Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

München BSB, Cod. germ. man. 1313, fol. 220r–221r (Kop.); ÜS fol. 220r: D. Martini Luthers schrift an den Kf. von Sachssen von denen verglichenen artickeln zu Regensburgk.

Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,2, Nr. 194 , S. 555–558 1; D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3637, S. 459–463 2; Walch, Bd. 17, Nr. 1378, Sp. 684–686.

Wie ich im anfang gesaget und noch sage, die erfarung auch giebet, das die vergleichung, in der religion furgenommen, ein lautter meinzische undt bepstische teuscherey ist, denn es ist unmuglich, Christum zu vergleichen mit der schlangen, undt ist nichts drin gesucht den unser unglimpf, on das ichs gern gesehen, das unser lehre nur wol disputirt, geleuttert undt erkandt wurde, wie zu Augspurg geschehen.

Das euere kfl. Gn. nu begeren unser meyung von den vier vergliechenen artickeln, bietten wir zuvor, euere kfl. Gn. wolten Mag. Philips und Dr. Caspar Creutziger wieder heimfoddern, nachdem sie ausgeerbeittet undt die sache numehr an die fursten beiderseits gelanget, denn mein meynung, so sie solt ankommen, ehe sie wegweren, mocht ihnen beschwerlich werden, denn da ist teuffel, Meintz und Heintz daheim. Euere kfl. Gn. werden sie auch wol wissen die wege abzureisen heissen, die ihnen sicher sindt. Da helfe Gott zu. Ich bin sorgfeltig fur sie.

Gnedigster herr, wenn es dem keyser oder (ob ichs keysers person ausneme), die es von seinetwegen treiben, ernst were, ein concordia oder vergleichung zu machen, so muste es je gescheen mit Gott oder in Gottes namen, das ist so viel auf deutsch geredt, sie musten sich zuvor mit Gott versuhnen, offentlich bekennen, das sie der sachen biesher zuviel gethan, der bapst in 600 jaren so viel 100.000 seelen verfurt undt der keyser in diesen 20 jaren so viel fromme leut verbrandt, erseuffet, ermordert hat oder je gescheen lassen nach seinem edickt.

Lieber herrgott, ob wir gleich wolten, konden hierin uns mit ihnen vergleichen, so wirts der richter droben nicht gestatten, das blut Abel wirts nicht lassen so hingehen, oder, wo wir drein willigen, uns auch mit verdammen. Das wolten sie gern. Ich will des geschweigen, das euere kfl. Gn. als ein churfurst des reichs sampt den verwandten verdammt undt noch nicht lossgesprochen, sondern durch feuer, durch meuchelmordtbrenner gestrafft, auch noch nicht ist versuhnet oder doch zum wenigsten befriedet, wiewol sie schuldig weren, auch das zu thun (wo es ernst were), euere kfl. Gn. abzubietten die schmach, das sie euere kfl. Gn. als eine illustrem personam, das ist des hohesten standts, als einen ketzer verdampt und gebrend haben, das sie doch keine probation mögen, wie sichs auch im weltlichen recht geburt, aufbringen.

Demnach (wo es eueren kfl. Gn. gefiele) were unsere meinung wol diese, das euere kfl. Gn. hinschicket die confessio undt apologia undt liesse die verordente rethe (wie sie doch ohndas biesher gethan) sie darlegen undt anzeigen, das daselbig von nicht mag mit guttem gewissen gewiechen werden, sonst wolt man in weltlichen sachen mit leib und gutt, wie biesher gescheen, gern gehorsam sein. Solche proposition thut ihnen wehe, gleich wie dem Zwinglio zu Marburg die proposition ‚Hoc est corpus meum‘ wehe thet, das ich nicht wolte davon lassen, denn der teuffel sucht uns abzureissen auf andere gedancken.

Zum andern, wo es ihnen ernst were, musten auch ire theologen Gott die ehre thun und bekennen, das sie nicht so geleret haben biesher, wie sie itzt gern wolten gesehen sein. Denn da sindt ire bucher mit hauffen furhanden, dardurch sie uberzeuget werden, das ire theologia also gethan ist in articulo iustificationis, das zweierley gratiae sindt, gratia gratis data undt gratia gratum faciens. Gratiam gratis datam heissen sie alle andere gaben, auch fidem infusam, den wir itzt fidem iustificantem nennen (undt sie auch also zu reden lernen von uns). Aber gratiam gratum facientem (das ist iustificationem) heissen sie charitatem. Solchs konnen sie nicht leugenen.

Wo sie das stucke nicht wiederruffen (das doch so gar offenbar ist), sondern hinden herschleichen undt per fidem efficacem per charitatem undt liberum arbitrium wollen sich schmucken, so ists gewies, das sie mit eitel lugen undt meintzischen bossen umbgehen. Darumb das beste ist, euere kfl. Gn. lasse die confessio furhalten undt dabey bleiben. Denn wieder dieselbigen ist solch gesprech zu Hagenaw angefangen, zu Worms ein wenig fortgefurt undt zu Regenspurg vermeinet hinauszufuhren.

Doch wollen wir auf euerer kfl. Gn. begeren die vier vergliechen artickel auch handeln, wiewol wir nicht wissen, wie sie alle verglichen sindt. Denn wir sehen aus Mag. Philips schriften, wie heftig es gestritten ist und er sich fest gehalten, doch so messig, das ehr den unglimpf gern von sich geschoben hette. Undt wens eueren kfl. Gn. gefiele, achte ich, es solte nicht schaden, das des Pomer und mein name [mit] wurden angezeigt als die hierin auch hetten ursach zu reden, damit euere kfl. Gn. nicht beschweret wurden, als weren sie allein halsstarrig fur uns allen. Hiemit dem lieben Gott befohlen3. Mittwoch Petri undt Pauli anno 1541.

Anmerkungen

1
 Einschließlich des theologischen Gutachtens Luthers und Bugenhagens zu den im Regensburger Kolloquium verglichenen Artikeln.
2
 Einschließlich des theologischen Gutachtens Luthers und Bugenhagens zu den im Regensburger Kolloquium verglichenen Artikeln.
3
 Vgl. Martin Luther [und Johannes Bugenhagen] an Kf. Johann Friedrich von Sachsen, [Wittenberg], 1541 Juni 24, D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3635, S. 456–457 und Martin Luther an dens., [Wittenberg], 1541 August 4, ebd. Nr. 3650, S. 486–487.