsagt, lasset man in frey, hinder welchen H. im gelyebt, on alle entgeltnus ziehen. Und ob er schon 1000, 2[000], 3[000] oder so vil des fl. wert sin mögen, ligend oder farende güter in der statt Straßburg oder uswendig in iren gebieten oder herrlicheiten ston oder lygend ließ, die er in der statt gewonnen oder ererbet hett, so loßt man im die als sin eigen gut unbeschwert bliben, leyt im daruf weder steur, bet, gewerf, zyns noch gült, und in der zyt, so er bürger ist, würt es von im genommen, und so er sin burgrecht ufgesagt hat, so ist er solichs mitsampt der bürgerlichen dienstbarkeit ledig. Wie möcht nun frydlicher und fruntlicher gelept werden?c

Item nochdem der artikel in der statt Straßburg fryheit uswyset, also lutend: „Wo derselben statt bürger eigentschaft oder dheynerhand gütere besitzend, das nyemants erlaubt sey, von irer eigentschaft oder irer güter wegen oder von iren leuten dheynen dienst zu nemen oder zu fordern, bet oder steur uf sy zu legen, und sollent sy und alle bürger wünn [= Wiese] und weyd nützen und nyessen in allen stetten und gerichten, wo sy gesessen sind oder ire güter ligen habend, on menglichs widerrede etc.“, alles ferrers inhalts gemelter fryheit, und wiewol andre örter, stett und flecken, auch umbsossen soliche freyheyt nit haben, destmynder nit hat ein statt Straßburg fruntlicherwyse gegen allen und yeden, so nit ir bürger sind, es seyen Ff., prelaten, Gff., Fhh., ritter und knecht, geistlich oder weltlich, ganz nyemants usgescheyden, die oder der, auch deren oder dess undertonen und hindersossen, so ligend oder varende güter in der statt Straßburg oder ir oberkeit ligen haben, es sigen heuser, höf, acker, matten etc., ganz nichts usgenommen, sich glichermoß bishar gehalten und nye einiche beschwerd, bet, steur, gewerf oder schatzung daruf geschlagen oder einiche dienstbarkeit davon empfangen, sonder ist verruckter zyt, wie noch uf disen tag beschicht, durch ein erbern rat der statt Straßburg, wie sy in dem obangezoigten artikel gefreyet, gegen obemelten und menglichem also gehalten.

[4.] Sittmoln, gnst. und gn. Hh., euer kftl. und ftl. Gn., wir soliche luterung einer statt gewonheit und bruch, so sy gegen solicher fryheit üben, jüngst us vergessenheyt underlassen, haben wir yetzt obgemelte puncten schriftlich verfasset, in ansehung, das nit verstanden werd, das ein statt Straßburg ire bürger und inwoner alleyn frey haben wollt, und aber andre, die nit ir bürger sind und ir hab und güter in der statt und hinder iren Hftt. ligen haben, mit dienstbarkeit und schatzung zu notdrengen oder zu fretten [= sich abzumühen] understanden, sonder das nye anders gehalten, dann was man einer statt Straßburg und iren bürgeren (und dennocht in craft irer fryheiten und us lang harbrochter prescription) geton, das sy sich harwider zu yeden zyten mit einem gegenbruch inhalt des artikels auch hat lossen fynden. Welches doch nyemants lestig oder unträglich sin zu achten ist, dann was ein erberer rat der statt Straßburg lut irer fryheit zu beschehen begert, das tut er doch von im selbs gegen andren auch, und mag nichts unglichs hierunder gespürt werden.

[5.] dWann aber lut der zweyer artikel, durch ksl. Mt. gesetzt [Nr. 990 [23.], [24.]], soliche fryheiten abgeton und widerruft sollten sin, und ferrer ein yeder, der von siner Hft. in ein statt züge, güter hinder siner alten Hft. ligen hett, daselbst von sin gütern steur, bet oder gewerf hinder sich geben sollt, das vormals ungehört und nit also harkommen, und aber vom land gegen der statt und harwiderumb von der statt gegen dem land lut der artikel gebrucht oder angefengt würde, was widerwillen im land und der statt gemeinlich und sonderlichen, auch treffenlichen personen, die fürwor nit wenig in der statt Straßburg und hinder ir oberkeit ligen haben, bringen würd, ist gut zu gedenken. Wann sy beschwert und der statt bürger wider gewonliche, harbrochte, geübte fryheit auch geschätzet würden, das es zu solichem abfall, unfriden yetwedersyts und zerrüttung gemeynes nutzes reychen würd, das ein statt Straßburg dem hl. Rich nit so stattlich, als sy bishar geton und noch ze tun willig geneigt ist, dienen möcht.–d

[6.] Bitten hierumb mit höchstem vlyß, euer kftl. und ftl. Gn. und gunsten wollen in ansehung oberzelter stück und artikel e, auch, das solich fryheit, wie ob gehört, durch Ks. und Kg. und namlich durch wylund hochloblicher gedechtnus Ks. Fryderichen den andern in bysin dann zur zyt auch loblicher gedechtnussen des Richs Ff. und Hh., die das mit verwilliget und bestetigen geholfen haben, desglichen nit alleyn auch von Bäbsten confirmiert, sonder von hl. concilien und zum jüngsten durch das hl. concilium zu Basel von allen der hl., christlichen kirchen, so geistlichen und weltlichen, houptern, im Hl. Geyst versamlet, beslossen, das bis uf disen tag mit fridsamer prescription also unwiderfochten bestanden,–e ein statt Straßburg, by iren lang harbrochten fryheiten zu blyben, gnediglich bedenken. Das soll und würt ein erbarer rat mit willen geneigt sin zu verdienen.

Anmerkungen

1
 Zur Übergabe der Supplikation an die Reichsstände vgl. Nr. 1772 [2.].
a
–a C fehlt.
b
–b C fehlt.
c
 C folgt gestrichen: Item desglichen so ist einer statt Straßburg bruch, harkommen und fruntliche gewonheit, es sig F., prelat, Gf., Fh., ritter und knecht, geistlich oder weltlich, was stands oder wesen die sind, nyemants usgenommen, der oder die liegend oder farend güter, es sigen huser, hof, veld, ecker, wysen etc., nichts usgescheiden, in der statt Straßburg ligend hat, das man zu keinen zyten, es sig in teurungen, kriegsloifen oder in was notdurften das ye bezwanglichen gewesen ist, ye uf soliche der uswendigen güter oder hab etwas gelts oder einicherleyhand beschwerung geleyt und das angesehen der statt fryheit, so, wie obstet, durch merglich dinst, cost und blutvergiessen erlangt. In craft derselben, also gehalten, lost ein statt Straßburg die uswendigen (die solicher fryheit nit enhaben) derselben auch geniessen, und ist noch bisher also fridlich und on menglichs nochteil ye eins gegen dem andern gehalten.
d
–d B am Rand hinzugefügt, C fehlt.
e
–e C am Rand hinzugefügt.