Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Hannover NLA, Celle 1 Nr. 20 I, fol. 36r–39v (Ausf.).

Euern fstl. Gn. mag ich undertenig unangetzeigt nicht lassen, das ich mit meiner geselschaft und habe am Sontag Jubilate [1541 Mai 8] alhie zu Regenspurgk bin angekomen und meinen wegk wol ehr wolte volnzogen haben, wo nicht an den pferden mangel gewesen, die auch zum theil so steif geworden, das sie zu weiten reisen wenig thuglich, wie euere fstl. Gn. aus Hansen boten weiter werden vornhemen. Alß ich aber alhie angekomen und mich bey den sechsischen und hessischen rethen habe angegeben, hetten sie viel lieber gesehen, eur fstl. Gn. weren selbst eigner person alhir erschienen oder jhe zum wenigsten der cantzlern einen hetten geschicket, in dem ich doch eur fstl. Gn. undertenig und mit dem besten entschuldiget und verantwortet habe. Gleichergestalt habe ich mein credentz Pfgf. Fridrichen und seinen zuverordenten rethen (alß die anstadt und von wegen ksl. Mt. den teutschen handlungen und sachen obsein und furstehen) uberantwortet und nach inhalt meiner instruccion eur fstl. Gn. personlich nit-erscheinen mit vleiß entschuldigt1, daruff mir die antwort zugestalt, das ir fstl. Gn. und sie eur fstl. Gn. aus angetzeigten ursachen entschuldigt nhemen, solchs auch ferner der ksl. Mt. antzeigen wolten, in hoffnung, ire Mt. wurde die furgewante entschuldigung gnedigst ermessen und fur genugsam erachten, und wolten sie mich anstat eur fstl. Gn. zu den sachen und handlungen auch erforderen etc.

Die handlungen aber befinde ich also, das noch zur tzeit weinig ausgerichtet und sich dieser tag wol in die lenge vorziehen mugte. Was ksl. Mt. erstlich in irer Mt. gegenwort den Kff., Ff. und stenden des reichs haben furtragen laßen [Nr. 29], werden euere fstl. Gn. aus beigelechter schrift, mit A signirt, gnedig vernhemen. Und wiewol ire ksl. Mt. seither in offentlicher audienz und handlung nicht gewesen, so sein doch volgendts durch unterhandlung die sachen dohin gerichtet (soviel die vergleichung der religion belanget), das uff unserm theil drey disputatores nemlich Mag. Philippus Melanchton, Martinus Bucerus, Joannes Pistorius Niddanus und vom jegentheil drey alß H. Iulius Pflugk, Dr. Eccius, Ioannes Gropperus von ksl. Mt. seint benant und verordent worden, welchen der a Pfgf. Fridrich–a zum praesidenten ist gegeben, von wegen ksl. Mt. der H. zu Granuell, von der gegentheil wegen der Gf. von Manderscheit, des churfursten pfaltzgraven cantzler, der mentzisch hoffmeister, uff unser seithen die beide sechsisch und hessisch cantzler und H. b Jacopp Sturm zu auditorn zugegeben–b.

Und obwol erstlich der artikel halber, darvon disputirt solle werden, ein streit gewesen und die jegentheil die ordnung der apologien nicht volgen wollen, so hat man doch nach beschehener vergleichung erstlich den articulum de potestate ecclesiastica furgenhomen, welche disputation so ethwas weitleuftig geworden und sich die parthien einer einhelligen meinung nicht haben vergleichen mugen. Darmit die handlung dadurch nicht gehindert wurde, ist solcher artikel an ein seit gesatz und zum punct de fide iustificante geschritten worden, darinnen ein vorgleichung geschehen, wie beyverwarte schrift, mit B signirt, thut ausfhuren. Itzo wird disputirt uber dem artikel de sacramento eucharisti[ae], darinnen die jegentheil wollen haben transsubstantionem, repositionem, adorationem und proceßionem. Nhun kunnen die unsern solchs nicht nachgeben und sein derhalben, wie ich vernhomen, viel trefflicher ratschlege bey den unsern gehalten und ein jeder theologus in sunderheit gehort worden. Darumb so stutzet sich der handel alhie vast sehr und kan man nicht wissen, wo es hinauß wolle. Dan so viel die unseren uff rechten grundt und bewerliche schrift bauwen, so viel thun die jegentheil uff irem furgeben pertinaciter beharren. So wird doch nicht in rathe gefunden, das man dissen artikel gleich wie den ersten de potestate ecclesiastica uffschieben und zu andern schreiten solle. Und ist bisher uff diesem reichstage, wie ich vernhomen, in religionssachen ferner nichts gehandelt.

Die reichssachen liggen noch gantz stille und helt sich der keyser doheim, wird weinig gesehen, vorreitet auch tzu tzeiten. Die anderen fursten halten tzu tzeiten ratschlege, aber doch ein jeder theil besonders und sein warlich die jegentheil statlich alhie, haben auch statlich geschickt. Der röm. konig, der Frantzoß, Portugaller, Engellender, Dennemerker, die Venediger, Kernter, Osterreicher, der bapst und andere mher.

Uff unserm theil ist der Lgf. zu Hessen, F. Wolff zu Anhalt. Die anderen haben ire statliche, ansehenliche botschaft alhie. Hg. Heinrich von Braunschweig ist vast stille und hat (wie man sagt) weinig gunst bey dem haupt und idermenniglich. Pfgf. Fridrich sol zu zweienmhalen alle fursten, so hie sein, geladen, aber allweg Hg. Heinrichen heimgelassen haben. So soll auch der Lgf. zu Hessen offentlich protestirt haben, das er bey Hg. Heinrichen (wie sich dan hatte zugetragen, nachdem andere fursten nicht alhie) in publica sessione nicht sitzen wollen, darumb auch der keyser zwischen irer beyder Gn. den Hg. von Sophoy gesatz soll haben. Und hat also der gut furst von dem gemeinen bete [sic!] viel verloren, dan auch der Bf. von Hildensheim heftig in in tringen solle und offentlich sich horen laßen, er konne viel practiken, so Hg. Heinrich wider den stift furgenhomen, an den tag geben. So haben auch die fursten und stende unsers theilß ein supplication an ksl. Mt. gestalt (welche furderlig sol ubergeben werden), darinnen den handel des mortbrennens angetzogen [Nr. 255] und aus ethlichen viel urgichten gemachten auszog darein gesatz und letzlich daruff gebeten, ir ksl. Mt. wolle bey Hg. Heinrichen die verschaffung thun laßen, das die besagte personen, der großvogt zu Wulffenbuttel, der amptman zur Stauffenburgk und Scheinnungen angenhomen und an den orten verwaret wurden, da man geburliches rechtens an inen mogk bekomen. Was daruff weiter wird erfolgen, wil ich euren fstl. Gn. alsdan auch nicht verhalten und, was sich sunsten bey diesen ratschlegen zugetragen, in meiner ankunft, wil Got, berichten. Dan auch Hg. Heinrichs freunde solche urgichten haben und wie verhofflich darleggen werden etc.

Wird auftragsgemäß um Konfirmation der Verträge zwischen Hg. Ernst und Hg. Franz von Braunschweig-Lüneburg beim Kaiser anhalten, wenn der Gesandte des letzteren eintrifft. Hat unterwegs von Eberhard von der Thann, der aus Württemberg kam, erfahren, dass Hg. Franz ebenfalls nach Regensburg kommen soll. Hg. Franz soll jetzt in Heidelberg beim Kf. von der Pfalz sein.

Dr. Held hat von ksl. Mt. erlaubnuß gebeten, aber villeich nicht der meinung, das ime solle urlaub gegeben werden. So ist ime doch von ksl. Mt. seinem furtragen nach bescheit geworden (wiewol, wie man sagt, er widerumb bey irer Mt. umb dienst sollicitiren laßen) und ist an sein statt Joannes de Nauia verordnet, dem auch unsers nachburn anschleg nicht wol sollen gefallen. So ist im auch der Bf. von Lunden nicht wol gewogen und konte sich das spiel villeicht wol umbkeren etc.

Die credentz an den lantgraven habe ich auch uberantwortet und bin von seinen fstl. Gn. bescheits gewertig. De digamia hic verbum nullum und ist nhur sein fstl. Gn. bey idermenniglich wol und rhumlich gehalten etc.

Der Mgf. zu Brandenburg ist mit seinem frauwenzimmer noch alhie. Aber der Bf. von Bremen hat sein abzog genhomen unter diesem schein, das im etzliche knecht in seine lande gefhallen, wiewol sich dagegen Hg. Heinrich sol haben verhoren laßen, er habe die knecht geschlagen etc.

Da er über die bisherigen Verhandlungen keine weiteren Informationen einziehen konnte, hat er seinen Boten umgehend abgefertigt, um den Herzog zu unterrichten und Zehrkosten zu sparen. Und dieweil zu besorgen, dieser reichstag mugte sich ethwas vorweilen, hat er sich bei den beiden Söhnen Gabriel Brenners für den Bedarfsfall um eine Kreditzusage bemüht. Hg. Ernst möge deren Vater um Unterstützung bitten, die dieser wie schon früher sicher gewähren wird, denn es dannoch beschwerlich ist, das gelt so fern uber land zu fhuren etc.

Von kgl. Mt. ankunft weis man noch weinig zu sagen, wiewol, alß gesagt wird, in die 300 heuser zu behuf irer Mt. sein bestanden worden. Und ist ein geschrey, der Turck zihe mit grosser macht herauß. Got gebe sein gnade, das gute vorgleichung und einigkeit gemacht und diesem erbfeinde widerstanden mugte werden. Der keyser hat vielen spanischen und niderlendischen reutern geurlaubt, do sie nicht bedacht, wider den Turcken tzu tziehen. Und sein viel daruff abgezogen, mir auch unterwegen begegnet2. [...]. Geben tzu Regenspurg am Donnerstag nach dem Sontag Cantate3 anno 1541.

[PS:] Und was ich, gendiger furst und her, eurn fstl. Gn. itzo zugeschrieben, bitte ich noch tzur tzeit in geheim tzu halten, dan darumb gebeten worden, diese ding nicht auszubreiten, welche ich doch eurn fstl. Gn. aus schuldigen pflichten nicht vorhalten mogen.

Anmerkungen

1
 Vgl. Hg. Ernst von Braunschweig an Karl V., Celle, 1541 April 13, Hannover NLA, Celle 1 Nr. 20I, fol. 31r–32r (Kop.): Obwohl ihm das Ausschreiben nicht zugegangen ist, war er auf ein weiteres Schreiben des Kaisers hin, das er vor einigen Tagen erhalten hat, doch bereit, den Reichstag persönlich zu besuchen. Warum er aber nun verhindert ist, wird sein Rat Nikolaus Holstein dem Kaiser erklären. Bitte, ihm Glauben zu schenken und ihn, da er ihn zum Reichstag abgefertigt und entsprechend bevollmächtigt hat, zu den Verhandlungen an seiner Stelle zuzulassen. Bitte, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Datum Zell, Mitwochen post Palmarum anno etc. 41.
a
–a  Korr. aus: H. von Granuell.
b
–b Nachgetr.
2
 Vgl. Dr. Nikolaus Holstein an Balthasar Klammer, Regensburg, 1541 Mai 12, Hannover NLA, Celle 1 Nr. 20I, fol. 40r–41v (Ausf.): Was er bisher von den Reichstagsverhandlungen erfahren konnte, wird Klammer von Hg. Ernst vernehmen. Die protestantischen Stände und Gesandten hätten Klammers Ankunft oder die Ankunft des alten Kanzlers, des Schwagers von Klammer, gern gesehen. Hat ihre Abwesenheit, soviel möglich, entschuldigt. Es wäre mit Rücksicht auf die stattlichen Gesandtschaften anderer Stände gut, auch vielen Sachen dienlich gewesen, wenn sie entsprechend seiner Bitte auf dem Reichstag anwesend wären. Knechte im Land zu Hadeln und die Abreise des Ebf. von Bremen aus Regensburg. Was der ksl. Kommissar, der zu Recherchen im Streit Hg. Heinrichs von Braunschweig mit den Städten Goslar und Braunschweig abgefertigt wurde, ausgerichtet hat, weiß Klammer sicher besser als er. Will trotzdem, was er hier erfährt, berichten. Dr. Held ist aus seinem Dienst entlassen, wie man sagt, mit großen Ungnaden. Held musste angeblich bei Nacht abreisen und die Pferde zum Teil zurücklassen. Hg. Heinrich hat beim Kaiser vergeblich Fürbitte für Held eingelegt. Jedenfalls ist Held nicht mehr Vizekanzler, sondern Johann von Naves. Es geht auch das Gerücht, dass Dr. Eck sol gerurt sein. Wenn das wahr ist, wer würde dann nicht sagen, dass dies ein Zeichen Gottes sei. Denn Eck wäre in den in Regensburg anstehenden Auseinandersetzungen gefährlicher, als er jemals war. Aber alle diese Dinge sind geheim zu halten. Mag. Philippus sicht vast jemmerlich, als ich in vorhin nicht gesehen. Heute abend ist Hg. Philipp von Pommern hier angekommen. Der Kaiser will angeblich für einige Tage nach Bayern reisen. Die hendel gehen gemach fur und solte wol ein langweilig ding daraus werden, darumb muget ir euch nicht vast derhalben bekummern, das ir zu diesem tage nicht geschicket worden. Geben zu Regenspurg am Donnerstag nach dem Sontag Jubilate anno etc. 41.
3
 Diese Datierung beruht offenbar auf einem Versehen. Der Brief ist nach der Fertigstellung, aber vor der Übergabe der am 13. Mai dem Kaiser eingereichten Supplikation der evangelischen Stände in Sachen Mordbrenner verfasst. Die Annahme liegt nahe, dass er gleichzeitig mit Holsteins Schreiben an Balthasar Klammer vom 12. Mai (vgl. oben Anm. 2) abging. Dafür sprechen außer dem Anfang des Briefes, der auf einen gleichzeitigen Bericht an Hg. Ernst verweist, auch inhaltliche Übereinstimmungen. Dass Holstein wenige Tage nach seiner Ankunft am 8. Mai bereits an den braunschweigischen Kanzler, aber erst am 19. Mai an seinen Auftraggeber, Hg. Ernst, zum ersten Mal geschrieben haben sollte, ließe sich nicht plausibel erklären.