Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Kurpfalz C, fol. 185–192.

Fragliche Aufgabe der strittigen Bedingungen für das Religionskolloquium durch die katholischen Stände im Anschluss an die Triplik des Kgs. zum 1. HA (Religionsvergleich). Fortsetzung der Beratung zum Kolloquium: Besetzung des Präsidiums, Zugeordnete der Reichsstände. Aufgaben des Präsidiums. Supplikation der Stadt Lindau.

/185/ (Nachmittag) Versammlung der CA-Stände (Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Pfalz-Zweibrücken, Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Hessen, Pommern, Wetterauer Gff., Stadt Straßburg).

/185 f./ Kurpfalz proponiert und votiert: In den nächsten Tagen ist die Vorlage der Triplik des Kgs. zum 1. HA (Religionsvergleich)1  im Religionsausschuss zu erwarten. Deshalb jetzt zunächst interne Vorberatung der CA-Stände. Da Kg. in der Triplik die Fortsetzung der Hauptverhandlungen zum Kolloquium trotz der als Formalia qualifizierten Bedingungen der katholischen Stände2  fordert, ist zu vermuten, dass er sich darin den CA-Ständen anschließen wird. Deshalb befürwortet Kurpfalz, die Hauptverhandlungen zur Besetzung des Kolloquiums fortzuführen. Sollten die katholischen Stände im Ausschuss dagegen die Triplik des Kgs. als Anschluss an ihre Vorbehalte interpretieren oder weiterhin darauf beharren, ist zunächst weiter zur Triplik zu beraten. Deshalb ist vorerst /185’/ simpliciter und plane mit inen3 furzuschreiten.

/186/ Umfrage. Kursachsen: Falls die katholischen Stände auf den beiden strittigen Bedingungen beharren, hetten sie befelch, dieselbigen keins wegs zuzulassen noch in ein solche form colloquii zuwilligen. Deshalb wie Kurpfalz. Daneben sind die von der eigenen Seite im Ausschuss angesprochenen Vorgaben zu beachten, als nemlich das solich colloquium freundtlich, christlich, gotsforchtig, schiedlich, one alle affection, hartstirnigkeit angericht und dergleichen worter mehr, wie soliche in dem colloquio, anno 46 alhie gehalten, geschicklich bedacht worden4, wiewoll konig etliche in der resolution angeregt, aber doch nit alle. Anschließend Beratung zur Anzahl der Kolloquiumsteilnehmer.

/186’/ Kurbrandenburg: Zunächst ist abzuwarten, wie die katholischen Stände im Ausschuss die kgl. Triplik im Hinblick auf ihre Bedingungen interpretieren. Deshalb entsprechend Kurpfalz und Kursachsen.

Pfalz-Zweibrücken: Wie die kfl. rehte.

Sachsen: Hetten gleichwoll dafur gehalten, das konig nochmals umb austruckliche erclerung zuersuchen sein solt. Dieweil aber die resolution auch woll dahin mag verstanden werden, wie vor inen davon geredt, thetten sie sich mit den kfl. rethen vergleichen.

Brandenburg-Küstrin: Wie die kfl. rehte.

Brandenburg-Ansbach: Hette in dem wort, der resolution einverleibt, „ingedenck zu sein“5 allerlai /187/ nachgedenckens, da es zugunsten beider Religionsparteien gedeutet werden kann. Deshalb sollte von den katholischen Ständen im Ausschuss eine Erklärung gefordert werden, ob sie weiterhin auf ihren Bedingungen beharren. Dan sonst zubesorgen, sie tacite mit der beratschlagung furgehn, und wo man zu beschluß des colloquii schreiten, erst widerumb von neuem damit herfur khomen wurden. So were die zeit, muehe und arbait verloren.

Württemberg: Aufgrund des Worts „ingedenck“ in der Triplik wie Brandenburg-Ansbach.

/187’/ Hessen: Annahme der Triplik des Kgs. und Fortsetzung der Verhandlungen zum Kolloquium, falls die katholischen Stände auf ihre Bedingungen verzichten. Verstunde auch das wortlin „ingedenck“ nit dohin, das [es] etwas diesen stenden zu nachtail auf ime truege. Wo dan des andern teils religion stende derowegen inen ichtwes vorbehielten oder protestirten, kondt gleicherweiß von diesen stenden hergegen bescheen.

Pommern: Wiewoll die resolution so clar und lautter nit, jedoch vergliche er sich mit den kfl. rethen.

Wetterauer Gff.: /187’ f./ Wie die kfl. Räte. Teilen vertraulich mit, sie hätten erfahren, dass der Kg. diesen Morgen mit den katholischen Ständen verhandelt6  und sie aufgefordert hat, ihre Bedingungen für das Kolloquium aufzugeben /188/ unnd dergleichen unnotturfftige disputationes zu umbgehn. Deren sich dan die geistlichen verziegen haben sollen. Gleichwoll etliche ein memorial zettl irer Mt. zu ubergeben, das es iren herrschafften an dero standt und ambt nit nachtailig sein soll etc., angeregt, damit dasselbig allezeit bei der königlichen canntzlei zu finden und sie derowegen bei iren herrn entschuldigt weren7. Darin aber Maintz, teutschmaister, Osterreich, Baiern unnd Gulich nit willigen wollen.

Stadt Straßburg: Wie das mehrer. Doch hett man zubedencken, wo die geistlichen darauf verharren oder konig sich fur sie resolviren solte, was diesen stenden daran gelegen.

Beschluss: Falls die katholischen Stände die Triplik des Kgs. ohne Einwände annehmen, fordern die CA-Stände im Religionsausschuss keine weitere Erklärung zu den Bedingungen für das Kolloquium. Falls die katholischen Stände /188’/ aber meldung davon thetten, solt nit underlassen werden, notturfftige anregung derwegen zuthun und außzufueren.

[Neue Proposition:] Besetzung des Präsidiums beim Religionskolloquium.

Umfrage. Kurpfalz: Gemäß dem Verfahren auf früheren Religionsgesprächen sollte der Kg. persönlich als Präsident fungieren8 . Dem Präsidium sind seitens der Reichsstände je ein Kf. und F. jeder Religionspartei möglichst persönlich zuzuordnen.

/189/ Kursachsen: Tragen zur ersten Umfrage nach: Wiewoll sie nit mogen noch khonnen erachten, das ein vergleichung in der religion soll getroffen werden oder das es dem andern thaill ernst seie, und dan auch das wort „ingedenck“ woll etwas hinder ime haben mag, so fechtet sie doch dasselbig alles nichts an, sonder liessen inen gefallen, wie sie und Pfaltz hievor gehört. Präsidentenamt beim Kolloquium: Wie Kurpfalz; doch, wo muglich, das die presidenten eigner person sessen.

Kurbrandenburg: /189 f./ Kf. hätte zwar bevorzugt, die Besetzung des Präsidiums der Entscheidung des Kgs. zu überlassen. Sie schließen sich aber dennoch Kurpfalz mit der Einschränkung an, /189’/ ob nit rathsamer, das derselben presidenten weniger weren dan furgeschlagen; dan ubi multitudo personarum, ibi etiam confusio rerum. Zudem den herrn beschwerlich, auch nit nutzlich, solichen sachen außzuwarten.

Pfalz-Zweibrücken: Hat zur Besetzung des Präsidiums zwar keine Weisung, schließt sich aber Kurpfalz und den anderen an.

Sachsen: Wie Kurpfalz und Kursachsen, mit der Ergänzung, dass, falls sich keine Kff. und Ff. persönlich zur Verfügung stellen, woll under den mitlern und nidern stenden auch gelerte leut zufinden, zu solichem werck zugebrauchen.

Brandenburg-Küstrin: /189’ f./ Zwar wäre die Zuordnung eines Kf. oder eines F. ausreichend, da andere aber für je einen Kf. und einen F. jeder Religion votieren, schließt er sich dem an.

/190/ Brandenburg-Ansbach: Wie Kurpfalz. Die persönliche Anwesenheit der dem Präsidium Zugeordneten ist unabdingbar, dann es sonsten bei den colloquenten, wo nit ansehenliche personen, sonder allein geringes stanndts presidirn solten, gerings ansehens haben und nit vill fruchtbars daraus ervolgen wurde.

Württemberg: /190 f./ Hg. empfiehlt im Gutachten, das den CA-Ständen vorliegt9 , dem Kg. als Präsident10  einen Kf. oder einen F. jeder Religion beizuordnen. Haben seither weitere Weisung erhalten, wonach für den Fall, dass Kg. Ferdinand die Übernahme des Amtes ablehnt, an seiner Stelle Kg. Maximilian von Böhmen präsidieren soll11  und diesem je ein Kf. und F. jeder Religion zugeordnet werden.

/190’/ Hessen: Wie Kurpfalz. Falls die Hh. nicht persönlich präsidieren wolten oder kondten, das sie alsdan an ir statt statliche leut darzu verordneten.

Pommern: Wie Würtenberg12.

Wetterauer Gff.: Wie Pfaltz.

Stadt Straßburg: Wie Brandenburg-Ansbach.

Beschluss für das Votum im Religionsausschuss: /190’ f./ Besetzung des Präsidiums mit dem Kg. sowie je einem Kf. und F. jeder Religion, die nach aller Möglichkeit persönlich am Kolloquium teilnehmen sollen.

/191/ Aufgaben des Präsidiums: Es bleibt jedem Stand vorbehalten, dazu im Ausschuss sein notturfft verrer zuvermelden. Hier werden zunächst festgehalten: 1) Festlegung und Bekanntgabe der Sitzungstermine. 2) Leitung der Umfragen. 3) Gewährleistung der ordentlichen Aufzeichnung der Voten. 4) Sicherstellung der geordneten Votenabgabe ohne Unterbrechung der Kolloquenten. 5) Tägliche Verwahrung der anfallenden Akten. 6) Strikte Wahrung der Neutralität, keine Beifallsbekundungen durch Gesten oder Gebärden. /191’/ 7) Vorlage bereits abgelegter Kolloquiumsakten zur Einsichtnahme für Kolloquenten im Beisein der Notare. 8) Vereidigung der Notare und Substituten.

Kurpfalz proponiert: Beschwerde der Stadt Lindau gegen Gf. Haug von Montfort wegen Behinderung bei der Besetzung ihrer Pfarrstellen13 . Beschluss: /191’ f./ Da der Gf. am RT anwesend ist, soll ihm die Supplikation von einer Verordnung der CA-Stände mit der Aufforderung übergeben werden, Lindau nicht weiter zu bedrängen14 . In die Verordnung werden die Gesandten von Kurpfalz, Kursachsen, Brandenburg-Küstrin und Württemberg berufen.

Anmerkungen

1
 Nr. 430.
2
 Die Württemberger Gesandten Massenbach und Eislinger bezeichneten im Bericht vom 12. 2. 1557 an Hg. Christoph die ausweichende Triplik des Kgs. als schlipferige, captios antwurt, die mehr in recessu quam in fronte uf ir tregt ( Ernst IV, Nr. 220 S. 265–268, hier 266. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 214).
3
 = den katholischen Ständen im Religionsausschuss.
4
 Anordnung des Kolloquiums 1546 im Wormser RAb vom 4. 8. 1545: Besetzung mit frommen, gottsforchtigen, gelerten, guter gewißen, schiedlichen, ehr- und friedliebenden personen, die sich christlich und freundtlich vergleichen sollen (RAb, §§ 7, 9: Aulinger, RTA JR XVI, Nr. 341, hier S. 1659 f.).
5
 Triplik des Kgs. [Nr. 430], fol. 26’ [Was aber der ... ingedenckh sein].
6
 Vgl. Kurmainz A, fol. 145’–147’ [Nr. 411].
7
 Wohl Bezugnahme auf die in der Zusammenkunft der katholischen Stände mit dem Kg. übergebene Erklärung zu den Kolloquiumsbedingungen [Nr. 461].
8
 Wesentlich kritischer sah Kf. Ottheinrich in der späteren Weisung vom 22. 2. 1557 (Heidelberg) die Zuerkennung des Präsidiums an den Kg., wenngleich er einräumte, sie wäre kaum zu vermeiden gewesen. Dennoch /388/ khunden wir doch am wenigsten nit verstehn, was under disser presidentz nutzlichs zuverhoffen, dhieweil offenbar ist, das ire Mt. unser wharen und christlichen religion zum eusseristen zuwider, solliches auch mit worttem unnd wercken bekent und erzeigett. Dagegen dan auch nicht furstehn noch helffen mag, ob wol ainer oder meher chur- und fursten, doch in gleicher anzal, irer Mt. adjungirt oder zudeputirt werden, dieweil ir Mt. jederzeit meher den papistischen als dem andern thail beifellig sein kan. Darumb es wol gut gewest were unnd noch, da mans also anrichten und erheben het khunden, das die praesidentz auff ain sollichen potentaten oder standt gestellet, welcher one ainige affection nicht allein den rechten underschiedt wol in- und aufnemen, sonder auch aus rechtem gewissen den thail beifallen wolt, so auff hailsamen wortt des hern gegrundet, ungeachtet des eusserlichen glantzs und prachts, den die whare christliche kirch nicht achtet, aber bei dem gegenthail nicht allein in grossem ansehen ist, sonder /388’/ auch zum höchsten verthaindingt und verfechtet würdet (HStA München, K. blau 106/3, fol. 386–391, hier 388 f. Or.; präs. 2. 3.).
9
 Vgl. Anm.20 bei Nr. 366.
10
  Hg. Christoph hatte Massenbach und Eislinger bereits am 10. 12. 1556 (Kirchheim) im Zusammenhang mit dem Kurpfälzer Gutachten [Nr. 468] angewiesen, man solle den Kg.  aufs heftigist und undertenigist um die Übernahme des Präsidiums bitten ( Ernst IV, Nr. 150 S. 221 f., Anm. 2).
11
  Hg. Christoph hatte Kg. Maximilian am 19. 1. 1557 (Regensburg) mitgeteilt, er werde sich für seine Benennung als Präsident einsetzen, falls Kg. Ferdinand das Amt nicht übernehme. Im Zusammenhang damit betonte er nochmals, die Anwesenheit Maximilians in Regensburg wäre wichtig aufgrund des Eindrucks, Kg. Ferdinand lasse sich zu vil von den geistlichen (wie sie sich nennen) bereden, und werde noch ein grosse disputation die freistellung geben ( Ernst IV, Nr. 211a S. 258). Maximilian bestätigte dem Hg. am 2. 2. 1557 (Wien), dass man zu sehr auf den menschensatzungen halt und dass glaich mier ewen die römischen pfafen ier Mt. so hart in oren ligen, und war wol von nöten, das lait umb ier Mt. waren, de [!] derselben frai zuereden törften; sonst haw ich wenig hofnung, das was fruchtbars ausgericht wiert (ebd., Nr. 218 S. 264). Zur Initiative für Maximilian als Kolloquiumspräsident vgl. auch Stälin IV, 571; Birkenmeier, Via, 59 f.
12
 Vgl. Bericht Wolde an Hg. Philipp von Pommern (24. 2. 1557): Hat anhand der Instruktion votiert, dass dem Kg. die praesidentz nicht anzumueten, doch musste er sich der Mehrheit beugen, die davon ausging, die katholischen Stände würden den Kg.  als das haubt simpliciter vorschlagen. Stellten sich die CA-Stände dagegen, würde es ein unglimpfflich ansehen haben (AP Stettin, AKS I/162, pag. 7–30, hier 9. Konzeptkop.).
13
 Vgl. Anm.4 bei Nr. 256.
14
 Durchführung der Vorsprache beim Gf. am 12. 3.: Nürnberg B, unfol. (Anm. h bei Nr. 387).