Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Unterredung mit Matthäus Neithart über die Streitigkeiten beim Taxationsverfahren und die mögliche Blockierung der Schwäbischen Bundeshilfe für Hg. Albrecht durch Kg. Maximilian.

Augsburg, 19. März 1507 (freitag vor judica).

München, HStA, KÄA 1238, fol. 224–226’ (Or.).

[1.] Berichtet über eine am Vortag [18.3.] in Aichach geführte Unterredung mit dem Schwäbischen Bundeshauptmann Matthäus Neithart: Er schilderte diesem detailliert die Behinderung der Taxation durch die Vertreter Pfgf. Friedrichs und kündigte an, daß die Taxatoren Hg. Albrechts die drei Bundeshauptleute um eine Aufforderung an Dr. [Augustin] Lösch bitten wollten, seine Aufgaben zügig zu erledigen.2 

[2.] Laut Neithart äußerte der Bf. von Trient, daß die Taxation bis Pfingsten abgeschlossen sein könne, wenn sich die pfalzgräflichen Vertreter so konstruktiv verhielten wie die bayerischen. Gibt Mitteilungen Neitharts über dessen Gespräche mit Adam von Törring3 und mit dem Bf. von Gurk, Matthäus Lang, wieder. Letzterer kündigte ein Schreiben Kg. Maximilians an die Bundeshauptleute wegen des Taxationsstreits an. Neithart erwartet von diesem Schreiben nicht viel Gutes. Denn er wurde von etlichen Mitglieder des kgl. Hofes, die wohl Eigeninteressen vertreten, heftig attackiert; vermutlich verfolgen sie die Absicht, das Unterpfand zu Händen des Kg. zu sequestrieren, der dann Wasserburg und andere Orte mit Hauptleuten besetzen würde.4 Neithart vertrat den kgl. Räten gegenüber die Auffassung, daß der Bund die Hilfszusage für Hg. Albrecht einhalten werde und daß der Kg. zur Umsetzung seines eigenen Urteils verpflichtet sei; nur Hg. Albrecht selbst könne den Bund von seiner Hilfspflicht entbinden. Laut Neithart wird am kgl. Hof gegen Hg. Albrecht intrigiert.

[3.] Neithart befürchtet, daß der Kg. den nächsten Bundestag nach Konstanz verlegen will, um dort mit den Bundes- und Reichsständen über den Konflikt zwischen Hg. Albrecht und Pfgf. Friedrich zu verhandeln. Pfgf. Friedrich und Kf. Philipp bedrängen Kff. und Ff., auf den RT zu kommen und dort einen Ausgleich herbeizuführen. Dies geschieht in der Absicht, die Bundeshilfe für Hg. Albrecht zu hintertreiben. So könnte es sich bei dem von Lang avisierten Schreiben an die Bundeshauptleute um eine Aufforderung handeln, den Bundestag nach Konstanz und nicht nach Augsburg auszuschreiben. Der Kg. sagte persönlich zu Neithart, daß er nicht in die Niederlande, sondern zuerst nach Konstanz ziehen wolle, jedoch erst nach den Osternfeiertagen.

[4.] Er wies Neithart darauf hin, daß seines Wissens eine Vertagung der Bundesversammlung nur mit Einwilligung Hg. Albrechts erfolgen dürfe. Neithart stimmte dem zu. Der Kg. könne aber die drei Hauptleute ohne Angabe von Gründen zur Zeit des Bundestages zu sich berufen, ebenso etliche Bundesräte; die übrigen Teilnehmer würden dann abreisen wollen. So könnte der Bundestag aufgelöst werden. Der Kg. hätte dann einen Grund, auch die übrigen Bundesstände einschließlich Hg. Albrechts zu sich zu laden. Er erinnerte Neithart daran, daß Hg. Albrecht gute Gründe habe, nicht nach Konstanz zu kommen. Der Hg. könne in dieser Situation nicht ohne weiteres sein Land verlassen. Einzig Augsburg sei als Tagungsort akzeptabel. Neithart erwiderte, daß er aus diversen Äußerungen und Geschehnissen schlußfolgern müsse, daß Pfgf. Friedrich so vorgehen werde; was der Kg. tun werde, könne er nicht wissen. Der Pfgf. bemühe sich aber beim Kg., die Bundeshilfe für Hg. Albrecht zu hintertreiben und diesen zu Verhandlungen zu zwingen.

Anmerkungen

1
 Ilsung fungierte im Zusammenhang mit den Taxationsverhandlungen verschiedentlich als Anwalt Hg. Albrechts (z. B. Notariatsinstrument Johannes Beyers über einen Antrag von Anwälten Hg. Albrechts an die Taxationskommission, Or. Perg. Libell mit Notariatssignat, Augsburg, 5.1.1507; HStA München, Haus- und Familiensachen, Urkunden: Hgl. Länderteilungen, Nr. 338).
2
 Schreiben der bayerischen Taxatoren an die drei Bundeshauptleute vom 24.3.1507 mit der Bitte, Lösch zur Wahrnehmung seines Kommissariats bezüglich der Taxation bis zum 18.4. anzuhalten (Kop. Augsburg, mitwoch nach sonntags judica; HStA München, KÄA 1238, fol. 239–240’). Lösch war gemäß dem Augsburger Vertrag vom 22.6.1506 zusammen mit dem Ulmer Stadtammann Konrad Locher zum Taxationskommissar ernannt worden (Or.; HStA München, Kurbayern Urk. 13218. Druck: Krenner, Landtagshandlungen XV, S. 324–337, hier 330f.).
3
 Törring war Mitglied der Taxationskommission als einer von drei Vertretern Pfgf. Friedrichs (z. B. Vollmacht Pfgf. Friedrichs unter anderem für Törring zu den Freisinger Verhandlungen im Oktober 1505; Krenner, Landtagshandlungen XV, S. 147. Weisung Kg. Maximilians an die Taxationskommission, Or. Wien, 26.6.1506; HStA München, Fürstensachen 261½I, fol. 8–8’).
4
 Die Vertreter Hg. Albrechts am kgl. Hof, Kaspar von Winzer und Thomas Salzinger, teilten am 24.3. mit, daß die kgl. Räte ihnen nach der Abreise Kg. Maximilians am 22.3. in dessen Namen folgende Erklärung eröffnet hätten: Pfgf. Friedrich habe geltend gemacht, daß er gemäß dem kgl. Spruch [vom 30.7.1505; Heil, RTA-MR VIII/1, Nr. 476, hier S. 777, § 22] das Unterpfand erst nach erfolgter Zuweisung von Besitzungen mit einem jährlichen Ertragswert von 24 000 fl. abtreten müsse; ebenso solle bei Unstimmigkeiten gemäß dem Spruch [ebd., § 24] der Kg. entscheiden. Zudem habe sich der Pfgf. über die Verfahrensweise des Obmanns [Bf. Georg von Trient] beschwert. Der Kg. habe deshalb entschieden, das Unterpfand bis zum Abschluß der Taxation an einen Treuhänder zu übergeben, und werde drei Räte abordnen, die gemeinsam mit den Kommissaren des Schwäbischen Bundes [Dr. Augustin Lösch und Konrad Locher] und den Anwälten der Parteien die Taxation vornehmen sollten. Bei Unstimmigkeiten zwischen diesen werde der Kg. selbst entscheiden. (Or. Straßburg, mitwoch nach sontag judica; HStA München, KÄA 1238, fol. 244–245’). Die bayerischen Vertreter bestanden in einem Schreiben an Kg. Maximilian darauf, daß bei Streitigkeiten, wie der Kg. auch in einem früheren Mandat an die Taxatoren befohlen habe, der Obmann den Ausschlag geben solle. Sie wiesen darauf hin, daß Hg. Albrecht nicht länger auf das Unterpfand – etwa durch Übergabe an einen Treuhänder – verzichten könne und keinen Grund sehe, die Entscheidung des Schwäbischen Bundes zu ignorieren. Die Bestimmung des kgl. Spruches, daß das Unterpfand erst nach Ausweisung der 24 000 fl. erfolgen solle, sei infolge der offenkundigen Verschleppung des Verfahrens durch die Gegenseite obsolet. Die Beschwerden Pfgf. Friedrichs wegen der angeblichen Parteilichkeit des Obmanns seien unzutreffend. Ein persönliches Eingreifen des Kg. bei Unstimmigkeiten zwischen den Taxatoren würde das Verfahren nur verlängern (Kop., s.d., jedoch 23.3.1507; HStA München, KÄA 1238, fol. 241–242). Laut dem Bericht vom 24.3. beharrte der Kg. allerdings auf seiner Entscheidung.