Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Absicht Kg. Ludwigs von Frankreich zur Unterwerfung des Papsttums und Erlangung der Kaiserwürde; [2.] Unrechtmäßigkeit des französischen Vorgehens gegen das reichstreue Genua; [3.] Aufforderung zur Einwilligung in eine von den Reichsständen bereits genehmigte Anleihe und zu deren Bezahlung.

Konstanz, 9. April 1507 [!].1

Nürnberg, StA, ARTA 8, fol. 253–255 (Kop.) = Textvorlage A. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 3–4’ (Kop.) = B.

[1.] Er hat eine zuverlässige Warnung erhalten, daß der frz. Kg. etliche tausend Mann zur Sicherung der Grenze zwischen der Picardie (Bickardi) und dem Artois abgestellt habe, während er selbst mit 16 000 Franzosen und 5000 Schweizern über die Alpen nach Italien ziehe; die Osterfeiertage (hl. zeyt) habe er in Grenoble verbracht. Der frz. Kg. beabsichtige, sich gegen den Papst zu wenden und ihm Bologna (Bononi) wegzunehmen – die unser botschaft, so dozumal doselbst gewesen ist, aus lieb der gmain, die sich als ein alte reichstat zu derselben botschaft getragen, seiner Hlt. uberantwort2 –, um sie seinem Parteigänger Giovanni Bentivoglio zurückgeben zu können. Der frz. Kg. dränge den Papst, zu ihm nach Bologna zu kommen. Andernfalls wolle er ihn mit Gewalt holen und dann erst die reichsunmittelbare Stadt Genua unter die französische Knechtschaft zwingen. Der frz. Kg. wolle den Papst in seine Gewalt bekommen, bevor der röm. Kg. diesem zu Hilfe eilen könne; er wolle den Hl. Stuhl, die Kaiserwürde und ganz Italien für alle Zeit für die französische Krone gewinnen. Man beabsichtige, die beiden Städte [Bologna und Genua] stark zu befestigen, um sie für Frankreich zu sichern. Dieses Vorgehen gegen den Papst und den Hl. Stuhl werde damit gerechtfertigt, daß der Papst gegenüber den Franzosen bei der Eroberung Bolognas wortbrüchig geworden sei. Dieser beklage sich nicht offen über die Franzosen, damit er sie nicht weiter gegen sich aufbringe und weil er entweder über ihre Intrigen nicht informiert sei oder den Berichten darüber keinen Glauben schenke. Der Papst hoffe, von seinem Schweigen zu profitieren, nachdem er vor seiner Wahl den Franzosen in Hinblick auf Mailand und andere Angelegenheiten immer willfährig gewesen sei. Überdies werde er durch die Franzosen mit falschen Worten – wie sie diese dem röm. Kg. gegenüber früher auch gebraucht hätten – in Sicherheit gewiegt. Sie behaupteten nämlich, sie würden nur gegen Genua ziehen. Ihre tatsächlichen Absichten ergäben sich indessen aus der Tatsache, daß die Genueser angeboten hätten, ihre Tore zu öffnen, wenn ihre Freiheiten gewahrt blieben, so daß also die persönliche Anwesenheit des frz. Kg. mit einer solchen Streitmacht gar nicht nötig sei. Derzeit stünden über 34 000 Mann in Italien und an den Grenzen zu den burgundischen Erblanden. Da die Genueser eine schwere Bestrafung erwarteten und gar die Zerstörung ihrer Stadt befürchteten, beklagten sie gegen jedermann die Tyrannei der Franzosen; ihre Hoffnungen ruhten allein noch auf Gott und dem röm. Kg.

[2.] Die Genueser haben ihn bei seinem letzten Aufenthalt in ihrer Stadt als Herrn anerkannt, ihm die Schlüssel übergeben und ihren Gehorsam gegenüber Kg. und Reich bekundet und erzeigt.3 Der frz. Statthalter Ravenstein hat allein aus Geldgier Uneinigkeit in der Stadt gesät4, wie er dies zuvor zwischen ihm und den Flamen

 getan hatte.5 Deshalb waren die Genueser genötigt, den Statthalter und seine Partei zu vertreiben.

[3.] Er befiehlt zwar ihm und anderen Reichsständen im beiliegenden Mandat [Nr. 16], gegen diese Absichten des frz. Kg. unverzüglich zu rüsten, doch kann es angesichts des französischen Vorsprungs nötig werden, dem Papst, dem Hl. Stuhl und der Stadt Genua sofort zu Hilfe zu eilen. Er hat deshalb mit den hier anwesenden Reichsständen beraten und in die Wege geleitet, daß die Schweizer nach französischem Vorbild durch Geldzahlungen und Pensionen veranlaßt werden, vom frz. Kg. abzuziehen und diesen nicht länger zu unterstützen. Zwar haben die Eidgenossen dem frz. Kg. die Kaiserwürde bislang wohl gegönnt, doch haben etliche von ihnen nach seinen Informationen noch genügend Ehre, um nicht zulassen zu wollen, daß die tyrannischen Franzosen das Papsttum und die Kaiserwürde gewinnen. Jeder kann ermessen, welche Folgen dies für die Christenheit hätte. Die Stände haben deshalb bewilligt, daß er als Ehg. von Österreich, er [der Ebf.] und die übrigen Stände je nach Leistungsvermögen neben der Eilenden Hilfe eine Anleihe leisten, die für den oben dargelegten Zweck hierher nach Konstanz an die Reichsversammlung zu überweisen ist.6 Auf ihn entfallen demnach 1200 fl.rh. Er befiehlt ihm, in diese Anleihe einzuwilligen und das Geld unverzüglich an die Reichsversammlung nach Konstanz auszuzahlen, damit der Papst, der Hl. Stuhl, die Kaiserkrone, die Stadt Genua und andere zum Reich gehörige italienische Stände, die ihrerseits ihre Hilfe bereits zugesagt haben, vor der französischen Tyrannei und für die deutsche Nation gerettet werden. Nichtsdestotrotz soll er dem beiliegenden Aufmahnungsmandat Folge leisten. Für die Anleihe wird ihm in Konstanz eine kgl. Obligation ausgehändigt.

Anmerkungen

1
 Die Datierung ist natürlich falsch. Kg. Maximilian hielt sich zum angegebenen Termin nicht in Konstanz, sondern in Straßburg auf. Für einen Fehler spricht auch die Nachricht über den Aufenthalt Kg. Ludwigs von Frankreich in Grenoble, die bis zum 9.4. keinesfalls den kgl. Hof erreicht haben konnte. Terminus ante quem wäre jedenfalls der 11.5. An diesem Tag traf die Nachricht von der Kapitulation Genuas in Konstanz ein [Nr. 665, Pkt. 4]. Auffällig ist, daß das Mandat ausschließlich in den Überlieferungen Brandenburg-Ansbachs und Würzburgs vorliegt, was auch auf andere suspekte Stücke (Nrr. 38, 151) zutrifft.
2
 Vgl. dagegen Nrr. 4 [Pkt. 7], 5 [Pkt. 4Und solch ... bescheyden müssen.].
3
 Über den feierlichen Einzug Kg. Maximilians in Genua am 27.9.1496 und die Schlüsselübergabe berichtete der venezianische Gesandte Francesco Foscari (Wiesflecker, Regesten II/1, Nr. 4384, S. 100).
4
 Tatsächlich hatte sich Philipp von Kleve um die Beruhigung der Lage in Genua bemüht und zwischen Adel und Volk zu vermitteln versucht. Der Vorwurf der Bestechlichkeit war – anscheinend nicht zu Unrecht – von seiten der Adelspartei erhoben worden, die Kleve die Begünstigung der Popularen unterstellte. Die unklare Haltung des Statthalters und das Mißtrauen der Aufständischen führten dazu, daß er Ende Oktober 1506 Genua verlassen mußte. Vgl. Pandiani, Anno, S. 22–78 passim, bes. S. 40f.
5
 Philipp von Kleve war im Juni 1488 auf die Seite der gegen Kg. Maximilian revoltierenden Flamen übergetreten. Er begründete dies mit dem Bruch des am 16.5.1488 mit Flandern geschlossenen Vertrags durch Maximilian, für dessen Vollzug Kleve gebürgt hatte (Wolf, Doppelherrschaft, S. 224f.).
6
 Ein entsprechender Beschluß der in Konstanz versammelten Stände ist – auch für einen späteren Zeitpunkt – nicht nachweisbar.