Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

A  Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 394 Nr. 149 Bd. 1, unfol. (Reinkonz.).

B  Marburg StA, PA 2593, fol. 141r–145v (Ausf.).

Hat die Antwort des Landgrafen [Nr. 480] auf sein Schreiben vom 7. Februar 1541 aus Torgau und die Darlegung der Gründe, warum die der Stadt Braunschweig bewilligte Hilfe zur Zeit noch nicht geleistet werden sollte, zur Kenntnis genommen.

Der Dank des Landgrafen für die Zusendung der Schmähschrift Hg. Heinrichs war unnötig. Wenn er gewusst hätte, dass der Landgraf von der Schmähschrift noch keine Kenntnis hatte, hätte er diese früher geschickt, dan uns die zeitlich durch vertraute personen zuhanden bracht. Hat gern gehört, dass sich der Landgraf nicht auf eine weitläufige Polemik mit Hg. Heinrich einlassen, sondern nur zu den Hauptpunkten Stellung nehmen will. Will dies auch tun. Hofft, dass aus seiner Erwiderungsschrift die Wahrheit und Hg. Heinrichs Lügen und Bosheit klar hervorgehen.

Hält die Stellungnahme Lgf. Philipps zur Hilfe für Braunschweig für wolmainlich und freuntlich.Dass er ebenso viel Grund zur Feindseligkeit gegenüber Hg. Heinrich von Braunschweig hat wie der Landgraf, ist nicht der Grund für sein beharrliches Plädoyer für die umgehende Hilfsleistung. Weiß auch, dass daraus allerlei Weiterungen entstehen können. Hält aber für beschwerlich, wenn Beschlüsse der schmalkaldischen Verbündeten nicht vollzogen werden und die Stadt Braunschweig trotz früherer Zusagen ohne Trost und Hilfe bleibt. Die Stadt Braunschweig und andere Verbündete könnten dann kleinmütig werden und den Eindruck gewinnen, als ob das Bündnis nur auf dem Papier stünde und auf seine Hilfe kein Verlass sei. Hat dies dem Landgrafen bereits ausführlich dargelegt, a wye dan der ganzen eynung verachtung, auch [zerrutung] der [halben] erfolgen mochte–a. Und nachdeme euere L. uns unlangst des Granuels schreiben, an euere L. haltende, copeien zugeschickt, dorin angezaigt, was vorschaffung die ksl. Mt., b unser allergnedigster her–b, zu abwendung sollicher der von Braunschwig beschwerung gethann,hat er eine Kopie davon seinem vertrauten Diener, den er nach Braunschweig abgefertigt hat, nachgeschickt mit dem Auftrag, sich mit vleis zu erkunden, wie es umb der von Braunschwig beschwerung itziger zeit gelegen und ob auf solche der ksl. Mt. vorfugung etwas wircklichs ervolgt, also das mit der bewilligten hulf mochte in ruhe gestanden werden und uns nicht zugemessen, wir hetten in solchen sachen zu sehr geeilet oder aber die von Braunschwig den verwilligten abschieden zuentkegen mit der hulf vorzogen, dorauf uns von gemeltem unserm diner gesterigs tags bericht einkommen, wie es hirumb allenthalben gelegen, auch was die von Branschweig sich gegen euere L. auf derselben schreiben undt zuschickung des H. von Granuels vortrostung vornemen lassen, dovon wir eueren L. alsbald durch unser schreiben anzaig gethann1, und euere L. doraus vornemen werden, das mit der bewilligten hulf noch ain zeitlang als nemlich ainen monat vorzogen werden sol, ob villeicht mitlerweil die wirckliche abschaffung der von Braunschweig beschwerung, sunderlich der beider artickelh halben, die sie in irem schreiben, an euere L. gethann, gemeldet2, mit dem wergk ervolgen wolte3. Wenn dies geschieht, so hat es mit der Verschiebung der Hilfe bis nach dem Ende des Reichstages sein Bewenden. Wenn dies aber nicht geschieht, so hat der Landgraf zu bedenken, ob aufgrund der Bundesverfassung und der beschlossenen Abschiede sich etwas anderes gebühren will, als nach Ablauf der Frist den Naumburger Abschied [Nr. 7] zu vollziehen und die Hilfe zu leisten. Erwartet, c dye ksl. Mt., so sie [vermercken] wirdet, worauf der von Braunswyck beschwerung [haften], [werden] mitlerweil–c in disen dingen zu erhaltung frieden und ruhe billiche vorfugung zu thun wissend undt also, dase die von Braunschwig dasselbigf im werg entpfinden mugen. Do aber nicht und Hg. Hainrich mit seinen unbillichen, unrechtmessigen beschwerungen widder die von Braunschwig, sunderlich mit hemung irer zins und rent und erlegung der strassen und passes vortfure, so wirdet eueren L. und uns nimants vorargen mugen, das der unvormeidlichen notturft nach alsdann nach vorflissung monats frist die hulf gelaistet werde, wie wir dann euerer L. bedencken auch dohin vormercken. Derwegen so werden euere L. nochmals zum vleissigsten bei dem von Granuelh die ding zu furdern und dohin, das die wirckliche abschaffung ervolge, zu erhalten wissen.

Wenn auch der Kaiser die Suspensionsmandate und das Geleit ausgestellt hat, so weiß der Landgraf doch, wieviel an der braunschweigischen Angelegenheit gelegen ist. Wenn dem Kaiser wirklich daran liegt, Friede und Ruhe im Reich zu erhalten, zweifelt er nicht, dass der Kaiser Hg. Heinrich zum Gehorsam zu bringen wissen wird. Wenn dies aber nicht geschieht, so kann sich der Landgraf denken, was man hinsichtlich des Friedens zu erwarten hat, wenn die Stadt Braunschweig in den Beschwerungen stecken bleibt. Der Landgraf kann davon ausgehen, dass auch er, Johann Friedrich, nicht gern Ursachen zu tätlicher Handlung und Unfrieden geben will. Weiß auch, dass eine Sache leichter angefangen als beendet wird. Gibt aber zu bedenken, dass sie in dieser Angelegenheit keinen Anfang machen, vielmehr dies längst Hg. Heinrich durch seine Übergriffe gegen die Stadt Braunschweig getan hat.

Die bewilligte Hilfe ist allein zu Abwehr und Defension gedacht. Angesichts der langen Geduld und der vielfältigen Ansuchungen und Bitten etc. wird niemand sagen können, dass er zu Unfrieden aufgehetzt habe. Vielmehr muss solche Hilfe als rechtmäßige und befugte Defension gegen die Übergriffe Hg. Heinrichs angesehen werden. Falls in der angegebenen Frist den Beschwerungen der Stadt Braunschweig nicht abgeholfen wird, belässt er es bei dem, was er gestern und in gegenwärtigem Schreiben geschrieben hat, nämlich bei der Auffassung, dass dann, wie auch der Landgraf selbst meint 4, die Hilfe umgehend geleistet werden soll.

Datum Torgau, Mitwoch5 Cathedra Petrj 1541.

Anmerkungen

a
–a Von Johann Friedrich eighd. nachgetr., teilw. ergänzt nach B.
b
–b Von Johann Friedrich eighd. nachgetr.
1
 Vgl. Kf. Johann Friedrich von Sachsen an Lgf. Philipp von Hessen, Torgau, 1541 Februar 22, Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 394 Nr. 149 Bd. 2, unfol. (Konz.): Ist vom Landgrafen über die Suspension der Acht gegen Goslar und Minden und die ksl. Maßnahmen zugunsten der Stadt Braunschweig informiert worden. Hat einen Vertrauten nach Braunschweig geschickt, um zu erfahren, wie es die Stadt mit der in Naumburg beschlossenen Hilfe gehalten haben möchte. Hat diesem die Mitteilung über die Suspension und die Erklärungen Granvelles zur braunschweigischen Frage nachgeschickt. Nun ist Braunschweig auch weiterhin beschwert, wenn der Zugang nicht frei und sicher ist und die konfiszierten Zinsen und Einkünfte etc. nicht herausgegeben werden. Ist trotzdem mit einer Verzögerung der Hilfsleistung für Braunschweig um einen Monat einverstanden, nicht zuletzt auch, weil das Hilfskontingent aus verschiedenen Gründen nicht in der vorgesehenen Zeit zusammengebracht werden kann. Falls den Anliegen der Braunschweiger nicht wirksam Rechnung getragen wird, ist er entschlossen, die Hilfe zu leisten. Bittet den Landgrafen, in diesem Fall sich auch an der Hilfe zu beteiligen. Da ungewiss ist, ob den Beschwerden der Braunschweiger tatsächlich abgeholfen wird und ob die Hilfe geleistet werden muss oder nicht, kann er darüber, ob er den Reichstag persönlich besuchen wird, keinen definitiven Beschluss fassen. Will Braunschweig keinesfalls entgegen dem gefassten Beschluss im Stich lassen und sich, falls die Stadt Hilfe benötigt, außer Landes begeben. Innerhalb eines Monats kann den Braunschweiger Beschwerden abgeholfen werden. Wenn es in dieser Zeit nicht geschieht, ist nicht viel zu hoffen. Dann ist die Hilfe zu leisten. Torgau, Dinstags Cathedra Petrj 1541.
2
 Vgl. der Rat der Stadt Braunschweig an Lgf. Philipp von Hessen, 1541 Februar 19, Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 372 Nr. 142, fol. 92r–94v: Sein Schreiben vom 8. Februar. Wissen nichts von der von Granvelle erwähnten Weisung an sie, von allen thetlichen handlungen abezustehen. Haben seit dem 3. Juni kein ksl. Schreiben mehr erhalten. Ihre den schmalkaldischen Verbündeten schriftlich und mündlich vorgetragenen Beschwerungen bestehen bis heute unverändert fort. Wenn ihnen darin Erleichterung zuteil wird, wollen sie unbeswert sein, ein zeit lang dem vorstehenden reichstag zuzusehinde.Ihre Güter und Zinsen sind noch immer arrestiert, die Gefangenen nicht frei. Ihre Bauern zu Ampleben werden geschatzt. Ihre Bürger können sich im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel nicht frei und sicher bewegen. Ihren Bürgern werden in diesem Fürstentum ihre Güter konfisziert. Wan nu so viel erhalten und erlangt werden muchte, das Hg. Heinrich uns unse arrestirden zehenden und zinse wirglichen lois liesse und uns versicherte, das vorfeste und unvorfeste mit irer have, leib und gutern velich und unbefart im furstentumb passirn und darein und durch ire narung suchen muchten, so konten wir mit den andern unsern beschwerungen ein zeit langk zusehen und diesen vorstehenden reichstag abewarten und die in Naumburg beschlossene Hilfe aufschieben lassen. Wenn aber in den beiden Punkten nichts erlangt wird, wird der innere Friede ihrer Stadt gefährdet sein. Bitten, sich mit dem Kf. von Sachsen dafür einzusetzen, das wir die hilf furderligen bekomen mugen, davon der abeschiet zur Naumburg thut melden. So verhoffen wir, Hg. Heinrich werde dahin mugen vermocht werden, das sein fstl. Dt. uns das unser unverspert zukomen lassen mochte.Oder man möge Wege finden, dass sie der Hilfe nicht bedürfen. Das segen wir am liebsten [...]. Geschrieben under unser stadt secret, Sonnabents nach Valentinj anno etc. 41.
3
 Zur Verschiebung der Hilfe um einen Monat vgl. der Rat von Braunschweig an Kf. Johann Friedrich von Sachsen, 1541 März 4, Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 372 Nr. 142, fol. 62r–64v (Ausf.) und Kf. Johann Friedrich von Sachsen an den Rat von Braunschweig, Eisenberg, 1541 März 10, ebd. fol. 65r–66r (Konz.).
c
–c Von Johann Friedrich eighd. korr. aus: do es der ksl. Mt. ernst ist; teilw. ergänzt nach B.
d
 Von Johann Friedrich eighd. nachgetr.
e
 Danach gestr.: dieselben wircklich erfolgen, es werde mitlerzeit geschehen und wircklich erfolgen moge und.
f
 In B: dieselbig.
4
  Lgf. Philipp von Hessen an Bgm. und Rat von Braunschweig, Marburg, 1541 Februar 8, Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 372 Nr. 142, fol. 90r–91v (Kop.).
5
 1541 fiel Cathedra Petri [22. Februar] auf einen Dienstag.