Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Seine überhöhte Bundeshilfe im Vergleich zu anderen Bundesmitgliedern; [2.] Übergroßer Einfluß der Prälaten, Adeligen und Städte im Bundesrat im Vergleich zu den Ff., Ausschluß des Betroffenen bei Beratungen über eine Hilfeleistung; [3.] Hohe Kosten für die Entscheidung kleiner Streitfälle am Bundesgericht; [4.] Zwang zur Teilnahme an einem Rechtsverfahren gegen Nichtmitglieder des Bundes; [5.] Notwendigkeit zur Ausnehmung verbündeter Ff.; [6.] Problem der Hilfeleistung gegen befreundete Stände; [7.] Bitte um Verzicht auf seinen Wiederbeitritt zum Schwäbischen Bund; [8.] Seine Erbeinung mit Österreich als ausreichende Alternative zur Bundesmitgliedschaft; [9.] Problematik der Aufnahme ausgetretener Leibeigener durch andere Hh.; [10.] Problem der Strafkompetenz anderer Obrigkeiten im Hgt. Württemberg; [11.] Bitte um Berücksichtigung der vorgebrachten Beschwerden.

[Trier, Anfang Mai 1512]1

Stuttgart, HStA, H 53 Bü. 8, fol. 90a-94a, Orig. Pap.

Druck: Sattler, Geschichte, Beilage Nr. 56.

Inhaltsangabe: Heyd, Ulrich, S. 174-177.

Beswerung, so wir, Hg. Ulrich zu Wirttemperg, haben, des punds Swaben erstreckung anzunemen.2

[1.] Erstlich ist in unserm vermogen nit, die hilf ze tun, wie die in der zwelfjairigen aynung angesetzt worden ist, dann mit sovil zu roß und fuss auf unsern costen und schaden zu helfen ist nit wider in unser noch unser landschaft vermugen. Und sein wir uber Kff. beswert und neben andern für also hoch angesetzt mit hilf, die irem vermugen nach uber das, so wir schuldig sein, wol zwaymal sovil einkumens haben. Das mag man bey den dreyen stenden also erfinden, am ersten, wie obsteet, bey Kf. und Ff. Meinz, Hg. Wilhelm, Augspurg und Baden.

Zudem wir mit unser hilf prelaten, Gff., ritter und knecht vil ubertreffen, und denen sein wir auf unser selbs costen und schaden hilf zu tun schultig in grosser anzal. Aber herwider tun prelaten, Gff., ritter und knecht uns wenig wider mit hilf oder costen, dann uns ist in gemeiner hilf auferlegt 1200 zu fuess und 150 zu roß. So hat Meinz 150 zu roß und 500 zu fuss, Hg. Wilhelm ist uns gleich an der hilf, aber mit der gult ganz ungleich. So tun an der hilf Augspurg und Baden allein 120 zu ross und 600 zu fuss. So geben prelaten, Gff., freyen, ritter und knecht 50 zu ross und 1000 zu fuß und des hl. Reichs stet 150 zu ross und 2300 zu fuß. Daraus ungeleich hilf dem vermugen nach lichtlich funden wirt.

Item dergleichen maynung ist es mit den stetten auch, die groß und merglich einkumen on sonder beswerd haben, doch gegen unsern beswerden aufheben und ausgeben ein ringe, claine hilf.

Ksl. Mt. antwort: Die ksl. Mt. wil als röm. Ks. durch irer Mt. treffenlich rete eins yeden Kf. und F. macht und vermugen bey einem ungeferlichen uberslagen und alsdann daraus eins yeden hilf messigen und vergleichen lassen.

[2.] Wirtemberg: Item die baid stend3 hat yeder siben stymmen im rat und wir eine, und mit iren stymmen machen sy ein merers, wann sy wellen. Wann uns hilf notdurftig ist, mussen wir allen gehaim eroffnen, vor der tür steen und dannocht nicht wissens tragen, was wir erlangen mugen.

Item in macht der 21 rete stet, frid oder anstand des kriegs zu machen, wie sy billich ansicht. Item so mugen die auch mer hilf erkennen. Damit so stund unser wil und vermugen in kriegsleufen in frembden handen bey prelaten, Gff., ritter und knechten und den stetten, dann die haben 14 stymmen, machen ein merers, wann sy wellen, es gefal ksl. Mt. mit einer oder zweyen stymmen, Kff., Ff. oder uns als nit, ist ganz beswerlich.

Ksl. Mt. antwort: Ksl. Mt. wil understeen zu erlangen, das der Hg. von Wirtemberg zwo stymmen hab. Aber ein yeder F. oder ander pundsverwanten, den ein sachn berürt, muß austreten, es were sunst ein ungehorte neuerung und wider geprauch aller pünd in der welt, als sein ftl. Gn. selbs ermessen kan. Darzu beleibt es der hilf halben alzeit billich bey des punds rete erkentnus, sunst were einer, dem in solchem seins gefallens gelebt werden solt, des punds oberher und landsfürst.

[3.] Wirtemberg: Item auf den pund geet vil costens mit vil richtern, hauptleuten und tagleysten umb klein sachen, das unnot ist, und werden wir in rechtvertigung der sachen von unser freiheit, gemeinen rechten und der ordnung des hl. Reichs gezogen. Das unleidenlich ist einem yeden seins gefallens, sich also lassen tringen wider das, wie obsteet, gibt auch einen swern eingang, und uns wellen die prelaten das nit zulassen.

Ksl. Mt. antwort: Es ist seiner ftl. Gn. und aller Kff. und Ff. des punds verwandten landschaften nutz und gut, das die sachen, die sunst an das camergericht wachsen solten, vor den pundsreten ausgetragen werden, dan es beschicht umb furderlicher und kurzer entschaft willen. Welche prelaten auch in den pund nit kumen wellen, die konden auch nit darein getrungen werde. Dann des uberflüssigen costens halben ist ungezweifelt ein yder des gemüts wie sein Gn., aber derselben costen mag wol gemessigt werden. Und ist deshalben der ksl. Mt. gn. rat, das sein Gn. in solchen sachen und andern beswerungen dem merern teil volg und im selbs kein scheuung oder beswerung sonderlich mach.

[4.] Wirtemberg: So langt auch ein artikl uns an, welcher ausserhalb punds gesessen und ausserhalb einsetzung ungeweigerts rechtens sich auf die richter des punds erpiet, das die pundsverwandten schuldig sein sollen, also ungeweigert furzukomen oder inen ist die hilf abgestrickt. Ist wider gemein recht, ftl. freyheit und des Reichs ordnung, dann damit ist alle hilf abgestrickt und ganz ungesellklich, also fur willkurt richter sich tringen zu lassen.

Der ksl. Mt. antwort: Die ksl. Mt. last es bey der antwort beleiben, wie im artikl d, e und f begriffen ist.4

[5.] Wirtemberg: Item wir sein in aynung mit vil Ff., die wir wol schuldig sein auszunemen.

Der ksl. Mt. antwort: Ja, mit den er in ewiger puntnus steet.

[6.] Wirtemberg: Item es were auch uns swarlich, eynem yeden pundsverwandten wider unser angeborn Hh. frund, swager, oheim und gutgunder zu helfen.

Der ksl. Mt. antwort: Wann sy seiner ftl. Gn. sweger und frund sein, sovil mer ist sein Gn. schuldig, wo sy unrechts handln, sy davon und auf den rechten weg und zu aller billicheit helfen zu weisen, damit ir seel, eer, land und leut vor Gottes und der welt straf verhuet beleiben, wie dann die heuser Osterreich und Beyern solhs williglichen tun, bedunken auch, des geert zu sein.

[7.] Wirtemberg: Darumb ist unser undertenig bit, ksl. Mt. welle uns nochmals gnediglichen bedenken, des punds und diser beswerden, daraus volgende, gnediglich uberheben und vertragen. Dann ob wir uns glich darin begeben und den pund, wie angezaigt, annemen solten, so wissen wir yetzo, das wir das nit halten kunden, und werden ander mit unser hilf verfürt, die sich diser hilf mochten getrosten, zudem uns verwiß, nachred und unglauben entsteen. Dardurch wir in unwiderbringlichen abfal wachsen wurden, dann mit treuen und glauben haben wir und unser voreltern unzher gehandlt und also herbracht, das wir hinfuro auch gern tun wolten.

Der ksl. Mt. antwort: Wann er den pund auf der ksl. Mt. mittl annymbt, mag er sein zusagen und verphlichtnus wol halten. Die ksl. Mt. wil im auch darin mit leib und gut helfen.

[8.] Wirtemberg: Item wir haben uns darumb zu dem loblichen haus Osterreich in erbaynung getan, dabey zu beleiben, zu dem unser leib, gut und land treulich zu setzen, damit mugen andren aynungen und beswerden vertragen zu sein. Und wir achten, an derselben aynung mitsambt andern unsern Hh. swagern, oheimen und sunst guten gundern zu der notdurft wol versehen sein und unnot, mit denen, so zum teil unser lehenmann, zum teil diener seind, und andern, den wir sunst mit gnaden geneigt, in aynung zu kumen oder mit denen, so also uns entsessen, das wir inen nit wol hilf tun mugen.

Der ksl. Mt. antwort: Es ist wissent, das die anstosser, als Eidgnossen und ander, so mechtig, das Osterreich und Wirtemberg allein zu swach sein, denselben gewelten widerstand zu tun. Diser pund ist ir beider nutz und notdurft, dann man sicht, wie langsam des Reichs hilf von stat geet, und ee die erlangt würde, mocht grosser schaden beschehen sein. Es werden auch sein anstosser mer gunst und getrauen zu im bringen, dieweil sy sehen, das er in solher aynung und grossen hilf steet, dann sunst, so er und sy nit wissen, wes sich ein yder gegen dem andern versehen solt und müssen zu beider seit des glücks oder unglücks gegeneinander gewertig sein.

[9.] Wirtemberg: Uns ist auch swer, das unser undertanen, die on mittl mit leibeigenschaft oder sunst in unsern gerichten gesessen und zugehorig sein, sollen anderswo von pundsverwandten, so die umb frevel, mißhandlungen, malefitz, wiltpann sich geprauchen oder umb ander ungehorsami austreten, enthalten werden.

Der ksl. Mt. antwort: Diser artikl ist wol auszulassen, aber in andern spennen, die sunst vor das camergericht wachsen solten, ist es zu halten, wie in dem artikl, mit g gezaichent, begriffen steet.

[10.] Wirtemberg: Item uns ist auch swer, das pundsverwandten in unserm Ft. solten strafen on unser wissen und willen, dergleichen, das wir die, so in unsern wiltpannen und fursten freveln, nit solten strafen wie von alter herkumen.

Der ksl. Mt. antwort: Der frevel halben, wie sein Gn. das anzeigt, wirt es billich underlassen, aber mit den strafen nit, dann dasselb ist die ursach des punds und zehen mugen mer costens leiden dan einer. Es mag auch die straf dest pas geschickt werden, und Osterreich, Bayern und ander Ff. mussen das strafen in Ftt. und landen auch gedulden.

[11.] Wirtemberg: Ist an die ksl. Mt., wie obsteet, unser undertenig bitt, mit gnaden das und uns, wie obsteet, zu bedenken. Wellen wir ungespart unsers vermuges leibs und guts umb ksl. Mt. in aller undertenikeit verdienen.

Der ksl. Mt. antwort: Der ksl. Mt. gn. begern ist, das sein Gn. sich des punds ferrer nit weiger, sonder irer Mt. gehorsamlich verfolg, wie der artikl, mit g gezaichent, anzeigt. Des wil sich ir Mt. entlich versehen.

Anmerkungen

1
 In Nr. 1438 schreibt Zyprian von Serntein, es hätten noch keine Gespräche mit dem (auf dem Trierer Reichstag anwesenden) Hg. von Württemberg über dessen Bundesbeitritt stattgefunden, doch sei zu wünschen, daß dies bald geschehe.
2
 Zu den Motiven Hg. Ulrichs für seine schon 1511 erkennbar ablehnende Haltung gegenüber einem Wiederbeitritt zum Schwäbischen Bund vgl. Bock, Der Schwäbische Bund, S. 153-155; Brendle, Dynastie, S. 27f.; Metz, Der Stände oberster Herr, S. 139.
3
 Gemeint sind die Prälaten und Adel einerseits sowie die Städte andererseits.
4
 Der Ks. nimmt hier sowie in [9.], [11.] offenkundig auf ein anderes, nicht vorliegendes Aktenstück Bezug.