Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

Initiative zu einem ksl. Bündnis mit Venedig.

Bamberg, StA, GHAP, Nr. 6073, fol. 9–13’ (unzuverlässige dt. Übersetzung).

[1.] Er kann ihn, anders als vom Bf. von Mantua befohlen, wegen einer Erkrankung und der schlechten Sicherheitslage nicht persönlich aufsuchen, sondern übermittelt ihm seine Aufträge schriftlich unter Übersendung des ihm mitgegebenen Kredenzbriefes, worin sich der Bf. samt den Söhnen seines Bruders [Gianfrancesco], Ludovico, Federico und Pirro (Prerus), freundlich gegen ihn erbietet1: Betont deren enge verwandtschaftliche Beziehungen, auch über die verstorbene Mgfin. Barbara2, mit dem Mgf. vor allen anderen italienischen Ff. und dessen daraus resultierende Verpflichtung zu deren Schutz – insbesondere angesichts der Gefährdung ihres Standes und ihrer Hftt. durch den frz. Kg. und den Mgf. [Francesco] von Mantua, deren Feindschaft sich seine Hh. auch wegen der Aufnahme von 1000 ksl. Knechten im vergangenen Jahr zugezogen haben. Eine Möglichkeit hierzu wäre, den Ks. von einem Zusammengehen mit Venedig zu überzeugen, das ihm mehr Vorteile und Ehre einbringen würde als sein derzeitiges Bündnis mit Frankreich. Darüber wird Ludovico, den der Ks. auf den Tag nach Worms beschieden hat, ausführlich mit diesem sprechen. Bittet ihn, seinen Sohn Mgf. Kasimir zu veranlassen, bei dessen Vortrag anwesend zu sein und sich für ihn zu verwenden, falls er, Mgf. Friedrich, nicht selbst zu dem angesetzten Tag kommen kann. Sollte Mgf. Kasimir sich derzeit nicht beim Ks. aufhalten, bittet er ihn, stattdessen einen seiner geheimen Räte zu entsenden, der helfen soll, die Sache zu einem guten Ende zu bringen. Auch bitten seine Hh., den Kf. [Joachim] von Brandenburg (marggrafen von der Marck)schriftlich zu kontaktieren und ihn dafür zu gewinnen, sich ebenfalls für das Bündnis nicht nur mit Venedig, sondern auch mit dessen Verbündeten und weiteren Freunden des Ks. einzusetzen. Im gleichen Sinne möge er sich auch an andere geeignete Persönlichkeiten wenden. Der Bf. bürgt dafür, dass Venedig ihn, Mgf. Friedrich, und die übrigen Fürsprecher nicht unbelohnt lassen wird; er hat von den Venezianern entsprechende Vollmacht. Falls er Kontaktpersonen am Kaiserhof kennt, die sich für ein solches Bündnis verwenden würden, bittet er, ihm diese zu benennen.

[2.] Dies auszurichten ist sein Auftrag, wofür er als Beleg den bfl. Kredenzbrief beilegt. Es geht bei dieser Sache um die Interessen von Ks. und Reich. Die folgenden Darlegungen dazu bittet er vertraulich zu behandeln. Was den oben angesprochenen Nutzen für den Ks. und seine Ehre angeht: Der Ks. würde bei seinem Italienzug mehr Ehre einlegen, wenn er als Beschützer käme und nicht als Verbündeter des frz. Kg. Wenn die Lombardei und die venezianischen Hftt. so aufgeteilt würden, wie dies der Vertrag [von Cambrai] besagt, so hätte Frankreich mit Mailand, Cremona, der Gera d’Adda (Caram Ade [!]), Genua und allen mailändischen Hftt. den größeren Anteil an Italien; der Ks. dagegen hätte nur drei oder vier unbedeutende Länder gewonnen.3Der Ks. wäre an der Seite des frz. Kg. nur ein weiterer Verbündeter neben Florenz, dem Papst, Pisa, Mgf. [Francesco] von Mantua und Hg. [Alfonso] von Ferrara. Diese haben bereits die vom frz. Kg. dem Ks. versprochenen italienischen Gelder für sich selbst eingezogen. Sobald die französische Position in Italien ausreichend gefestigt ist, könnte der frz. Kg. sich zum Ks. erheben. Für diese Absicht spricht auch, dass er, wie es heißt, hartnäckig bestrebt ist, dem Kardinal von Rouen (Roan)die Papstwürde zu verschaffen. Die derzeitige Konstellation dient also ausschließlich dem frz. Kg. Im Bündnis mit Venedig hingegen könnte der Ks. als Beschützer nach Italien kommen und würde dabei, wovon er fest überzeugt ist, von Venedig mit Geld und Truppen unterstützt. Er könnte Friaul und andere verlorene Gebiete ohne Blutvergießen zurückerhalten. Vielleicht würde Venedig sogar beim Rückgewinn Mailands helfen. Ludovico [Gonzaga] wird dies dem Ks. ausführlich darlegen. Im Bündnis mit Venedig wäre für den Ks. somit mehr Nutzen und Ehre zu erwarten als an der Seite Frankreichs.

[3.] Wenn er, der Mgf., dagegen das dem Ks. von Venedig zugefügte Unrecht anführen möchte, so verweist er, Gonzaga, auf dessen Rechtfertigung: Zum einen war Venedig dazu aus Bündnistreue zum frz. Kg. genötigt, zum anderen wurde es im Cadoretal (Chadober)zuerst angegriffen. Selbst wenn Venedig ein Unrecht begangen hätte, so wäre doch zu fragen, ob der frz. Kg. sich gegenüber dem Ks. nicht viel mehr Schuld aufgeladen hat und wer wohl mehr Vertrauen verdient. Darumb, dieweil die Venediger sich selbst erbieten und weyß, scheinbar bapir herraichen, so ist zu erachten, dass dies dem Ks., den Reichsstädten (frey lendern)4und allen deutschen Ff. zum Vorteil und zur Ehre gereichen wird. Weitere Argumente möchte er dem mgfl. Gesandten, der einer seiner geheimen Räte und des Lateinischen mächtig sein sollte, auseinandersetzen. Dieser soll ihm seinerseits die mgfl. Position eröffnen, die er dann dem Bf. mitteilen will. Dessen Wunsch ist es, dass er, Mgf. Friedrich, sich in seinem Sinne einsetzt. Wie bereits gesagt, wird sich Ludovico [Gonzaga] auf dem Wormser Tag weiter dazu äußern.

Anmerkungen

1
 Kredenzbrief Bf. Ludovicos von Mantua für seinen Neffen Ettore Gonzaga an Mgf. Friedrich von Brandenburg vom 6.2.1509 (dt. Übersetzung; StA Bamberg, GHAP 6073, fol. 8). Ettore war ein unehelicher Sohn Rodolfo Gonzagas und stand in Diensten Venedigs.
2
 Mgfin. Barbara (gest. 1481), Tochter Mgf. Johanns von Brandenburg-Kulmbach und Hgin. Barbaras von Sachsen, war verheiratet mit dem 1478 verstorbenen Mgf. Ludovico III. von Mantua. Somit war sie die Mutter Bf. Ludovicos und Großmutter seiner drei Neffen und zugleich eine Cousine Mgf. Friedrichs (Schwennicke, Europäische Stammtafeln I/1, T. 129).
3
 Zu den für die Vertragspartner von Cambrai vorgesehenen Eroberungen siehe Nr. 404, S. 596f., Anm. 2f.
4
 Hier und öfter missverständliche Übersetzung der italienischen Vorlage, in der zweifellos von terre franchedie Rede war (so z. B. auch in der Relation Vincenzo Querinis von 1506; Druck: Chmel, Rilatione, S. 273–279 u. ö.).