Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Verzögerung bei der Behandlung der brandenburgischen Anliegen durch den Ks.; [2.] Erkundigungen über die Anreise des Ks. zum Wormser Reichstag; [3.] Vorbereitungen der Stände zur Teilnahme am Reichstag, Kritik am Fernbleiben Kf. Joachims; [4.] Verhandlungen mit Ebf. Jakob von Trier über die Nachfolge Mgf. Albrechts als Bf. von Utrecht; [5.] Anforderung einer Vollmacht für den Reichstag; [6.] Kritik an der Korruption am Kaiserhof; [7.] Bitte um Verstärkung der kurbrandenburgischen Delegation; [8.] Ladung Hg. Bogislaws von Pommern zum Reichstag.

Berlin, GStA, I. HA, Repos. 1, Nr. 4, fol. 4–5’ (eigh. Or. m. Siegelspuren, annunciacionis Marie).

[1.] Bestätigt den Empfang eines kfl. Schreibens1samt 100 fl. und beteuert seinen Eifer für die kfl. Angelegenheiten. Deren schleunige Erledigung ist allerdings nicht möglich, denn der Ks. hält sich noch in Brabant auf. Dieser hat immerhin Gf. Hoyer von Mansfeld mit einer an ihn, Stein, adressierten Kredenz und Instruktion nach Worms geschickt, wie aus dem beiliegenden ksl. Schreiben an ihn, den Kf., hervorgeht.2

[2.] Nach Eingang der kfl. Weisung hat er sich unverzüglich nach Worms begeben und Erkundigungen über die voraussichtliche Ankunft des Ks. angestellt, um sich hinsichtlich der kfl. Angelegenheiten danach richten zu können. Aus der Instruktion Mansfelds geht hervor, dass der Ks. sich unverzüglich nach Worms begeben will, jedoch nicht, welchen Weg er nehmen wird. Er hat daraufhin eine Anfrage zu seiner Reiseroute und dem geplanten Abreisetermin an den Ks. geschickt. Die Antwort erwartet er in acht Tagen. Hingegen will er die ksl. Aufforderung, sich zu Verhandlungen über die kfl. Angelegenheiten zu ihm zu begeben, ignorieren.

[3.] Es seyn die fursten hiromb all geschickt, sobald sie ir Mt. zukunft vernemen, auch personlich zu erschinen. Kaufen auch yeczt ein und haben die irn hie. Und ist ferner grosse handlung vor augen. Got wolt, e. Gn. gelegenhait wer, sich auch da zu sehen und hörn lassen. Brandenburg, als ich glaub, in achtzig jarn nit cleyner gewicht im Reich gehabt hat. So es aber ex providentia und nit avaritia geschicht, muss sichs leyden. Wer behelt, der hat. E. Gn. ist geschickt und darf nit her. Allain, das ichs auch gut mein et gloriam domini mei.

[4.] Nach der Abreise Dr. Bussos [von Alvensleben] hat er sich zum Ebf. von Trier verfügt und mit ihm vor allem über das Bm. gesprochen.3Der Ebf. beteuerte, sich in dieser Angelegenheit bemüht, bislang aber nichts weiter erreicht zu haben. Der Bf. von Utrecht habe ihm allerdings geschrieben, dass der Domdekan [Ludolph van Veen]4, der die Sache beim Domkapitel hätte betreiben können, [am 16.12.1508] verstorben sei und der neugewählte Dekan [Jacob van Appeltern] zu seinen Gegnern zähle; er wolle sich aber in Kürze mit seinem Bruder Mgf. Christoph [von Baden] und ihm, dem Ebf., treffen, um mit ihnen über diese Angelegenheit zu beraten. Der Ebf. empfiehlt und will dies auch dem Bf. von Utrecht vorschlagen, dass der Ks. und einige Ff. eine Gesandtschaft an das Domkapitel schicken und um dessen Zustimmung zu bitten. Der Ebf. forderte ihn, Stein, auf, in Worms zu bleiben, um ihn über etwaige Fortschritte unterrichten zu können.

[5.] Gnedigster herr, ich hab zum Reichs tag kain gewalt. Damit wirt mich e. Gn. wol wissen zu versorgen, dan ich wurd in mussen ksl. Mt. und den churfursten anzeigen. Will mich daneben des beschaids halten, nichts zusagen, e. Gn. sey dan ir freyhait versichert.5

[6.] Die [von ihm, Stein,] bislang zugesagten 150 fl. werden wenig bewirken, dan der leut hend haben augen. Glauben nichts, dan das sie sehen. Ich hab mit zusagen bisher nit gefeyrt, het es helfen wollen. Es ist kainer so groß im Reich, keiner so gewaltig am hof, will er etwas erlangen, er besticht die leut. Und ist nymands dan der fursten schult, das also zuget.

[7.] Es liegt aus mehreren Gründen in ihrer beider Interesse, dass er ihm jemanden schickt. Falls er, der Kf., Bedenken hat, bittet er wenigstens um Gregor Wins. Es wird erneut viel zu schreiben sein und man kann nicht jedem vertrauen.

[8.] Dem Hg. von Pommern ging ein Mandat zu, auf dem Reichstag zu erscheinen. Anguis latet in herba.6Er, Stein, hat darüber ausführlich mit dem Ks. gesprochen. Er wird Erkundigungen anstellen und sein Möglichstes tun.

Anmerkungen

1
 Wahrscheinlich ist eine vom 25.1. datierende Weisung Kf. Joachims gemeint. Demnach sollte Stein bei einer Verschiebung des RT bis nach Ostern wieder aus Worms abreisen, wenigstens aber die kfl. Räte Alvensleben und Matthie nach Hause schicken. Zugleich beharrte der Kf. darauf, selbst dem RT fernzubleiben. Gegebenenfalls sollte Stein außerdem auf Verhandlungen von Gesandten des Hg. von Pommern am Kaiserhof achtgeben und, sofern die kfl. Interessen tangiert würden, intervenieren. Außerdem mahnte der Kf. die Erledigung der Angelegenheiten mit Lübeck und Hamburg sowie die ksl. Bestätigung des Niederlagsrechts für Frankfurt/Oder und Breslau an [vgl. Nr. 105, Pkt. 4]. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen Rehlingers und Levetzows am RKG [vgl. Nr. 108] sollten die kfl. Gesandten während des bevorstehenden RT den Ks. veranlassen, gegen dessen Vorgehen einzuschreiten. Und ist auch unser bevelch und meynung, du und ander unser rete wollet uf dem reichstag ferner von unsern wegen nichts bewilligen, uns werde dann die freiheit der Gulden Bullen, wie obstat, auch die angezeigten prelaten und graven in unseren anslegen, taxen und darlegen erhalten, wie es dann von alters und alweg hergebracht und erhalten ist worden, und des vor aller bewilligung ein schein und beybrive erlangen und das darauf bearbeiten, das der schein oder beybrive gar klerlichen mitbringe, das du und ander unser rete als geschickten den abschid des tags nicht anders bewilliget und angenomen habt, dann mit vorbehalt unser privilegien der Gulden Bullen uf die appellation und das unser prelaten und graven unsers kurfurstentumbs Brandemburg in unser tax und anslege bleiben, wie es alweg herkommen und erhalten worden, und das unser praelaten und graven obgemelt, nachdem sie regalien vom Reich nicht nemen, mit sunderen anslegen unbedrangt sein und bleiben mogen. Das uns auch zu Worms [1495] und Costenz uf den Reichs tegen, als zu weist, also vorbehalten ist worden. Für diese Verhandlungen sollte Stein die Unterstützung der auf dem RT anwesenden Kff. und kfl. Gesandten in Anspruch nehmen (Konz. Cölln/Spree, donerstag nach Vincentii; GStA Berlin, I. HA, Repos. 18, Nr. 25, Fasz. 1, fol. 148–149’, 144–145’).
2
 Liegt nicht vor.
3
 Es ging um die für Mgf. Albrecht angestrebte Nachfolge im Bm. Utrecht. Der regierende Bf. Friedrich von Baden sollte gegen eine jährliche Pension von seinem Amt resignieren. Ebf. Jakob hatte Kf. Joachim zuvor über die angebliche Amtsmüdigkeit des Bf. informiert (Instruktion Kf. Joachims für Eitelwolf vom Stein, Jakob Matthie und Busso von Alvensleben vom 12.12.1508; Druck: Riedel, Codex III/3, Nr. 168, S. 194f. Vgl. Volz, Erzbischof, S. 197; Kalveen, Bestuur, S. 296f.). Der Kf. hatte Alvensleben und Matthie am 25.1. befohlen, nach Erledigung ihres Auftrags bzgl. Utrechts wieder heimzureisen, falls der Wormser RT verschoben und Stein dennoch dort bleiben würde. Gleichzeitig erhielt Alvensleben Anweisungen für die Verhandlungen über eine Reichshilfe: Dieweil wir euch, Bussen von Alveslever, ein meynung in geheym bevolhen, mit eren Eyte[l]wolfen zu reden, so sich die hendel ufm tag zu Worms zu einer gemeynen hulf ufzulegen verlaufen wurden, ist nochmals unser bevelch, dem also nachzugeen. Und wo ir vermerket, das es so fern kommen, das man beslissen und die zusag tun will, das ir und er Eytelwolf euch alsdann zu kayserlicher maiestat fuget, mit seiner kayserlichen maiestat uf die meynung, wie wir euch, Bussen von Alvesleven, bevolhen und des verzeichnus mitgegeben, in geheym handeln. Wo aber er Buß von Alvesleven bey dir, eren Eytelwolfen, zu diser zeyt ditzs antragens nicht sein wurde, alsdann wollest du allein den handel zu rechter zeit an ksl. maiestat nach unterrichtung eren Bussen bringen. Und das ir bayde oder du, er Eytelwolf, uns des, sovil ir erlangt, von ksl. Mt. in geheym ein nottorftig quittanz oder ander versorgnus erlanget und mitbringet(Konz. Cölln/Spree, donerstag nach Vincentii; GStA Berlin, I. HA, Repos. 18, Nr. 25, Fasz. 1, fol. 152’–153).
4
 Kuyk, Veen, Sp. 1492f.
5
 Gemeint sind neben dem vom RKG missachteten kfl. Appellationsprivileg wohl auch die kurbrandenburgischen Exemtionen [vgl. Nr. 109]. Die Stein zugesandte Vollmacht datiert vom 12.4. [Nr. 230].
6
 Nachweise des Zitats siehe Singer, Thesaurus X, S. 126.