Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Lösung Kf. Philipps von der Pfalz aus der Reichsacht; [2.] Streit mit Bf. Georg von Bamberg wegen des Nürnberger Vorgehens im Fall Hans Thoman; [3.] Klage gegen Nürnberg wegen der Tötung des Hans von Egloffstein; [4.] Streit um die in Nürnberg deponierten Wertsachen Christinas von Lentersheim.

[Nürnberg], s.d., jedoch 28. Juni 1507.1 

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Briefbücher 59, fol. 169’-174 (Kop., Überschr.: Instruction, was unser lb. ratsfreund Anthoni Tezel uf das ervordern, so die röm. kgl. Mt., unser allergnst. H., an uns zu irer Mt. reichstag gein Costniz getan hat, bey derselben irer Mt. und anderen nachbemelten orten von unseren wegen handeln und furnemen soll.).

[1. Lösung Kf. Philipps aus der Reichsacht; Nr. 433].

[2.] Der Bf. von Bamberg hat Nürnberg beim Kg. wegen des Vorfalls in Weisendorf verklagt. Tetzel soll dem Bf. ihr Befremden über den von ihm erhobenen Vorwurf ausdrücken, die Stadt sei zu ihrem Vorgehen nicht berechtigt gewesen und habe schon früher gewaltsame Übergriffe gegen ihn und seine Amtsvorgänger verübt. Sie erachten in Anbetracht ihrer den bfl. Räten in Bamberg gegebenen Antwort [Nr. 624, Anm. 2] seine Klage auch als unnötig, denn bislang gab es in dergleichen Fällen keinerlei Streitigkeiten, sondern nur dann, wenn Nürnberg die Hochgerichtsbarkeit beanspruchte. Die bfl. Räte haben fälschlicherweise behauptet, Nürnberg sei zu seinem Vorgehen nicht berechtigt gewesen. Tatsächlich ist es gemäß Reichsrecht jedermann überall erlaubt, Reichsfeinde und Ächter zu töten. Ist die Tötung erlaubt, dann um so mehr die Gefangensetzung. Die Landfriedensordnung des Reiches besagt eindeutig, daß die Tat gegen einen Ächter kein Unrecht gegen den Kg. oder einen Dritten darstellen kann. Überdies ist es Brauch im Hl. Reich, daß man seinem Feind sagt, wo man ihn antreffen kann. Falls der Bf. einwendet, daß man nicht weiß, ob Hans Thoman ein Ächter war, da er im Achtbrief2 nicht explizit mitaufgeführt ist, so ist dagegen dessen Beteiligung an vielen Untaten Heinz Baums anzuführen, die Thoman auch selbst zugegeben und weshalb er den ihm gebührenden Lohn erhalten hat. Zwar ist dieser nicht als Person benannt worden, doch war er allgemein als Helfer in die Achterklärung einbezogen. Tetzel soll den Bf. bitten, seine Klage zurückzuziehen. Ansonsten wäre Nürnberg gezwungen, dem Kg. in dieser Angelegenheit alle Umstände darzulegen, was für den Bf. vielleicht nicht wünschenswert ist. Falls der Bf. von seiner Klage nicht zurücktreten will, soll Tetzel die Bff. von Würzburg und Eichstätt um eine Intervention beim Bf. bitten.

Falls auch dies nicht nützt, soll er zu der Klage Stellung nehmen, wie folgt: Die Stadt weist die Beschuldigung des Bf. als unberechtigt zurück, da Hans Thoman ein offenkundiger Landfriedensbrecher, Ächter und Feind Nürnbergs war, gegen den man kein Unrecht verüben konnte. Die Reichsordnung und das Gemeine Recht sanktionieren das Vorgehen Nürnbergs. Der Bf. war nicht dazu befugt, sie an ihrem Vorgehen zu hindern, was sich indessen auch andere benachbarte Ff. zuschulden kommen lassen. Der Kg. weiß, wie gnädig sich sein Vater Ks. Friedrich – wie vor ihm andere Kss. und Kgg. auch – in dergleichen Fällen gegenüber der Stadt erzeigt und ihr das Privileg verliehen hat, Verbrecher auf der Reichsstraße gefangenzunehmen.3 Dies zeigen sie dem Kg. vertraulich an. Dann solt man nach der spiz und scherpf deß rechten in diesem fal handeln, das wurd merklicher, unleidlicher beschwerd walten, auch umb Nurmberg, das mitten unter den wolfen lege, ain solche mordersgrub [schaffen], das nymand davon oder zu kommen möcht. Sie setzen deshalb ihr Vertrauen in den Kg., daß er die Folgen bedenkt und in dieser Angelegenheit nicht ungnädiger sein wird als seine Vorgänger.4 Sie wären der Notwendigkeit zu diesem kostspieligen Vorgehen lieber enthoben. Tetzel soll den Kg. ersuchen, die Klage Bambergs abzuweisen, und den Bf. davon überzeugen, daß sie nicht notwendig ist.

Falls die Einreichung eines Schriftsatzes unumgänglich ist, soll Tetzel das ihm mitgegebene Schriftstück übergeben und, wenn sich die Möglichkeit ergibt, gemäß den obigen Darlegungen mündlich mit dem Kg. verhandeln.

[3.] Der Bruder [Jörg] und Freunde des getöteten Hans von Egloffstein zu Henfenfeld klagten vor dem Kg. gegen die Stadt Nürnberg.5 Tetzel soll darlegen, daß die Stadt das Vorgehen ihrer Knechte nicht bewerten will; diese sind indessen keineswegs der Reichsacht verfallen. Denn es ist Rechts- und Landesbrauch, wo ainer in besuchung seiner veind oder widerwertigen oder sunst zu seiner notturft im veld uf yemand stesst und dieselben umb beschaid ansucht, auch derselb ungegeben deß begerten beschids wirdet abgeleibt, so ist derselb darumb nit pflichtpar. Die Knechte handelten also keineswegs mutwillig, wie dies die von Tetzel für den Propst von St. Sebald [Erasmus Topler] mitzubringende Stellungnahme zeigt; sie haben somit nicht den Landfrieden verletzt und sind auch nicht der Acht verfallen, noch weniger die Stadt Nürnberg, die daran weder beteiligt war noch dies befohlen hat. Zudem haben sie bereits Jörg von Egloffstein auf dessen Schreiben hin den Rechtsweg angeboten, was sie hiermit erneuern. Dieser hat es bislang darauf beruhen lassen, weswegen die Klageerhebung vor dem Kg. jetzt unnötig ist. Falls Egloffstein seine Absicht weiterverfolgt, um den Kg. zu Schritten gegen Nürnberg zu veranlassen, soll Tetzel selbst oder durch Mittelsmänner den Kg. über die zu Lebzeiten verübten Untaten des Hans von Egloffstein informieren.

[4.] Tetzel soll sich um die Erlangung des bewußten Privilegs6 und der Kommission in Sachen Christoph von Lentersheim bemühen.

Anmerkungen

1
 Datierung gemäß der Nürnberger Vollmacht für Anton Tetzel vom 28.6. [Nr. 432, Anm. 1].
2
 Achtbrief Kg. Maximilians vom 29.11.1503 (Wiesflecker, Regesten IV/1, Nr. 17945, S. 366).
3
 Privileg Ks. Friedrichs III. vom 18.6.1464 (Druck: Lünig, Reichs-Archiv XIV (Part. Spec. Cont. IV, 2. Teil), S. 123f.; Wölckern, Historia II, Nr. CCCLXV, S. 675–677; Kurzregest: Chmel, Regesta, Nr. 4077, S. 414) und Erläuterung Ks. Friedrichs über das Nürnberger Straßenräuber-Privileg vom 27.7.1476 (Druck: Lünig, ebd., S. 149f.; Wölckern, ebd., Nr. CCCXCV, S. 722–724; Kurzregest: Chmel, ebd., Nr. 7060, S. 681).
4
 Im Gutachten eines Nürnberger Ratskonsulenten – vermutlich Dr. Sixtus Tucher – vom 26.6., das der Instruktion bzgl. des Konflikts mit Bamberg zugrundelag, wurde darauf hingewiesen, daß die Stadt von Ks. Friedrich III. und anderen Reichsoberhäuptern mit einem Privileg ausgestattet wurde (siehe vorige Anm.), das ihr das Vorgehen gegen das Räuberunwesen erlaubt (StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden, Akten A 84, Nr. 9, fol. 87’-88).
5
 Jörg von Egloffstein hatte sich gegenüber der Stadt Nürnberg beklagt, daß sie die für den Tod seines Bruders Hans am 8.4.1506 (mitwuch in der marterwochen) Verantwortlichen (vgl. Egloffstein, Chronik, S. 168) aufgenommen habe und somit mitschuldig geworden sei. Nürnberg lehnte im Antwortschreiben vom 3.4. die geforderte Wiedergutmachung ab. Der Magistrat machte geltend, daß der Vorfall zwischen Hans von Egloffstein und Nürnberger Söldnern ohne seinen Willen geschehen sei. Da gegen die Söldner bislang kein Vorwurf erhoben worden sei, hätten sich diese bislang auch unbehelligt in der Stadt aufhalten können (Kop., hl. osterabent;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 58, fol. 245’).
6
 Gemeint ist die Erhöhung der Appellationsfreiheit für Nürnberg.