Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Vergebliches Hoffen auf ein Ende des Krieges mit Venedig; [2.] Schilderung der bewaffneten Auseinandersetzungen in Oberitalien und der dortigen aktuellen Lage, Vorwürfe gegen den Papst wegen Bruchs der Liga von Cambrai; [3.] Erlaß eines Aufgebots gegen die Eidgenossen, Ausschreiben eines Tages nach Ravensburg, Vorverlegung des geplanten Augsburger Reichstags nach Straßburg, Aufforderung zur Teilnahme.

Feldkirch1, 9. September 1510

Orig. Druck m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein; gedruckt wohl bei Johann Otmar in Augsburg; die Anrede ist jeweils handschriftlich in eine freigelassene Lücke eingetragen): Dresden, HStA, GR, Loc. 9132/21, fol. 1 (an Hg. Georg von Sachsen); Nürnberg, StA, Ft. Brandenburg-Ansbach, RTA Nr. 8, fol. 387 (an Mgf. Friedrich von Ansbach-Kulmbach); Hannover, HStA, Celle Br. 15 Nr. 46, fol. 17 (an Hg. Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel); Würzburg, StA, Historischer Saal VII Nr. 451a, fol. 1 (an Bf. Lorenz von Würzburg; Präs.vermerk: Praesentata am sontag nach Francisci Ao. etc. decimo [6.10.10]); München, HStA, KÄA 3138, fol. 18 (an Hg. Wilhelm von Bayern); München, HStA, Hst. Freising Kasten blau 200/10, o. Fol. (an Bf. Philipp von Freising); Duisburg, LandesA, Jülich-Berg I Nr. 202, fol. 2 (an Hg. Wilhelm von Jülich-Berg); München, HStA, Klosterliteralien Niedermünster 40, o. Fol. (an die Äbtissin von Niedermünster); Koblenz, LHA, 29 A Nr. 973 (an Gf. Johann von Manderscheid); Augsburg, StadtA, Literalien Personenselekt Kaiser Maximilian I. Fasz. IV, o. Fol. (an Augsburg); Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 26, fol. 57 (an Frankfurt); Speyer, StadtA, 1 A 661/e, fol. 3 (an Speyer).

Konz.: Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Sept., fol. 14a-19b (mit einigen kleineren Korrekturen, Ort und Datum nachträglich von anderer Hand hinzugefügt).

Druck: Bergmann, Ausschreiben von Feldkirch, S. 41-48 (an Regensburg); Goldast, Reichshandlung, S. 93-95 (an Kf. Ludwig von der Pfalz); Lünig, Reichs-Archiv 8, S. 61-63 (an Kf. Ludwig von der Pfalz).

Regest: Baumann/Tumbült, Mitteilungen, Nr. 11 (an Gf. Wilhelm von Fürstenberg); Rüthning, UB, Nr. 202 (an die Gff. von Oldenburg).

Kurzregest: Rosenthal, Einblattdrucke, Nr. 98 (an den Abt von St. Egidien in Nürnberg).

Faksimile: Diederichs, Kaiser Maximilian I., Abb. 4 (an eine ungenannte Rst.).

[1.] Hochgeborner, lb. oheim und F., uns zweifelt nicht, dein lieb trage gut wissen der handlung, so wir mit den stenden des hl. Reichs auf yetzgehalten reichstag zu Augspurg von wegen des kriegs, den wir dem hl. Reiche zu eren und teutscher nation zu gutem wider unser widerwertigen, die Venediger, fueren, gehabt. Deshalben uns dann daselbs ein klaine hilf in parem gelt und sunst zugesagt und verwilligt. Und wiewol wir verhofft, unser fürnemen wider die gedachten Venediger mit berürter des Reichs, auch unser pundsverwandten, des Babsts, der Kgg. zu Frankreich und Aragon, auch unser erblichen Ftt. und lande zugesagten und verwilligten hilf und noch darüber merklich unsers camerguts zu vollenden und uns, auch sy all an dem end in ewig rue und frid zu setzen, so hat doch solchs aus nachfolgenden ursachen nicht gesein mögen, sunder sich die sachen gedachts kriegs also zutragen:

[2.] [Detaillierte Schilderung der Kämpfe des obersten ksl. Feldhauptmanns F. Rudolf von Anhalt und des obersten frz. Hauptmanns (Charles d’Amboises) gegen die Truppen der Venezianer]. Als sich nun solichs, wie oben begriffen, verloffen, ist dem grandmaister, obristen franzosischen haubtman, von Mayland botschaft kommen, das die Venediger etlich des Babsts geheimen diener mit gelt übergeben, denselben Babst zu bewegen, den pund und vertrag zwischen im, uns und den vorbenannten Kgg. zu Frankreich und Aragon, zu Cameregk aufgericht und beslossen,2 zu verlassen. Demnach der Babst sovil geschickt, das wider den Hg. von Ferrer 12 000 mann zu roß und fueß mit dem Hg. von Urbin, seinem freund, der dann durch in zu ainem Hg. gemacht worden, gezogen sein. [Folgt eine Schilderung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem Hg. von Ferrara und dem Hg. von Urbino.] Und als auch der vorbemelt grandmeister, obrister französischer haubtman, vernommen, das sich der Babst umb ein merklich anzal Sweizer und Aydgnossen beworben, der mainung, das bestimbt Hgt. Mayland und Hft. Genua, damit dann obenannter unser lb. bruder, der Kg. zu Frankreich, kurzlich hyevor von uns und dem hl. Reiche auch belehnet, zu überziehen, ist er mit dem merern teil seins volks, so er bey unserm heer gehabt, auch aus dem veld gezogen, den obgedachten Sweizern und Aydgnossen under augen, und sich am herüberzug des gepürgs, ee sy in Ytalia kommen, understeen wollen, dieselben zu slahen. [Massive gegeneinander gerichtete Rüstungen des Papstes und der Venezianer einerseits und der Franzosen andererseits]. Darauf wir von wegen und aus craft des punds zu Cameregk, zwischen unser und unsern lb. brüdern, den Kgg. zu Frankreich und Aragon, genannt Hispani, beslossen, in teglicher arbeit, solches des Babsts widerwertig und unzimlich fürnemen und auch dieselben Sweyzer widerumben zu wenden. [Folgt eine Beschreibung des durch F. Rudolf von Anhalt, den dem Ks. durch Kg. Ferdinand von Aragón zu Hilfe geschickten Hauptmanns sowie den Hauptmann der frz. Truppen nach Verona unternommenen Zuges.] Grund dafür war ihre Sorge, das die gemain daselbs, nachdem sy etwas swanken und gut venedigisch sein, durch des Babsts angriff wider unser puntsverwandten, wie oben angezaigt wirdet, von uns abfallen möchten. Dann unser partey in ganz Ytalien solichs gesehen und gehört und darab ein merklich groß erschrecken gehabt, und sunderlich, dieweil sy vernommen, das der Babst aus unserm pund und vertrag wider Got und alle billicheit und sein verschreibung gewichen und den Venedigern, die da offenbar tyrannen und durchächter der hl. kirchen und des hl. röm. Reichs sein, wider uns zugefallen ist, und vermainen, das derselb Babst solchs nicht getan und sich die seinen wider göttlich und menschlich natur, der doch ein hohweyser man durch Ytalia erkennt ist, nit bewegen lassen, er hette dann ein wissen, das er den sig wider uns und unser brüder, die Kgg. zu Frankreich und Aragon, haben und erlangen solt. Dardurch dann etlich sloß und stete, so in unser gehorsam gewesen, von uns und wider an die Venediger gefallen und die unsern unsighaft weiter beliben seint. [Folgen Einzelheiten zu den für Kg. Ferdinand von Aragón erfolgreichen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Ungläubigen in Nordafrika.] Deshalben uns yetzgedachter unser lb. bruder, der Kg. von Arogon oder Hispani, in ansehung des grossen sigs, den er yetzo wider die unglaubigen, die hayden, wie oben begriffen wirdet, hat, mit seiner hilf auch nicht so stattlich als sunst gedienen mögen.

[3.] Solich hievorgeschriben neu zeytung haben wir dir und andren stenden des hl. Reichs nicht wollen verhalten, damit du und meniglich abnemen, was uns bisher an unserm sig und weyterm kriegsglück wider unser widerwertigen, die Venediger, verhindert hat. Welichen sig und kriegsglück wir ungezweifelt ditz jar, wo der Babst nicht wider uns gewesen were, erlangt hetten. Und dieweil uns auch obgedachter Sweizer oder Aydgenossen muetwillig fürnemen und handlung, nachdem die uns und dem hl. Reiche zu ewigen zeiten zu verachtung und nachteil kommen, zusampt dem, das daraus ein zertrennung oberürts unsers punds entsteen, wir auch künftiglichen an unserm fürnemen in Ytalia dardurch nicht wenig verhindert wurden, kainswegs zuzesehen gebürn will, demnach haben wir kurzlich hievor gemain aufbot etlicher stenden in das hl. Reiche ausgeen lassen [Nr. 692], auch etlich sonderlich, treffenlich person, undertan und verwandten des hl. röm. Reichs und unsers loblichen haus Osterreich, zu uns gen Ravenspurg auf St. Matheus, des hl. zwölfboten und ewangelisten tag nechstkünftig [21.9.10], zu kommen, beschriben [Nr. 693], daselbs vorberürter sachen halben, nachdem die der eyl bedörfen und nicht wol bitt [= Aufschub, Verzögerung], erleyden wollen, zu handeln und zu ratslagen. Und so dann, als du selbst ermessen magst, die obangezaigten sachen und handlungen merklichen und groß sein und gueter fürsehung bedürfen, damit auch wir nicht gedrungen werden, das, so noch in unser gehorsam in Ytalia ist, zu verlassen, und auch als[o] aus denselben und andern ursachen, uns darzu bewegende, den reichstag, so durch die gemainen stende des hl. Reichs yetzo zu Augspurg auf unser Frauentag irer liechtmeß schirstkünftig [2.2.11] zu halten fürgenommen, auf den nechstkomenden St. Katherinen, der hl. junkfrauen tag [25.11.10], zu Straßpurg zu halten gelegt, wie du dann aus einem andern unserm offen ausschreyben, so dir hyemit überantwurt wirdet [Nr. 733], klerlichen vernemen wirdest. Und ermanen darauf dein lieb auf das höchst, wie du dann uns und dem hl. röm. Reiche verwandt bist, das du auf den yetzkünftigen reichstag bedacht sein, uns helfen zu betrachten und zu raten, was uns und dem hl. Reiche in disen vorgeschriben und allen andern unsern sachen das eerlichest, nutzlichist und pest sein wolle, und also in keinen weeg aussenbleibest, sunder auf den obestimpten reichstag gewisslichen erscheinest und dich nichts daran verhindern lassest. Das wollen wir gegen deiner lieb mit allen gnaden und guetem erkennen und zu guetem nicht vergessen. Geben in unser stat Veldkirch am 9. tag des monats Septembris Ao. domini 1510, unser reiche des röm. im 25. und des hungrischen im 21. jarn.

Anmerkungen

1
 Zum begeisterten Empfang Ks. Maximilians bei seiner Ankunft in Feldkirch im September 1510 vgl. Niederstätter, Bodenseeregion, S. 51.
2
 Die Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508.